Bohren statt Netz auswerfen: Kvanefjeld besitzt das drittgrößte Seltene-Erden-Vorkommen der Welt

Die unterirdische Versuchung

Uran, Seltene Erden, Eisen, Kupfer, Gold... Das arktische Eis schmilzt, und für die Bevölkerung Grönlands, die fast ausschließlich vom Fischfang lebt, sind zahlreiche Bodenschätze zum Greifen nah. Ein Segen und ein Fluch zugleich, der auch Chinesen und Amerikaner interessiert.

Veröffentlicht am 6 Februar 2013 um 12:54
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Nuuk, der Name der grönländischen Hauptstadt klingt ein wenig wie das englische Wort „nuke“, Atomsprengkopf, scherzen die Dänen seit jüngster Zeit. Und in der Tat ist es immer wahrscheinlicher, dass Grönland — und damit Dänemark — in naher Zukunft eine entscheidende Rolle auf dem globalen Markt für Uran spielen wird.

Eine Vorstellung, die vielen Menschen im Hohen Norden das Blut gefrieren lässt. Dabei ist seit Jahren bekannt, dass der Boden Grönlands Uran enthält, doch schien es außerhalb der Reichweite, und man empfand es als eine verbotene Frucht.

Mehr als ein Vierteljahrhundert lang führte Dänemark eine nukleare Politik der Null-Toleranz. Nun zeichnet sich in Kopenhagen ein vollständiger Kurswechsel ab. „Das ist der Gipfel der Heuchelei“, sagt Flarup Christensen, Leiter von Greenpeace Dänemark, „wenn man bedenkt, dass wir die Schweden gezwungen haben, Kernkraftwerke zu schließen, weil diese zu nah an dänischen Hoheitsgebiet lagen.“

Dänemarks Ökos mit Imageproblem

Was ist passiert? „Grönland hat 2009 mehr Autonomie bekommen und kann heute seine Rohstoffe selber verwalten. Das ist der entscheidende Unterschied“, erklärt Cindy Verstergaard vom Danish Institute for International Studies am Telefon aus Kopenhagen. Mehr Unabhängigkeit bedeutet auch, dass die Millionen, die jährlich von Kopenhagen nach Nuuk strömen, allmählich versiegen. Und nur von Garnelen zu leben ist schwierig.

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Darum ist Uran interessant. Allerdings kann Grönland hierbei nicht im Alleingang entscheiden. Dänemark bleibt verantwortlich für Außen- und Verteidigungspolitik. Darüber hinaus ist die weniger als 60.000-Einwohner-Insel Grönland nicht imstande, Bergbau und Export auf eigene Faust zu bewältigen.

„Als das grüne Licht kam, hat sich alles verändert“, sagt Vestergaard. „Dänemark ist zum nuklearen Spieler geworden“. Noch sind Kanada, Australien und Kasachstan die größten Exportländer, doch angesichts der enormen Vorräte sollten Dänemark und Grönland auch bald Top-Player werden.

Aber es ist ein heikles Unterfangen, alles in die richtige Bahn zu lenken. „Der Handel mit Uran ist einer der undurchsichtigsten der Welt. Wie kann man am Ende sicher sein, dass es nicht zum Bau von Atomwaffen dient? Australien behauptet, man könne, doch sicher ist nichts.“ Und so steht den grünen, friedliebenden Dänen ein seriöses Imageproblem ins Haus.

Grönland könnte Chinas Monopol brechen

Für Grönland steht noch viel mehr auf dem Spiel. Aufgrund der Erderwärmung kommen noch ganz andere Bodenschätze als Uran ans Licht. Es ist sogar so, dass, sollte der Uranabbau verboten bleiben, noch andere Bodenschätze wie Eisenerz, Kupfer, Gold und Seltene Erden wirtschaftlich verloren gehen könnten, und dies zu einem Zeitpunkt, an dem sich internationale Bergbauriesen wir Südkorea und China beginnen, sich für die Vorräte zu interessieren.

Mehr noch, bei den Seltenen Erden — sehr wichtig für die Herstellung von Smartphones und Automobilen — könnte Grönland das Monopol von China brechen.

Der Rohstoffreichtum ist sowohl ein Fluch wie ein Segen, findet The Copenhagen Post. Mit dem Schmelzen des Eises verschwinden auch die Dörfer, die bislang vom Garnelenfang gelebt haben. Die Tiere sind auf der Suche nach kälteren Gewässern noch weiter in den Norden abgezogen. Folge: Arbeitslosigkeit, Abwanderung und sogar Selbstmord. Die Frage ist, ob man aus einem Fischer einen Bergarbeiter machen kann.

Mit Rohstoffen in die Unabhängigkeit

Und es gibt noch mehr Herausforderungen. Unter dem Druck von internationalen Unternehmen hat Grönland ein Gesetz verabschiedet, mit dem ausländischen Arbeitnehmern weniger Lohn bezahlt werden kann als grönländischen.

So will der amerikanische Aluminiumriese Alcoa in einem 3000-Seelen-Dorf eine Fabrik bauen, die ebenso viele Mitarbeiter aus Polen oder China beschäftigen soll. Was bedeutet das für die lokale Gemeinschaft? Und wie kann eine Insel mit weniger als 60.000 Einwohnern gegen den Industrie-Mogul standhalten?

Wie strategisch Grönland liegt, wissen die USA schon seit langem. Nach dem Zweiten Weltkrieg boten sie Dänemark 100 Millionen Dollar für das Eiland. Nun sieht es aus, als wolle Nuuk immer mehr seinen eigenen Weg gehen. „Bisher war die Fischerei das Einzige, was sie hatten“, sagt Vestergaard. „Aber es ist klar, dass der Abbau von Rohstoffen — und sie haben wirklich alles hier — ein Weg ist, um auf Zeit zu einem unabhängigen Land zu werden.“

Bald wird in Grönland gewählt. Zweimal dürfen Sie raten, welches das Hauptthema im Wahlkampf ist.

Aus Dänemark

Grönland kann gar nicht anders

Welche Option die Grönländer auch wählen mögen, ihre Zukunft wird „Murphys Gesetz“ unterliegen: „Was schiefgehen kann, wird schiefgehen“, meint Politiken.

Für die dänische Tageszeitung wird die Ölförderung und der Bergbau unweigerlich zu noch mehr Vetternwirtschaft führen, und das in einem Land, welches ohnehin unter Korruption und einem unerfahrenen Politik-Personal leidet, das nicht immer unter politischem Auftrag und persönlichem Business unterschieden kann. Die Tageszeitung schreibt:

Umweltverschmutzung und –zerstörung werden einmal mehr der „Goldrausch-Stimmung“ folgen. Das Gefälle zwischen dem urbanen Milieu, das den Bergbau befürwortet, und den isolierten Dörfern wird weiter wachsen.

Andererseits bleibt den Grönländern nicht viel anderes übrig, meint Politiken:

Die Einkommen aus der Fischerei sinken, ebenso die Subventionen aus Dänemark. Die Grönländer sind gezwungen, Neues auszuprobieren. Wenigen im Ausland ist das Ausmaß der Armut in Grönland bewusst.

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