Viele Europäer*innen fürchteten die Wiederwahl von Donald Trump. Die Gründe dafür, warum seine Rückkehr ins Weiße Haus Anlass zur Sorge ist, stimmen aber nicht unbedingt mit den Erwartungen überein. Die größten Bedrohungen für unsere Demokratien gehen nämlich nicht direkt von dem Magnaten selbst aus, sondern von den sogenannten „Broligarchen“. Bei diesen handelt es sich um die Tech-Milliardäre wie den Chef von Tesla und Space X, Elon Musk, oder den von Meta, Mark Zuckerberg, die ihrem „bro“ (umgangssprachliche Abkürzung für „brother“, englisch für „Bruder“) Donald Trump aus Affinität oder, was wahrscheinlicher ist, aus wohlverstandenem Eigeninteresse ergeben sind.
„Ein rechtsextremer Wind weht über den Atlantik“, schreibt Nathalie Tocci im Guardian.
„Der Aufstieg der populistischen Rechten in Europa fand zwar schon vor der Wiederwahl Donald Trumps statt, doch werden rechtsextreme Parteien, Politiker*innen und Regierungen in ganz Europa durch seine bevorstehende Rückkehr an die Macht und durch den aufsteigenden politischen Stern Elon Musk gestärkt. Es besteht eine gewisse Hoffnung, dass Trumps Präsidentschaft eine einigende Wirkung auf Europa haben könnte", fügt die italienische Politikwissenschaftlerin hinzu und erklärt, dass dies „bei Themen wie der Verteidigungspolitik [...] der Fall sein könnte. [...] Aber in Bereichen wie Handel, Technologie und Raumfahrt ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass ein eher nationalistisches Europa, das mit räuberischen USA konfrontiert wird, die spalten, um besser herrschen zu können, eher zersplittert als zusammenhält. Und das ist anscheinend genau das, was das Duo Trump-Musk anstrebt.“
Die Voraussetzungen dafür sind besonders günstig: Populistische oder rechtsextreme Parteien sind in Schweden, Finnland, Kroatien, Italien, den Niederlanden, Österreich, der Slowakei und Ungarn an der Macht und könnten bald auch in Rumänien und der Tschechischen Republik oder sogar in Frankreich an die Macht kommen, beobachtet Tocci weiter.
Die reaktionäre politische Agenda von Elon Musk ist umso transparenter, als er seine gesamte mediale Feuerkraft in ihren Dienst stellt: So überschwemmt Musk regelmäßig X, das er 2022 gekauft hat, mit Beiträgen, in denen er den Rücktritt des britischen Labour-Premierministers Keir Starmer fordert, der zu Unrecht beschuldigt wurde, einen großen Pädophiliefall gedeckt zu haben, als er zwischen 2008 und 2013 Direktor der öffentlichen Strafverfolgung – gleichbedeutend mit einem Generalstaatsanwalt – war. Es scheint, dass Musk „diesen überwältigenden nationalen Skandal gerade erst entdeckt hat“, stellt Elizabeth Pearson in The Conversation fest.
„In einer Reihe von Posts auf X politisierte Musk diese Verbrechen, um Premierminister Keir Starmer als ‚dämonisch‘ zu denunzieren und zu allgemeinen Neuwahlen im Vereinigten Königreich aufzurufen“, schreibt die Terrorismusexpertin, die erklärt, dass Musk „Geld und Macht in sozialen Netzwerken hat, aber ein ‚tech bro‘, ein Geek, ist. Durch die Instrumentalisierung des Schreckens der britischen Skandale um die sexuelle Ausbeutung von Kindern konnte er versuchen, sich als Beschützer der Frauen, als Held der Vergessenen darzustellen. Er hat eine rechtsextreme politische Position und die Stimmen rechtsextremer Akteurinnen und Akteure, die sie seiner Meinung nach verkörpern, verstärkt.“
„Wie bei vielen ultrareichen Magnaten in der Vergangenheit ist das Problem mit Elon Musk und seinen immer hitzigeren Beiträgen auf dem, was früher Twitter hieß, dass nichts von dem, was er sagt, Hand und Fuß hat“, bekräftigt seinerseits The Independent, der in einem Leitartikel dem „brillanten und in seinen Talenten proteischen Geschäftsmann vorwirft, er habe „weder die Zeit noch die Erfahrung, um zu verstehen, was während des Skandals um die Prostitutionsbanden in England, der vor etwa 15 Jahren ausbrach, geschehen ist. [...] Ironischerweise scheinen die jüngsten Aktivitäten von Musk ein beredtes Fallbeispiel dafür zu sein, was passiert, wenn eine Person zu viel Zeit in sozialen Netzwerken verbringt, aufrichtig glaubt, dass dies eine zuverlässige Quelle für Informationen und Analysen ist, und Verschwörungstheorien, Fehlinformationen und Desinformationen zum Opfer fällt, die leicht widerlegbar sind. Als ‚Absolutist der Meinungsfreiheit‘ hilft er der Sache nicht, indem er gefährliche Mythen verbreitet. Er scheint niemanden um sich zu haben, der ihm eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. [...] Sir Keir hatte also Recht, seine Bilanz zu verteidigen [...] gegen diese beispiellosen und überraschend unklugen Angriffe, auf die Gefahr hin, einen diplomatischen Zwischenfall zu provozieren. Der Milliardär und die X-Bande sind, wie der Premierminister es ausdrückte, ‚zu weit gegangen‘.“
So sehr er linke oder zentristische Führungspersönlichkeiten angreift, so offen unterstützt Musk rechtsextreme. Es ist daher kein Zufall, dass er, nachdem er wiederholt behauptet hat, dass „nur die Alternative für Deutschland (AfD) Deutschland retten kann“, am 9. Januar ein über einstündiges, wohlwollendes Gespräch mit der Chefin der fraglichen Partei, Alice Weidel, geführt hat.
Der Auftritt wurde von fast 200.000 Menschen live verfolgt und von den deutschen Behörden als Teil des AfD-Wahlkampfs und möglicherweise sogar als illegale Parteispende betrachtet, ist im Tagesspiegel zu lesen. Für die Berliner Tageszeitung besteht kein Zweifel daran, dass „die Attacken des Tech-Milliardärs eine Einmischung in den Wahlkampf“ darstellen, die die deutsche Politik in „ein Dilemma“ stürzt, so Daniel Friedrich Sturm in derselben Zeitung: Sich öffentlich über seine Einflussnahme auf den Wahlkampf aufzuregen, bedeute, die Aufmerksamkeit zugunsten der AfD zu vergrößern; man könne zu Attacken auf die deutsche Demokratie aber auch nicht schweigen, meint er.
„Die neue mediale Power der AfD ist beängstigend. Schon seit vielen Jahren setzt die in Teilen rechtsextreme Partei die sozialen Medien geschickt für Propaganda ein. Nun unterstützt auch noch der reichste Mann der Welt die Partei“, schreibt Caspar Schwietering, ebenfalls im Tagesspiegel. Musks Verhalten wecke düstere Erinnerungen, stellt er fest:
„Der rechtslibertäre X-Besitzer Elon Musk nutzt seine Marktmacht und Reichweite, um die AfD im Bundestagswahlkampf zu unterstützen. Das erinnert an die Weimarer Republik. Damals verbreiteten die den Zeitungsmarkt dominierenden Blätter von Alfred Hugenberg, dem Chef der nationalkonservativen DNVP, nationalistische und antidemokratische Propaganda.“ Während Schwietering Alice Weidels „schwachen“ Auftritt hervorhebt, insbesondere als sie Adolf Hitler wegen seiner Verstaatlichungen als „Kommunisten“ bezeichnete, stellt er fest, dass „eine Lehre aus diesem Gespräch ist, dass es sich für die Kandidaten der demokratischen Parteien lohnen könne, Weidel in einer direkten Auseinandersetzung zu stellen“, was die meisten Populistinnen und Populisten ablehnen. Eine andere, wichtigere Erkenntnis ist , dass „die sozialen Medien nicht den Feinden der Demokratie überlassen werden dürfen. Die demokratischen Parteien [...] haben die Aufgabe, dort attraktive Angebote zu machen.“
Cas Mudde hatte in seiner Prognose für 2025 Recht: Mit Trump als Präsident sind die Europäer*innen allein, und sie müssen lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Das gilt umso mehr, als die meisten ihrer Nachbarländer, „Trumps Amtsantritt begrüßen und behaupten, dass er für ihre Länder, den Weltfrieden und insbesondere den Frieden in der Ukraine und im Nahen Osten von Vorteil sein wird. Eine Mehrheit der Menschen in Indien und Saudi-Arabien ist dieser Meinung, und Mehrheiten oder Pluralitäten – je nach Frage – in China, Brasilien, Südafrika und Russland“. Das geht aus einer Studie hervor, die vom European Council on Foreign Relations (ECFR) in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford durchgeführt wurde und die der Historiker Timothy Garton Ash im Guardian zusammenfasst.
Die Strategie von Elon Musk mag der extremen Rechten in Europa zwar helfen, Stimmen zu gewinnen, sie stößt aber auch auf Ablehnung, wie Basta! berichtet: „Seit den US-Wahlen ist ein massiver Abgang von der Plattform X zu verzeichnen, der noch größer ist als zum Zeitpunkt der Übernahme von Twitter im Jahr 2022. Medien, Organisationen und vor allem Millionen von Bürgern und Bürgerinnen haben die Plattform verlassen.“ Bei Voxeurop haben wir beschlossen, uns der Bewegung HelloQuitteX anzuschließen und unsere Konten – eines pro Sprache – ab dem 20. Januar 2025, dem Tag der Amtseinführung von Donald Trump, nicht mehr zu aktualisieren.
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