Tschechische Republik
Präsident Miloš Zeman nach seiner Rede im Parlament am 7. August 2013.

„Auf dem besten Weg zu einer Zeman-Republik“

Die politische Krise, die vor zwei Monaten mit dem Rücktritt des konservativen tschechischen Ministerpräsidenten Petr Nečas begonnen hat, erlebte am 7. Juli einen neuen Höhepunkt: Das Parlament sprach der größtenteils aus Technokraten bestehenden Übergangsregierung von Jiří Rusnok.

Veröffentlicht am 8 August 2013 um 14:44
Präsident Miloš Zeman nach seiner Rede im Parlament am 7. August 2013.

Für die tschechische Presse hat die gestrige Abstimmung den Zusammenbruch der Mitte-Rechts-Mehrheit besiegelt und stellt dementsprechend einen Sieg für den früheren Sozialdemokraten Miloš Zeman dar.

Hospodářské noviny hebt unterdessen die spektakuläre Niederlage der Rechtskonservativen vor, die nicht in der Lage waren, Zeman gegenüber Widerstand zu leisten. In Zukunft werden sie wohl gar nicht mehr in der Lage sein, ihre Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. In den Augen der Zeitung wird der 7. August 2013 folglich

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in die Annalen der tschechischen Politik eingehen. Als einer der Meilensteine der Geschichte nach 1989. Als ein Tag, an dem die tschechischen Rechtskonservativen am erniedrigendsten Ende ihrer Ära angekommen sind. [...] Die Jahre 2010 bis 2013 waren in gewisser Weise atemberaubend. Wir hatten das Privileg, einem Schauspiel beizuwohnen, in dem die Mehrheit nach und nach ihren historischen Rekord von 118 Stimmen [von 200] einbüßte, irgendwann nur noch „ganz gewöhnliche“ 101 Stimmen zählte und letztendlich ganz zusammenbrach. Was für ein Symbol!

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In MF Dnes meint der Kolumnist Bohumil Pečinka, dass am 7. August ein „neues Regime“ begonnen hat. Pečinka erinnert an die Rede des Staatspräsidenten vor der Abstimmung und daran, dass er die parlamentarische Mehrheit mehrfach in Frage gestellt, und Meinungsumfragen als Argumente für seine persönlichen politischen Pläne verwendet hat:

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Es spielte gar keine so große Rolle, ob es die Regierung letztendlich schaffen würde oder nicht. Die meisten Politiker hatten sich längst damit abgefunden, dass nicht mehr viel von der parlamentarischen Mehrheit übrig ist. Allerdings scheinen sich die [politischen Verhältnisse] nun so zu verschieben, dass am Ende [des politischen Krisentunnels] möglicherweise eine Zeman-Republik steht.

An diesen Ausgang glaubt Lidové noviny aber nicht: Die Tageszeitung erinnert daran, dass der Präsident die Kontrolle über die tschechische Sozidemokratische Partei (ČSSD) bereits über seine politischen Verbündeten übernommen hat, und folglich auch sehr wahrscheinlich ist, dass er die kommenden Wahlen gewinnen wird. Allerdings meint das Tagesblatt aus Prag auch, dass

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Zeman es langfristig nicht gelingen wird, die Machtverhältnisse so zu umorganisieren, dass [ein Präsidialsystem] wie in Frankreich entsteht. Die Traditionen Zentraleuropas sind einfach zu tief verankert. Um dies zu bewerkstelligen, hätte er ein Kriegsheld sein müssen. Demzufolge werden sich die Dinge etwa so abspielen wie in Polen, wo das Parlament nach einer Phase starker Präsidenten die Macht wieder zurückerobert hat.

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