„Krieg ist Frieden, Frieden ist Krieg.“ Im Einklang mit den großen Waffenherstellenden scheint die Europäische Kommission das berühmte Diktum aus George Orwells dystopischem Roman 1984 übernommen zu haben. Beide versuchen, die Finanzmärkte davon zu überzeugen, dass die Waffenproduktion als „nachhaltig“ angesehen werden kann.
Der Verteidigungssektor strebt Zugang zu dem wachsenden Kapitalpool an, der als „grüne“ oder „ESG“-Investitionen (die Aktivitäten in den Bereichen Umwelt, Soziales oder gute Unternehmensführung fördern sollen) gehalten wird. Der europäische Teil dieses Marktes hat laut den neuesten Morningstar-Daten einen Wert von 7 Billionen Euro.
Durch sorgfältige Wortwahl, strategisch ausgearbeitete Dokumente und eine Reihe von Treffen hat die Europäische Union das Konzept der „Nachhaltigkeit“ schrittweise erweitert. Das Label umfasst nun auch Bereiche, die einst offensichtlich überhaupt nichts damit zu tun hatten, wie beispielsweise Verteidigung und Sicherheit.
Diese von Voxeurop koordinierte Untersuchung zeigt, dass die Evangelisierung durch die Europäische Kommission dem Anstieg der Verteidigungsinvestitionen in den „grünen“ Portfolios der großen Vermögensverwalter einen Anstrich von Legitimität verliehen hat. Unternehmen, die Rüstungsgüter herstellen – Drohnen, wie Safran aus Frankreich, Bomben, wie Rheinmetall aus Deutschland und Panzer, wie BAE Systems aus Großbritannien –, erhalten Milliarden an „grünen“ Investitionen. Ein Großteil dieses Geldes stammt von den großen globalen Vermögensverwaltungsgesellschaften, die für den Handel an den europäischen Märkten zugelassen sind.
So sind beispielsweise die Aktien von Elbit Systems, Israels führendem Waffenherstellungsunternehmen – direkt beteiligt am Krieg im Gazastreifen, der den Tod Tausender Zivilistinnen und Zivilisten und die Zerstörung von Häusern, Infrastruktur und Ackerland dort zur Folge hat – nun in Fonds enthalten, die als „Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft“ oder „ESG“ gekennzeichnet sind. So haben kleine europäische Sparende möglicherweise unwissentlich das finanziert, was eine Kommission der Vereinten Nationen als Völkermord bezeichnet hat.
50 Milliarden Euro an „grünen“ Geldern flossen in Panzer und Militärdrohnen
In den vier Jahren seit 2021 haben sich die grünen Investitionen in die Rüstungsindustrie mehr als verdreifacht: Sie stiegen von 14,5 Milliarden Euro auf 49,8 Milliarden Euro. Allein im Jahr bis 2025 hat sich der Anteil der Investitionen in diesem Sektor verdoppelt, wie aus Daten hervorgeht, die wir von der internationalen Finanzdatenplattform London Stock Exchange Group extrahiert haben. Wir haben die Zahlen zu grünen Investitionen in 118 der weltweit größten börsennotierten Verteidigungsunternehmen (nach Marktkapitalisierung) untersucht und 3.037 Fonds betrachtet, die von 2021 bis 2025 Aktien aus dem Verteidigungssektor in ihren „grünen“ Portfolios hielten.
„Grüne“ Investitionen sind solche, die unter die Europäische Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (bekannt als SFDR) fallen. Diese seit 2021 geltende Verordnung legt die Regeln für Investitionen fest, die „ökologische und/oder soziale Merkmale“ bewerben (Artikel 8), sowie für solche, die „nachhaltig“ sein müssen (Artikel 9). Sie gilt für alle Finanzinstitute, die in der EU, dem größten Markt der Welt, tätig sind.
Von 2021 bis 2025 verdoppelte sich der Marktwert aller untersuchten Unternehmen auf 3 Billionen Euro, was dem BIP Frankreichs im Jahr 2024 entspricht. Allein im Jahr 2025 erzielten rund 769 „grüne“ Fonds Gewinne in Höhe von 7 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Aktien von Unternehmen aus dem Verteidigungssektor und der Ausschüttung von Dividenden durch solche.
„Die Unternehmen erzielten in dieser Zeit hohe Gewinne, weshalb Investitionen in Verteidigung opportun waren“, erklärt Nicola Koch vom Sustainable Finance Observatory gegenüber Voxeurop. „Waffenherstellung kann nicht unter die Definition nachhaltiger Investitionen fallen, da die eigentliche Funktion der Produkte darin besteht, zu verletzen, zu zerstören oder zu töten. Das hat negative Auswirkungen auf das menschliche Leben und die Ökosysteme, die nicht mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung vereinbar sind. Daher ist es von größter Bedeutung, dass positive und negative Auswahlkriterien vollständig offengelegt und die Präferenzen von Kleinanlegenden in Finanzberatungsgesprächen sorgfältig ermittelt und respektiert werden.“
„Heutzutage ist es sehr profitabel, in Waffenherstellende zu investieren. Noch lukrativer wird es, wenn diese Unternehmen auch von grünen Finanzierungen profitieren“, kommentiert Attiya Waris, unabhängige Expertin der Vereinten Nationen für Auslandsverschuldung, andere internationale finanzielle Verpflichtungen und Menschenrechte sowie Professorin für Steuerrecht an der Universität Nairobi.
Welche Unternehmen profitierten am meisten?
Im Jahr 2025 teilten sich 104 Unternehmen 49,8 Milliarden Euro an angeblich grünen Investitionen, die von Vermögensverwaltungsgesellschaften vermarktet wurden. Die Hälfte dieses Betrags ging an 27 europäische Unternehmen. Am meisten profitierte davon mit 5,6 Milliarden Euro das französische Unternehmen Safran. Es stellt unter anderem Lenkbomben der neuen Generation her, die laut Broschüre eine Genauigkeit von 99 Prozent haben und „keinen Platz zum Verstecken lassen“. An zweiter Stelle steht mit 4 Milliarden Euro das deutsche Unternehmen Rheinmetall, das an der Produktion der selbstfahrenden Haubitze PzH 2000 beteiligt ist, die Ziele in einer Entfernung von bis zu 56 km treffen kann und „eine hohe Mobilität auf dem Gefechtstfeld“ bietet.
Zu den zehn Unternehmen, die das meiste „grüne“ Kapital anziehen, gehören die deutsche MTU Aero Engines, die italienische Leonardo, die niederländische Tochtergesellschaft von Airbus, die französische Thales, die spanische Indra, die schwedische Saab sowie die britischen Unternehmen Rolls Royce und BAE Systems. Jüngsten Studien zufolge produziert BAE Systems eine Vielzahl von Waffen, die von der israelischen Armee bei ihren Militäroperationen im Gazastreifen eingesetzt werden, darunter die selbstfahrende Haubitze M109, die in Zusammenarbeit mit Rheinmetall hergestellt und als „Königin des Gefechtsfelds“ präsentiert wird. Rolls Royce, das die deutsche Tochtergesellschaft MTU kontrolliert, liefert technische Komponenten für israelische Panzer, die für die Tötung unschuldiger Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza verantwortlich sind.
Außerhalb Europas sind US-Unternehmen vorherrschend. An der Spitze der Rangliste stehen die großen Rüstungskonzerne Howmet Aerospace, General Electric, Axon, Boeing, TransDigm und RTX. Zusammen zogen sie 13 Milliarden Euro der 18 Milliarden Euro an, die außerhalb der EU investiert wurden, was einem Anteil von 70 Prozent entspricht.
Zu den führenden „nachhaltigen“ Fonds in Europa zählen der ESG Top World Fonds, der von der DWS in Deutschland angeboten wird (mit einer Beteiligung von 95 Millionen Euro am kanadischen Unternehmen Bombardier), sowie mehrere von Montpensier Arbevel in Frankreich vertriebene Fonds. Zu letztgenannten gehört unter anderem ein „Best Business Model SRI“ (wobei SRI für „Sustainable and Responsible Investment“ steht), der zusammen Anteile im Wert von 60 Millionen Euro an Airbus und Safran hält. Der US-amerikanische Gigant BlackRock vertreibt (von Luxemburg aus) ein Produkt namens „European Equity Transition“. Es hält Anteile im Wert von 24 Millionen Euro an MTU Aero Engines, Rolls Royce und Thales.
Wie kam es zu Investitionen in derartiger Höhe? Der Fall eines deutschen Managers, der aus einer Sitzung der Europäischen Kommission ausgeschlossen wurde, lässt auf einen gut koordinierten, von oben gesteuerten Prozess schließen, an dem auch die Rüstungsindustrie selbst beteiligt ist.
Die unbequemen Fragen eines Bankers an die Europäische Kommission
Tommy Piemonte war Manager bei der deutschen Bank Pax-Bank für Kirche und Caritas. Der Deutsch-Italiener ist seit Jahren im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft tätig. Am 27. November 2024 nahm er an einem wegweisenden Treffen teil, das von der Europäischen Kommission organisiert wurde: dem EU Defence Industrial Investment Forum mit dem Untertitel „Investitionen in die Verteidigung und Sicherheit der EU: eine neue politische Priorität“. An dem Treffen waren Beamtinnen und Beamte der Kommission, Vertretende der Rüstungsindustrie und Finanzakteurinnen und -akteure beteiligt. Es hatte ein konkretes Ziel: die Öffnung des Geldbeutels für „nachhaltige“ Investitionen im Verteidigungssektor. Wir sprachen einige Monate später, im Januar 2025, mit Piemonte.
Als Vertreter einer ethischen Bank und Mitglied von Shareholders for Change erwartete er klare Antworten von der Kommission. Stattdessen wurde er wegen seiner Kritik an der angeblichen „Nachhaltigkeit“ der Rüstungsindustrie aus der Sitzung ausgeschlossen. Piemonte, der aus der Ferne teilnahm, hatte nur einfache Fragen gestellt, darunter: „Warum halten Sie es für so wichtig, dass die Rüstungsindustrie als nachhaltig bezeichnet wird?“ Sein letzter Beitrag, laut der Rekonstruktion, die er uns zur Verfügung stellte, führte zu seinem Ausschluss aus der Sitzung: „Vermitteln Sie nicht den Eindruck, dass Sie meine Fragen nicht beantworten, nur weil sie Ihnen ein wenig kritisch erscheinen.“
„Sie haben mich ohne Vorwarnung rausgeworfen“, teilt er uns mit. „Ich war schockiert, es kam mir wie eine unwirkliche Situation vor. Ich vertrete Finanzierinnen und Finanziers, Investorinnen und Investoren, insbesondere solche, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, also genau die Zielgruppe dieser Veranstaltung.“ Später erhielt er per E-Mail eine Erklärung von der Organisation: „Sie wurden ausgeschlossen, weil Sie die Veranstaltung gestört haben.“
Piemontes Darstellung wird von Andrea Baranes, Präsident der Ethical Finance Foundation, bestätigt, der ebenfalls an dem Treffen teilgenommen hat. „Fast alle Rednerinnen und Redner wiederholten denselben Slogan: Ohne Sicherheit gibt es keine Nachhaltigkeit“, erinnert er sich und weist auf den Orwellschen Unterton hin. „Es war ein offensichtlicher Versuch zu zeigen, dass nachhaltige Finanzen mit dem Verteidigungssektor vereinbar sind. Das ist so, als wäre ich Vegetarier und man würde mir in einem Restaurant ein Steak servieren und sagen, dass von nun an alle Steaks vegetarisch sind.“
Ein interner Bericht der Kommission, den wir einsehen konnten, offenbart, was die Organisierenden selbst glaubten. Das Treffen habe „produktive Diskussionen über Herausforderungen und Chancen im Bereich Investitionen“ hervorgebracht und „den Dialog zwischen dem Finanzsektor, der Kommission und der Industrie über Anreize für Investitionen im Verteidigungsbereich gefördert“.
Die Präsentation der Veranstaltung, die wir exklusiv erhalten haben, bestätigt diese Darstellung. Mehrere Generaldirektionen (GD) der Kommission, von Verteidigung und Raumfahrt bis hin zu Finanzstabilität, behaupten, dass die Waffenherstellenden in die „grünen“ Fonds aufgenommen werden können, ohne gegen Vorschriften zu verstoßen. Anne Fort, stellvertretende Kabinettschefin des EU-Kommissars für Verteidigung und Raumfahrt, Andrius Kubilius, merkt an, dass „der EU-Rahmen für nachhaltige Finanzen keine Beschränkungen für die Finanzierung des Verteidigungssektors vorsieht“.
EU-SFF-1Joanna Sikora-Wittnebel, Leiterin für nachhaltige Finanzen in der Generaldirektion Finanzstabilität, stimmt dem zu: „Der EU-Rahmen für nachhaltige Finanzen ist mit Investitionen in die Verteidigung vereinbar.“ In ihrer Präsentation betonte sie, dass „die SFDR sektorenneutral ist“.
Waffen, die „keinen erheblichen Schaden zufügen“
Um als nachhaltig zu gelten, darf eine europäische Investition den Nachhaltigkeitszielen keinen erheblichen Schaden zufügen. Die Kommission hat eine Liste von Indikatoren mit dem Titel „Wichtigste nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ vorgelegt.
Der Rüstungssektor wird in diesen Indikatoren nur im Zusammenhang mit umstrittenen Waffen (Antipersonenminen, Streumunition, chemische und biologische Waffen) erwähnt. Gemäß der Gesetzgebung verursachen andere militärische Güter – Panzer, bewaffnete Drohnen, Munition, Schusswaffen und sogar Atomwaffen – keine erheblichen Schäden.
Der Fall des EU-Forums für Investitionen in die Verteidigungsindustrie ist nur die Spitze des Eisbergs einer offenbar gemeinsamen Initiative der EU-Kommission und der Verteidigungsindustrie. Dies belegen interne Berichte, Treffen mit Lobbyistinnen und Lobbyisten und politische Empfehlungen aus dem Militärbereich.
Wie Waffen in Europa nachhaltig wurden
Die Kampagne zur Umgestaltung des Images der Verteidigungsindustrie als nachhaltig begann im Jahr 2021, dem Jahr, in dem die SFDR in Kraft trat. Im Oktober desselben Jahres veröffentlichte die European Association of Aerospace, Security and Defence Industries (Europäische Vereinigung der Luftfahrt-, Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, ASD) einen Positionspapier, der tonangebend für die Einbeziehung der Kriegsproduktion in „grüne“ Investitionen war. Dieser Vereinigung gehören die wichtigsten Unternehmen an, die im Mittelpunkt unserer Untersuchung stehen, darunter Safran, Airbus, Rheinmetall, Leonardo und BAE Systems.
„Verteidigung ist ein wesentlicher Bestandteil der Sicherheit, und Sicherheit ist eine Voraussetzung für Frieden, Wohlstand, internationale Zusammenarbeit sowie wirtschaftliche und soziale Entwicklung“, schrieb der damalige Generalsekretär der ASD, Jan Pie. „Indem die europäischen Verteidigungsunternehmen zur Gewährleistung der Sicherheit beitragen, leisten sie de facto einen entscheidenden Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt.“
Der Positionspapier kritisiert die Beschränkungen, die „grüne“ Fonds von Banken militärischen Unternehmen auferlegten. Er forderte die EU-Institutionen auf, die Botschaft zu verbreiten, dass die Verteidigungsindustrie ESG-Glaubwürdigkeit besitzt, und gleichzeitig die Ausschlusskriterien der Europäischen Investitionsbank zu vereinfachen.
Diese Darstellung wurde auch durch nationale Initiativen verbreitet. Im März 2021 veröffentlichte eine Gruppe von Vertretenden der Verteidigungsindustrie aus Deutschland, Finnland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Norwegen eine Erklärung mit dem Titel „Ohne Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie gibt es keine Nachhaltigkeit“, die den Diskurs der ASD widerspiegelte. Deborah Allen, Direktorin für Klima, Umwelt und Infrastruktur bei BAE Systems, brachte in einem Interview dasselbe Argument vor: „Ohne Sicherheit gibt es keine Nachhaltigkeit.“

Wie eilig es die Branche hat, in den Markt für „grüne“ Investitionen einzusteigen, geht auch aus ihren internen Dokumenten hervor. Die Protokolle von Treffen zwischen Lobbyistinnen und Lobbyisten der Verteidigungsindustrie und der Europäischen Kommission – die wir nach einem langen und aufwändigen Antrag auf Informationsfreiheit erhalten haben – zeigen deutlich, welcher Druck ausgeübt wird.
Bei einem solchen Treffen im März 2021 beklagte die ASD, dass „ein zunehmendes Problem die ‚grünen‘ Finanzprodukte sind, die den Verteidigungssektor immer mehr ausschließen und den Zugang zu Finanzmitteln einschränken.“
ASD_MinutesIm November desselben Jahres traf sich Alessandro Profumo, CEO von Leonardo – einem italienischen Unternehmen, das unter anderem Langstrecken- Artillerie-Munition und innovative Marineartilleriesysteme herstellt – mit Timo Pesonen, Generaldirektor für Verteidigung und Raumfahrt bei der EU-Kommission. Bei diesem Treffen äußerte Profumo „seine Besorgnis darüber, dass die Verteidigungsindustrie aus der EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten ausgeschlossen ist“.
ASD_Minutes-PT2Diese koordinierte Front hat in Brüssel nach und nach breitere Unterstützung gefunden. Die umfassende Invasion der Ukraine durch Russland hat ihr Auftrieb gegeben.
Am 15. Februar 2022, eine Woche vor der „Sonderoperation“, forderte die Kommission in einer Mitteilung an das Europäische Parlament dringend mehr Mittel für den Verteidigungssektor. „Die jüngste militärische Aufrüstung Russlands entlang der Ostgrenze der Ukraine, in Belarus und in der Schwarzmeerregion sowie die Versuche Moskaus, die Sicherheitsarchitektur in Europa zu stören, zu spalten und neu zu definieren, stellen eine Herausforderung für die internationale, auf Regeln basierende Ordnung dar“, schrieb die Exekutive.
Weiter heißt es: „Ebenso wichtig ist es, sicherzustellen, dass andere horizontale Maßnahmen, wie beispielsweise Initiativen zur nachhaltigen Finanzierung, mit den Bemühungen der Europäischen Union im Einklang stehen, der europäischen Verteidigungsindustrie einen ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen zu ermöglichen.“
Der Krieg in der Ukraine hat die Argumente der Branche gestärkt, auch im Finanzbereich. „Seit der russischen Invasion der Ukraine haben sich die zuvor gedrückten Aktienkurse europäischer Rüstungsunternehmen deutlich erholt“, schrieb die ASD im Oktober 2022. In seiner Mitteilung schlug der Verband vor, dass die Kommission und die zuständigen europäischen Behörden Leitlinien herausgeben sollten, um klarzustellen, dass Vermögensverwaltende die negativen Auswirkungen von Investitionen in europäische Rüstungsunternehmen, die nicht in die vier Kategorien umstrittener Waffen involviert sind, nicht offenlegen sollten.
Der Text der ASD scheint auch die Abneigung der Öffentlichkeit und der Banken gegenüber militärischen Investitionen anzuerkennen: „Bis zur Beseitigung regulatorischer Vorurteile und selbst danach befürchtet die ASD, dass Vermögensverwaltungsunternehmen weiterhin Ausschlüsse der Verteidigungsindustrie vornehmen könnten, insbesondere aufgrund des Drucks der öffentlichen Meinung oder spezifischer Anforderungen von Investoren.“ Anschließend fordert der Verband eine stärkere politische Unterstützung durch die europäischen Institutionen und drängt sie, „ihre Maßnahmen zu verstärken, um Vermögensverwaltungsunternehmen davon zu überzeugen, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten Verteidigungsunternehmen unterstützen und entschlossen sind, ihnen den Zugang zu privaten Finanzmitteln zu gewährleisten.“
Ein Jahr später bekräftigte die Kommission ihren Standpunkt fast wortwörtlich in einer weiteren Bekanntmachung: „Die Kommission erkennt die Notwendigkeit an, den Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen, auch aus dem privaten Sektor, für alle strategischen Sektoren sicherzustellen, insbesondere für die Verteidigungsindustrie, die zur Sicherheit der europäischen Bürger*innen beiträgt.“
„Die Rehabilitierung des Verteidigungssektors in der kollektiven Wahrnehmung und in der Folge auch im regulatorischen Rahmen war das Ergebnis einer geschickten, ausgeklügelten und koordinierten Kommunikations- und Lobbyingstrategie nationaler Industrieführender und Wirtschaftsverbände“, erklärte Alberto Alemanno, Universitätsprofessor und Gründer von The Good Lobby, gegenüber Voxeurop.
Dieser Prozess gipfelte 2024 in der Europäischen Strategie für die Verteidigungsindustrie. In diesem Dokument weist die Kommission darauf hin, dass es keine Vorschriften gegen Investitionen im Militärsektor gibt, und wiederholt den drei Jahre zuvor geprägten Slogan: „Die Verteidigungsindustrie der Union leistet einen entscheidenden Beitrag zur Widerstandsfähigkeit und Sicherheit der Union und damit zum Frieden und zur sozialen Nachhaltigkeit. Vor diesem Hintergrund steht der EU-Rahmen für nachhaltige Finanzen in vollem Einklang mit den Bemühungen der Union, der europäischen Verteidigungsindustrie einen ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen zu ermöglichen. Er sieht keine Beschränkungen für die Finanzierung des Verteidigungssektors vor.“
Kurz darauf, am 24. November 2024, wurde Tommy Piemonte aus der Versammlung ausgeschlossen und „Steaks wurden vegetarisch“.
„Die Branche wurde nicht nur rehabilitiert, sondern durch ihre Aufnahme in die Kategorien, die für eine nachhaltige Finanzierung in Frage kommen, sogar gefördert“, fügt Alemanno hinzu. „Diese Strategie hat ein echtes Wunder bewirkt.“
Schließlich veröffentlichte die Kommission am 20. November eine überarbeitete Fassung der Rechtsvorschriften zur nachhaltigen Finanzierung, in der erstmals direkt der Verteidigungssektor erwähnt wird: „Die Überarbeitung der SFDR stützt sich auf die Leitlinien der Kommission zur Anwendung des EU-Rahmens für nachhaltige Finanzierungen im Verteidigungssektor.“
Wir haben die Kommission gefragt, warum Investitionen in Verteidigung als grün, ESG-konform oder nachhaltig angesehen werden können. Ein Sprecher für Finanzdienstleistungen bekräftigte, dass „der EU-Rahmen für nachhaltige Finanzen keine Hindernisse für private Investitionen im Verteidigungssektor schafft“, mit Ausnahme von umstrittenen Waffen.
„Die wahre Aussage lautet, dass es ohne Frieden keine Nachhaltigkeit gibt“, kommentierte UN-Expertin Attiya Warris. „Für Sicherheit ist nicht zwangsläufig die Herstellung und der Einsatz von Waffen erforderlich, die zu rechtswidrigen Tötungen führen könnten. Die Finanzierung und Bereitstellung der Mittel für rechtswidrige Tötungen durch die Lieferung von Waffen und finanzielle Unterstützung entlang der gesamten Wertschöpfungskette entspricht nicht dem Sicherheitsgedanken.“
Elbit Systems: Von grünen Investitionen zum Gaza-Krieg
Vor dem 7. Oktober 2023 – dem Tag, an dem die Hamas Israel brutal angriff, über 1.200 Menschen tötete und Israels Operation „Iron Swords“ auslöste, bei der mehr als 67.000 Menschen ums Leben kamen – lag der Aktienkurs von Elbit Systems bei etwa 200 US-Dollar. Dieser Wert hat sich bis heute mehr als verdoppelt und beträgt inzwischen 480 US-Dollar.
Der Finanzbericht für 2024 beschreibt deutlich die aktive Rolle von Elbit bei der Lieferung von Waffen an die israelische Armee: „Seit Beginn des Krieges verzeichnet Elbit Systems eine deutlich gestiegene Nachfrage nach seinen Produkten und Lösungen seitens des israelischen Verteidigungsministeriums (IMOD) im Vergleich zum Nachfrageniveau vor dem Krieg. Das Unternehmen hat auch seine Unterstützung für das IMOD verstärkt, hauptsächlich durch die Lieferung verschiedener Systeme und den engagierten Einsatz seiner Beschäftigten. Gleichzeitig führten das Unternehmen und seine Tochtergesellschaften weltweit ihre Geschäfte auf den internationalen Märkten fort. Im Jahr 2024 erhielt das Unternehmen Aufträge vom IMOD im Gesamtwert von über 5 Milliarden US-Dollar.“
Wie Action on Armed Violence bereits nachgewiesen hat, wurden zahlreiche von Elbit Systems hergestellte Waffen, darunter Bomben und Geschosse, während der israelischen Militäraktion in Gaza eingesetzt.
Darüber hinaus hat der Krieg Elbit die Möglichkeit gegeben, mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz zu experimentieren und so seine Produkte zu verbessern. Er dürfte auch das Vertrauen der 25 „grünen“ Fonds gestärkt haben, die 2025 insgesamt 23 Millionen Euro in das israelische Unternehmen investiert haben. Dazu gehören ein von der VP Bank in Liechtenstein und Deutschland vorgeschlagener „ESG Optimized”-Fonds und der „BGF Climate Transition“-Fonds, der in mehreren EU-Ländern von BlackRock Investment Management UK vertrieben wird.
Andere „grüne“ Fonds mit Beteiligungen an Elbit behaupten, ESG-Anlagekriterien anzuwenden oder Unternehmen auszuschließen, die gegen die Grundsätze des Global Compact der Vereinten Nationen verstoßen, dessen Grundsatz 1 lautet: „Unternehmen sollten den Schutz der international verkündeten Menschenrechte unterstützen und achten.“ Aus genau diesem Grund, so Attiya Warris, „können Produkte, die zur Vernichtung von Leben eingesetzt werden, insbesondere wenn sie mit Völkermord in Verbindung stehen, unmöglich mit dem Global Compact vereinbar sein und müssen ernsthaft überprüft werden.“
✍️ Zusätzliche Berichterstattung von Futura D'Aprile
🤝 Diese gemeinsame Untersuchung wurde von Voxeurop koordiniert, mit Beiträgen von El País (Spanien), IrpiMedia (Italien) und Mediapart (Frankreich). Die Produktion wurde durch eine Förderung des Fonds Investigative Journalism for Europe (IJ4EU) unterstützt. Das International Press Institute (IPI), das European Journalism Centre (EJC) und alle anderen Partner des IJ4EU-Fonds sind nicht für die veröffentlichten Inhalte und deren Verwendung verantwortlich.

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