Nachrichten Klimawandel und Flüchtlinge
Somalische Flüchtlinge, geflüchtet vor Dürre im Horn von Afrika, erreichen ein Lager in Dadaab (Kenia), im Juli 2011.

Anpassung an die Auswirkungen ist der Schlüssel, um Vertreibung zu verhindern

Hunderttausende Flüchtlinge, die vor kurzem nach Europa kamen, flohen vor Krieg und Verfolgung in Syrien, Afghanistan oder Eritrea. Eine noch größere Flüchtlingswelle, die durch den Klimawandel ausgelöst wird, könnte schon bald eine noch viel größere Herausforderung darstellen.

Veröffentlicht am 18 Februar 2016 um 12:14
Giro 555 SHO/Flickr  | Somalische Flüchtlinge, geflüchtet vor Dürre im Horn von Afrika, erreichen ein Lager in Dadaab (Kenia), im Juli 2011.

Für Prinz Charles, Barack Obama, Mary Robinson und Naomi Klein ist eine Verbindung zwischen Klimawandel, Migration und Vertreibung erkennbar. Präsident [Barack Obama] hat 2015 in seiner Ansprache zur Lage der Nation erklärt: „Keine Herausforderung – keine Herausforderung – stellt eine größere Bedrohung für künftige Generationen dar, als der Klimawandel. Wenn wir nicht energisch handeln, werden wir weiterhin bedrohliche Dürren und Überschwemmungen erleben und massive Vertreibungen, die Migration und Konflikte und Hunger auf der ganzen Welt auslösen können”.

Viele Kommentatoren haben auch festgestellt dass die globale Erwärmung in Syriens blutrünstigem Bürgerkrieg dazu [beigetragen hat], (http://www.nytimes.com/2015/08/19/opinion/thomas-friedman-the-worlds-hot-spot.html?_r=0) dass Millionen Syrer gezwungen waren, das Land zu verlassen und so Europas sogenannte Flüchtlingskrise zu verschärfen. In der Zwischenzeit und noch vor dem Pariser Klimagipfel hat Naomi Klein dazu aufgerufen eine Vereinbarung [zu treffen], die „die vollen Rechte von Klimaflüchtlingen, sich in Sicherheit zu bringen” anerkennt. Im Nachgang des Pariser Gipfels und vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderung für Europa, den Flüchtlingsandrang in den Griff zu bekommen, kann es hilfreich sein, sich die Verbindung zwischen Klimawandel und Vertreibung genauer anzusehen.

Dass der Klimawandel Wanderungsbewegungen von Menschen auslöst, ist eindeutig – schließlich verlassen sich Millionen vom Mekong-Delta bis zum Horn von Afrika auf beständiges Wetter, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, und sind extremen Wetterereignissen schutzlos ausgeliefert, die durch den Klimawandel verschärft auftreten. Viele leben in Gegenden, die von dem Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind (man denke nur an die niedrig liegenden pazifischen Inselstaaten) und von Überschwemmungen (die Sundarbans von Bangladesch, in der [Region] leben Millionen Menschen). Darüber hinaus hoffen viele, dass deutlich wird, wie der Klimawandel zur Vertreibung von Völkern führt. Die führenden Köpfe der Welt müssen aktiv werden, die Emissionen begrenzen und die Gefahren der Erwärmung über 2 Grad hinaus verhindern. Der Beschluss von Paris ist ein wichtiger Meilenstein in diese Richtung.

Um jedoch eine Lösung für die Vertreibung zu finden, die auf den Klimawandel zurückzuführen ist, muss festgestellt werden, dass sich die Verbindungen zwischen Klimawandel und Migration viel komplexer gestalten als nur direkte Ursache und Wirkung zu sein. Hochrangige Beamte des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen und die Internationale Organisation für Migration haben hervorgehoben, dass der Klimawandel nicht immer als direkte Ursache für Vertreibung anzusehen ist.

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Wissenschaftler wie Alexander Betts haben auch herausgestellt, inwiefern es sich bei der Migration um ein komplexes Phänomen handelt, das mehrere Ursachen hat. Der Klimawandel ist einer von vielen sich überschneidenden Faktoren, der sich auf Wanderungsbewegungen auswirkt. Außerdem übersiedeln auch bei den extremsten Umweltkatastrophen noch längst nicht alle. Oftmals bleiben die Schutzbedürftigsten zurück, wie bei dem Hurrikan Katrina, als Menschen aus den ärmeren schwarzen Gemeinden New Orleans‘ auf den Dächern von Häusern zurückgelassen wurden, die bereits überflutet waren.

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Worauf es insbesondere ankommt – sei es im Falle von Hurrikan Katrina (2015), des Erdbebens in Sichuan (2008), oder der Dürre in Syrien (2008-2011) – ist auf welche Weise Politiker Vorkehrungen treffen und wie sie mit Naturkatastrophen umgehen. Präsident Bushs Vorkehrungen und sein Umgang [damit] stellen ein Versagen epischen Ausmaßes dar. Missverhältnisse traten bei der Unterfinanzierung, schlechten Ausstattung und unzureichenden personellen Ausstattung von Bundesbehörden wie der Bundesagentur für Katastrophenschutz (FEMA) eindeutig zu tage..

Beim Erdbeben von Sichuan (das eindeutig keine Klimakatastrophe war, sondern ein gutes Beispiel für politisches Fehlversagen bei Naturkatastrophen ist) starben 5.000 Kinder, als ihre Schulen über ihren Köpfen einstürzten, weil die Einhaltung von Bauvorschriften nicht durchgesetzt worden war. Inzwischen wissen wir, dass in Syrien der Arabische Frühling die Dürre und seit langem schwelender Unmut zu den Unruhen gegen Assad geführt haben, der seinerseits einen blutigen Krieg gegen sein Volk führt, welcher aktuell durch den Konflikt mit dem Islamischen Staat noch verschärft wird. Der kritische Punkt hierbei ist: Obwohl der Klimawandel die Bedrohungen verstärkt, sind es doch die politischen Führungen und die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen, über die sie herrschen, die darüber entscheiden, wer unter einer Katastrophe am meisten zu leiden hat.

Es ist unerlässlich, diese politischen Faktoren zu würdigen, die bei der Feststellung helfen, wer flieht und wer bleibt. Wenn wir das Problem einfach auf eine durch den Klimawandel ausgelöste Vertreibung eingrenzen – was häufig als 'Klimaflüchtlinge' oder 'Klimamigranten' bezeichnet wird – dann laufen wir Gefahr, die falschen Lösungen vorzugeben. Um ein Beispiel zu nennen, haben einige [Wissenschaftler] (http://www.environmentmagazine.org/Archives/Back%20Issues/November-December%202008/Biermann-Boas-full.html) und Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise die Freunde der Erde ein neues internationales Protokoll verlangt, das die 'Klimaflüchtlinge' schützt und ihnen hilft. Sie haben zutreffend darauf hingewiesen, dass Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen vertrieben werden, von der Flüchtlingskonvention von 1951 nicht umfasst sind, sondern dass diese nur Menschen umfasst, die aus ihrem Herkunftsland infolge von Verfolgung fliehen mussten.

Eine neue Kategorie von 'Klimaflüchtlingen' einzuführen, wäre äußerst problematisch. Denn es ist allgemein schwierig eine Verbindung zwischen dem Klimawandel und einem bestimmten meteorologischem Ereignis herzustellen, geschweige denn jemandes Wanderungsbewegung. Es wäre nahezu unmöglich, aktuelle 'Klimaflüchtlinge' zu identifizieren und sie auf dieser Grundlage mit dem Nötigsten zu versorgen. Würde man sich auf die Unterstützung von 'Klimaflüchtlingen' fokussieren, wären all jene außen vor, die vor Naturkatastrophen auf der Flucht sind, deren Ursachen aber nicht im Klimawandel liegen – wie zum Beispiel die Erdbeben in Haiti oder in Sichuan – aber auch all jene, die zurückgelassen worden sind, wären außen vor. Ebenso wäre die Bedürftigkeit von vielen anderen vertriebenen Menschen davon nicht erfasst, die infolge eines Staatszerfalls fliehen, wie beispielsweise in Afghanistan und im Irak, für die aber die Flüchtlingskonvention nicht greift. Wir müssen den internationalen Schutz auf eine viel größere Gruppe als nur die ‘Klimaflüchtlinge’ ausweiten.

Was können wir also tun, um denen zu helfen, die vom Klimawandel bedroht sind? Es ist unerlässlich, dass alle Regierungen nationale Klimaanpassungspläne ausarbeiten, um sich gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen. Anpassung beinhaltet alles: angefangen bei der Errichtung von Hochwasserschutzbarrieren bis hin zur Unterrichtung von Landwirten über die Klimaveränderungen. Zusätzlich sollten die Staaten ihre Finanzierung in Anpassungsmaßnahmen für die am meisten gefährdeten Entwicklungsländer verstärken. Hierfür gab es in Paris vielversprechende Anzeichen – der Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika John Kerry verkündete, dass er die US Finanzmittel für die Anpassungsmaßnahmen auf mehr als $ 800 Mio. pro Jahr verdoppeln würde.

Jedoch werden nur 16 Prozent der aktuellen öffentlichen Mittel zur Klimafinanzierung in Anpassungsmaßnahmen investiert und deren Finanzierung weist einen großen Fehlbetrag auf. In den Jahren 2012 – 2013 lagen die Ausgaben der öffentlichen Hand zwischen 23 bis 26 Milliarden $ [21 bis 24 Milliarden €]; zugleich benötigten die Entwicklungsländer bis 2013 mindestens 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Nach Paris müssen wir Druck auf die Regierungen ausüben, damit Anpassungsmaßnahmen entwickelt und finanziert werden können, um den Gefährdetsten bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen.

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