Enda Kenny, der designierte irische Regierungschef in Dublin, 26. Februar 2011.

Europa, lass die Iren Luft holen

Die neue Dubliner Regierung verdient keine strafende, sondern eine unterstützende EU, so der Standpunkt des Leitartiklers im Observer.

Veröffentlicht am 28 Februar 2011 um 19:35
Enda Kenny, der designierte irische Regierungschef in Dublin, 26. Februar 2011.

Die Iren haben all jene scharf verurteilt, die für ihr eben noch von aller Welt beneidetes Land inzwischen Mitleid empfinden. Gleichzeitig wurde die Partei Fianna Fáil, eine der bedeutendsten europäischen Politmaschinen, die sich seit 1932 nahezu das gesamte Machtmonopol gesichert hatte, vernichtend geschlagen. Was sich hier in Gang setzt ist ein bemerkenswertes Beispiel für Demokratie.

Doch ist das wirklich von Belang? Fianna Fáil hatte die verheerende Entscheidung getroffen, die Haftung für die Verluste der grotesk waghalsigen Banken zu übernehmen, und dafür wurde sie von den Wählern geächtet. Wegen des Abkommens mit dem IWF und der Europäischen Union ist man allerdings weiterhin an eben diese Richtlinien gebunden. Dadurch ist die Regierung noch mindestens vier Jahre zu einem sogar noch strengeren Sparkurs verdonnert und muss dabei gleichzeitig öffentliche Gelder für insolvente Banken aufwenden.

Dieses Abkommen ist strafend, ungerecht und unhaltbar. Den Iren wurde zweifellos die verschwenderische Politik der von ihnen gewählten Regierungen in Rechnung gestellt. Mit Schrecken beobachtet man jedoch Massenarbeitslosigkeit, Massenauswanderung, rapide sinkenden Lebensstandard und steigende Armut, das ist eindeutig Strafe genug.

So liegt die Folgerung nahe, irische Interessen würden der größeren Sache dienen, und zwar der Rettung des Euro. Der IWF spricht von der Notwendigkeit Resolutionen für Bankkrisen einzuführen, die “letzten Endes zum Ziel hätten, dass Verluste von den Gläubigern und nicht vom Steuerzahler getragen würden“. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verkündete im letzten November, Gläubiger sollten die Verluste tragen, wenn sich ein Staat in Schwierigkeiten befände. Die EU beabsichtigt das wahrzumachen – aber erst nach 2013. Warum sollten gegensätzliche Richtlinien für Irland gelten?

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Die Irland auferlegten Regelungen sind schlichtweg unrealistisch. Eine krisengeschüttelte und stark verschuldete Volkswirtschaft mit lediglich 1,8 Millionen Erwerbstätigen kann unmöglich die Bürgschaft für private Bankverbindlichkeiten von 200 Milliarden Euro (135 Prozent des BIP) übernehmen. Die neugewählten Regierungsparteien haben versprochen mit dem IWF und der EU über das Abkommen neu zu verhandeln. Sollten Demokratie und europäische Solidarität tatsächlich von Bedeutung sein, kann man verständnisvolle und faire Verhandlungen erwarten.

Aus dem Englischen von Christiana Haack

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