Nachrichten Türkei-Griechenland

Auf der anderen Seite der Mauer

Der von Griechenland geplante Grenzzaun an der türkischen Grenze, um den illegalen Flüchtlingsströmen Einhalt zu bieten, sei auch eine weitere Hürde für die Türkei zum EU-Beitritt, meint der Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Sabah.

Veröffentlicht am 17 Januar 2011 um 11:48

Die ersten türkischen Reaktionen auf den griechischen Plan, einen Grenzzaun an einem Teil der gemeinsamen Grenze mit der Türkei zu errichten, waren äußerst zurückhaltend und diskret. Dennoch denken wir, dass es falsch wäre, diese Entscheidung als eine innere Angelegenheit Griechenlands oder eine Frage der griechischen Souveränität zu betrachten. Diese Mauer oder dieser Stacheldrahtzaun, der entlang des Flusses Mariza türkisch: Meriç gebaut werden soll, wird unweigerlich Auswirkungen auf das internationale Ansehen der Türkei haben.

Die Mauer an der Südgrenze der USA, die den griechischen Behörden als Vorbild dient, hat Mexiko im übrigen absolut nichts gebracht. Im Gegenteil. Sie bugsierte das Land in die Rolle eines ohnmächtigen Schurkenstaats, der verzweifelt versucht, seine wirtschaftlichen und sozialen Probleme auf die andere Grenzseite zu exportieren. Und die Palästinenser fühlen sich gedemütigt von den Zäunen und Mauern an der israelischen als auch ägyptischen Grenze, die sie zu einem Leben in einem Gefängnis unter freiem Himmel verdammen.

Die Mauer ist auch unser Problem

Der Fluss Mariza ist nicht nur unsere Grenze mit Griechenland, sondern auch mit der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang bedeutet ein solcher Zaun, ein weiteres, unüberwindbares Hindernis zwischen uns und der EU zu errichten, ganz im Sinne des Schengenkonzepts, dem Symbol der begrenzten Personenfreizügigkeit. Zu den Visa-Problemen, die wir bereits mit der EU haben, gesellt sich zusätzlich ein physisches Hindernis. Deshalb ist die Mauer nicht nur ein griechisches, sondern auch unser Problem.

Zudem ist der Bau eines solchen Zauns entlang der Mariza leider auch ein Weg, die Sarkozy-Vision der EU-Außengrenzen zu festigen, auch wenn der Weisenrat der EU unter Vorsitz des spanischen Ex-Ministerpräsidenten Felipe González dem widerspricht. In seinem im Mai 2010 vorgelegten Bericht erklärt letzterer, dass die EU-Außengrenzen nicht von der Geografie definiert werden, sondern „von der Wertegemeinschaft“. Die Errichtung dieser Mauer würde aber das Zeichen setzen, Europa ende am Ufer der Mariza. (js)

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