Die spektakulären Bilder der aktuellen Kampagne gegen irreguläre Migration in den Vereinigten Staaten wurden weltweit gesehen und geteilt. Die von Präsident Trump unmittelbar nach seiner Rückkehr an die Macht eingeleitete Repression zeugt nicht nur vom Abdriften des Landes in den Autoritarismus, sondern spiegelt auch die Natur der europäischen Migrationspolitik wider, die sich davon nicht wesentlich unterscheidet.
„Ein autoritärer Angriff auf eine konstitutionelle Demokratie”
Seit seiner Rückkehr ins Präsidentenamt im Januar 2025 hat Donald Trump eine groß angelegte Aktion zur Bekämpfung der irregulären Einwanderung gestartet. Die Festnahmen und Inhaftierungen durch die United States Immigration and Customs Enforcement (ICE) – die für die Grenzkontrolle zuständige Zollpolizei – haben im ganzen Land zugenommen.
Nach Angaben des Weißen Hauses hat die ICE seit Beginn von Trumps neuer Amtszeit 100.000 Eingewanderte ohne Papiere festgenommen. Derzeit sollen 59.000 Menschen in ICE-Haftanstalten inhaftiert sein, und mehrere Zehntausend Häftlinge wurden bereits abgeschoben. Der US-Präsident hofft, langfristig 3000 Menschen pro Tag abschieben zu können.
Die Zahl der Festnahmen und Inhaftierungen muss jedoch laut dem Politologen Cas Mudde in einem größeren Kontext gesehen werden. „Ich glaube, dass viele Europäer*innen ein verzerrtes Bild von den Vereinigten Staaten haben, das sie zu positiv sehen, wenn die Demokraten an der Macht sind, und zu negativ, wenn die Republikaner regieren. Tatsache ist, dass die Zahl der Razzien durch die Einwanderungsbehörden und vor allem die Abschiebungen auch unter den Präsidenten Obama und Biden sehr hoch war. [...] Der Hauptunterschied besteht darin, dass sich der Staat unter den Demokraten fast ausschließlich auf Ausländer*innen ohne Papiere mit Vorstrafen konzentriert, während er unter den Republikanern einen undifferenzierteren Ansatz verfolgt“, erklärt Mudde.
Die demokratische Regierung unter Joe Biden hat laut einem Dokument des Migration Policy Institute (MPI) fast 3,5 Millionen Menschen eingebürgert (ein Rekord unter allen Präsidenten) und darüber hinaus die legalen Möglichkeiten zur Einwanderung erweitert.
Sie hat aber auch eine Rekordzahl an Abschiebungen durchgeführt. Ein Dokument der ICE listet mehr als 271.000 Abschiebungen im letzten Geschäftsjahr der Amtszeit von Joe Biden auf, die höchste Zahl seit einem Jahrzehnt – was die erste Bilanz von Donald Trump übersteigt.
„Trump stützt sich auf die von früheren Regierungen, sowohl demokratischen als auch republikanischen, eingeführten Maßnahmen gegen Einwanderung“, erklärt Mudde. Seiner Meinung nach spiegelt seine Rhetorik auch die Äußerungen von Politiker*innen außerhalb seiner Partei wider. „Seine Angriffe auf Universitäten basieren auf Argumenten, die von Liberalen (von der Biden-Regierung bis zur New York Times) häufig verwendet werden, beispielsweise in Bezug auf Vorwürfe des „Antisemitismus“ [unter pro-palästinensischen Studentenbewegungen]. Dies zeigt einmal mehr, dass es keine klare Trennlinie zwischen dem ‚Mainstream‘ und der extremen Rechten gibt.”
Diese neue Welle der Repression, die in den Medien viel Platz einnimmt, ist insofern beispiellos, als sie eine Gewalt, die sich normalerweise an weit entfernten Orten abspielt, in den Alltag von Millionen von Amerikaner*innen verlagert hat. Seit Monaten wimmelt es in den sozialen Netzwerken und amerikanischen Medien von Bildern, die Menschen zeigen, die auf der Straße, an ihrem Arbeitsplatz oder sogar in den Fluren der Einwanderungsgerichte festgenommen werden. Das Profil der betroffenen Personen ist ebenfalls auffällig: Fast die Hälfte der derzeit inhaftierten Personen ist laut Angaben nicht vorbestraft, entgegen der Aussagen der Trump-Regierung, die vorgibt, vorrangig gegen Kriminelle vorzugehen.
Auf der Suche nach neuen Zielen möchte der US-Staat auch Personen mit vorübergehendem Schutzstatus oder Arbeitserlaubnis ins Visier nehmen, indem er ihnen die Aufenthaltsgenehmigung entzieht und sie möglicherweise abschiebt.
Ein Teil der amerikanischen Öffentlichkeit lehnt das Vorgehen der US-Regierung entschieden ab – das zeigen die landesweiten Proteste. Der Staat musste bereits in einigen Punkten zurückrudern, insbesondere was Verhaftungen im Agrarsektor und im Hotel- und Gaststättengewerbe angeht, die stark von Arbeitskräften mit Migrationshintergrund abhängig sind.
„Die Zahl der Razzien durch die Einwanderungsbehörden und vor allem die Abschiebungen auch unter den Präsidenten Obama und Biden sehr hoch war“ – Cas Mudde
Die ICE, die sich ursprünglich in finanziellen Schwierigkeiten befand, erhielt Anfang Juli eine kolossale Budgeterhöhung. Sie verfügt nun bis 2029 über mehr als 100 Milliarden Dollar (gegenüber einem vorherigem Jahresbudget von weniger als 10 Milliarden Dollar), um Personal einzustellen, ihre Haftkapazitäten zu erhöhen und die Zahl der Abschiebungen in einem bisher nie erreichtem Ausmaß zu steigern. Praktisch über Nacht wurde die ICE zur am besten ausgestatteten Bundespolizeibehörde in der Geschichte des Landes.
„Auch wenn der autoritäre Wandel brutal und ziemlich extrem ist, hat die Trump-Regierung fast alle Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit ihrem autoritären Programm verloren”, relativiert Mudde. „Wir erleben also einen autoritären Angriff auf eine konstitutionelle Demokratie, und es ist noch viel zu früh, um zu entscheiden, wer der Sieger sein wird.”
Könnte eine ähnliche Situation auch in Europa eintreten?
Für Cas Mudde bedeutet allein diese Frage, zu ignorieren, „was in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas wie Ungarn, Polen, Serbien und der Slowakei bereits geschieht und geschehen ist. Aber auch in Österreich und den Niederlanden, um nur einige zu nennen, wurden die liberale Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit durch traditionelle Parteien untergraben.”
Die Präsenz der extremen Rechten an der Spitze einiger Länder und die Verschärfung der migrationsfeindlichen Rhetorik in Europa haben zu einer Zunahme vielfach kritisierter migrationspolitischer Maßnahmen geführt.
Ein Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission, der die Einrichtung von „Rückführungszentren” in Drittländern vorsieht, wurde von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Sie sehen darin eine kurzfristige Maßnahme, die gegen das Völkerrecht verstößt.
Ein Rundschreiben der polnischen EU-Ratspräsidentschaft, das vor der Veröffentlichung des Vorschlags verbreitet wurde, hat die Besorgnis der Organisation Statewatch nur noch verstärkt. „Die vorherrschende Position [unter den Mitgliedstaaten] ist, dass die Rechtsgrundlage flexibel gestaltet sein sollte, um auch individuellere Anwendungen in Absprache mit den potenziellen Gastländern der Zentren zu ermöglichen und eine gerichtliche Kontrolle zu verhindern, die die Umsetzung dieser innovativen Lösung gefährden könnte.”
Mit anderen Worten: Der Vorschlag soll so formuliert werden, dass die Einrichtung und der Betrieb der Rückführungszentren nicht durch die Justiz behindert werden – wie dies bei der „Ruanda-Lösung” im Vereinigten Königreich oder dem Abkommen zwischen Italien und Albanien der Fall war.
Auch wenn gesetzliche Auflagen für die Behandlung von Flüchtlingen und Asylbewerber*innen Missbrauch zwar einschränken, bewegen sich einige Regierungen bereits am Rande der Legalität.
In Griechenland wurden laut einem Bericht der Nichtregierungsorganisation Refugee Support Aegean (RSA) 1626 Flüchtlinge und Migrierende in Haftanstalten untergebracht, um sie 2024 auszuweisen. Menschen aus Afghanistan und Syrien sind die beiden Gruppen, die am häufigsten in Verwaltungshaft genommen werden (7012 bzw. 5724 Personen). Für die Organisation RSA wirft diese Tatsache „ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit des Freiheitsentzugs“ auf, da es sich bei der überwiegenden Mehrheit um Flüchtlinge handelt, die nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können.
Nur 14,1 % der Inhaftierungen wurden 2024 angefochten, ein geringer Anteil, der durch die Schwierigkeiten bei der Einlegung von Rechtsmitteln und den Mangel an Rechtsbeistand in Griechenland beeinflusst wurde. Dennoch wurden 42,2 % der Einsprüche gegen die Inhaftierung, die im vergangenen Jahr von den Gerichten erster Instanz geprüft wurden, als zulässig angesehen. Es wurde jedoch keine Verurteilung gegen die Polizei wegen illegaler Festnahmen oder Abschiebungen oder wegen informeller Festnahmen oder Zurückweisungen ausgesprochen.
Trotz des Rückgangs der tatsächlich vollstreckten Abschiebungen stieg die Zahl der Abschiebungsentscheidungen im letzten Jahr auf 31.629 (gegenüber 29.869 im Jahr 2023). „Wir weisen weiterhin darauf hin, dass die Polizeibehörden das europäische Recht umgehen, indem sie wahllos Ausweisungsbeschlüsse gegen neu angekommene Asylbewerber*innen erlassen“, stellt die Organisation RSA fest.
Ein Bericht von 2025 der Menschenrechtsorganisation PICUM, die sich für Menschen ohne Papiere einsetzt, zeigt, dass Migrant*innen und Personen, die ihnen helfen, in Europa zunehmend kriminalisiert werden. Im Jahr 2024 wurden mindestens 94 Migrierende wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung strafrechtlich verfolgt, ebenso wie 142 Menschenrechtsaktivist*innen, weil sie Exilant*innen unterstützt hatten. Dem Dokument zufolge zeigt die Unverhältnismäßigkeit der Anklagen, wie „die Politik zur Bekämpfung des Menschenhandels auf falschen Vorstellungen darüber beruht, was Menschenhandel ausmacht [...] und letztendlich die Rechte von Migrant*innen und solidarischen Menschen verletzt, anstatt sie zu schützen.”
2023 schlug die Europäische Kommission eine Überarbeitung der Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels vor. Für Silvia Carta, Advocacy-Beauftragte bei PICUM, „wird die vorgeschlagene Überarbeitung der Richtlinie zur Erleichterung der Einreise Menschen der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen, nur weil sie Grenzen überschritten oder anderen Menschen in Not geholfen haben.
Ende 2024 reichten mehrere NGOs – darunter PICUM – eine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten ein, um die Unfähigkeit der Europäischen Kommission anzuprangern, die Auswirkungen der neuen Gesetze zur Bekämpfung des Menschenschmuggels richtig einzuschätzen. Für Carta ist „die Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten, eine Untersuchung gegen die Kommission einzuleiten, eine wichtige Anerkennung der Tatsache, dass dieser Vorschlag die Grundrechte verletzen könnte und dass die Kommission diese Risiken nicht ernst genommen hat.”
Laut der europäischen Agentur für die Kontrolle und Verwaltung der Außengrenzen Frontex, gingen die irregulären Einreisen nach Europa in den ersten Monaten des Jahres 2025 um 20 % zurück und beliefen sich auf insgesamt 63.700 Fälle. Die Agentur führt diesen Rückgang insbesondere auf strengere Grenzkontrollen und das Wetter zurück, doch dahinter verbirgt sich eine düstere Realität. 2025 starben laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 752 Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, vor allem entlang der zentralen Mittelmeerroute.
Weit davon entfernt, sich um das Schicksal der Menschen auf der Flucht zu sorgen, sehen einige Politiker*innen in der Härte der Migrationspolitik ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Am 28. Juni 2025 ernannte die griechische Regierung Thános Plévris, einen Politiker aus dem islamfeindlichen und antisemitischen rechtsextremen Lager, zum Minister für Migration und Asyl. Bereits 2011, als Mitglied des griechischen Parlaments, legte Plévris seine Vision des Grenzschutzes dar. „Die Überwachung der Grenzen kann nicht ohne Verluste erfolgen, und um es klar zu sagen, ohne Tote. Die Grenzen zu schützen bedeutet Tote”, erklärte er bei einer vom rechtsextremen Magazin Patria organisierten Kundgebung.
Auch präzisierte er damals seine Interpretation der Aufnahmepolitik: „Wenn es ihnen [hier] nicht schlechter geht, werden sie kommen. Sie müssen sich in einer schlechteren Lage befinden [als in ihrem Herkunftsland]. Ihr Leben, ihre Hölle, muss im Vergleich zu dem, was sie hier erleben, wie das Paradies erscheinen.”
„Polizeirazzien [gegen Migrant*innen] finden nicht nur in den Vereinigten Staaten statt. Wir haben sie in ganz Europa beobachtet”– Garyfallia Mylona
Neben der Politik ist auch die Zivilgesellschaft von der Migrationspolitik betroffen. In einem Ende 2024 veröffentlichten Bericht prangert die NGO Amnesty International einen Rückschritt bei der Achtung der Menschenrechte in der Migrationspolitik Spaniens an. Die NGO weist insbesondere darauf hin, dass das Land neben Deutschland und Schweden der Staat ist, der in der EU am häufigsten ethnisches Profiling einsetzt, was den „dort bestehenden strukturellen Rassismus” offenbart. 2024 wurden laut dem spanischen Innenminister 3.031 ausländische Staatsangehörige aus verschiedenen Gründen der nationalen Sicherheit aus Spanien ausgewiesen. Diese Zahlen stellen einen Anstieg von fast 50 % gegenüber der Zahl der drei Jahre zuvor bearbeiteten Ausweisungen dar: 2021 wurden 2.025 Fälle registriert.
„Polizeirazzien [gegen Migrant*innen] finden nicht nur in den Vereinigten Staaten statt”, erklärt Garyfallia Mylona, Advocacy-Beauftragte bei PICUM. „Wir haben sie in ganz Europa beobachtet, in den Migrantenlagern von Calais in Frankreich, in Parks, Bahnhöfen und Restaurants in Belgien, in Nagelstudios und Autowaschanlagen im Vereinigten Königreich. Allzu oft riskieren Menschen ohne Papiere auch Inhaftierung und Abschiebung, wenn sie versuchen, öffentliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, beispielsweise in Deutschland, wo die meisten Behörden verpflichtet sind, sie den Einwanderungsbehörden zu melden.”
Für Mylona schaden Verhaftungen und Meldepflichten nicht nur den Betroffenen und trennen Familien, sondern sie verbreiten auch Angst und Misstrauen gegenüber den Institutionen in den Migrantengemeinschaften. „Politische Entscheidungstragende auf beiden Seiten des Atlantiks müssten Inklusion und starke Sozialschutzsysteme fördern, anstatt Spaltung und Gewalt zu schüren.”
Die Gewalt, die heute auf den Straßen der USA zu beobachten ist, findet ihr Echo im Mittelmeerraum, an der belarussisch-polnischen Grenze oder entlang der Balkanroute.
In einem internationalen Kontext, der durch eine zunehmende Kriminalisierung der Migration gekennzeichnet ist, bildet das Amerika von Donald Trump keine Ausnahme.
Die europäischen Staaten, ob rechtsextrem oder nicht, traditionell als autoritär oder liberal angesehen, haben sich schon vor langer Zeit auf den gleichen Weg begeben wie die USA.
🤝 Dieser Artikel wurde im Rahmen des PULSE-Projekts verfasst, einer europäischen Initiative zur Förderung grenzüberschreitender journalistischer Zusammenarbeit. Lola García-Ajofrín (El Confidencial) und Dimitris Angelidis (Efsyn) haben zu seiner Erstellung beigetragen.
Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
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