„UNVORSTELLBAR! ILLEGAL EINGEWANDERTE WOLLEN LEONIDAS AUS THERMOPYLAE ENTFERNEN!!! ERFAHREN SIE HIER, WARUM!” Unter dieser Überschrift berichtete VoiceNews.gr „für echte Nachrichten und Informationen“, dass Asylsuchende, die in der vorübergehenden Unterkunft in Thermopylae untergebracht sind, die Entfernung der Statue forderten, weil deren Nacktheit ihre Frauen beleidige.
Der Artikel wurde von einem kurzen Video begleitet, das als Beweis auf dem YouTube-Kanal der griechischen Nachrichtenwebsite zu sehen war.
In den folgenden Tagen wurde der Artikel auf einer Reihe von Nachrichtenseiten und Social-Media-Kanälen weiterverbreitet, oft begleitet von virulenter fremdenfeindlicher Rhetorik, in der Asylsuchende als Bedrohung für die Geschichte und kulturelle Identität Griechenlands dargestellt wurden.
Die investigative griechische Online-Zeitung Solomon hat versucht, folgende Fragen im Zusammenhang mit dieser Kontroverse zu beantworten: Gab es wirklich einen solchen Protest gegen die Statue? Welche Medien haben die Geschichte weiterverbreitet? Und wie sind diese miteinander vernetzt? Solomon hat auch auf vergleichbare Vorfälle in der Vergangenheit zurückgeblickt und dabei festgestellt, dass derartige Lügen über Eingewanderte nicht zum ersten Mal auf diese Weise verbreitet wurden.
Was in dem Artikel steht
Der Originalartikel wurde am 28. September 2025 auf VoiceNews.gr veröffentlicht. „Nach zuverlässigen Informationen“, heißt es in dem Artikel, „gibt es im historischen Thermopylae, nur einen Steinwurf von der berühmten Statue des Leonidas entfernt, eine Einrichtung zur Unterbringung illegal Eingewanderter. Diese fordern in einer beispiellosen und empörenden Aktion die Entfernung der Statue unseres Helden, der die Tapferkeit und den Widerstand der Griechen in der legendären Schlacht von Thermopylae symbolisiert. Der Grund? Die Statue sei „nackt” und beleidige ihre Frauen!”
Der Artikel bezieht sich weder auf ein tatsächliches Ereignis noch beschreibt er eines, und er gibt auch nicht die Quellen an, auf die sich bezogen wird. Der anonyme Autor beschränkt sich auf die Erwähnung der „unkontrollierten illegalen Einwanderung, die Griechenland plagt”. Auch wird die „unverantwortliche Politik der offenen Grenzen” kritisiert, die eine Herausforderung für die nationale Identität darstelle.
Der Text schließt mit den Worten: „Griechenland muss seine Identität schützen. Die Behörden müssen solche Forderungen unverzüglich ablehnen und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung ergreifen. Leonidas verlässt Thermopylae nicht! Es ist an der Zeit, denen, die unsere Geschichte und Würde untergraben, „Molon Labe“ zu sagen !” - [wörtlich „Komm und hol es dir“, ein Ausdruck des Trotzes, der Leonidas zugeschrieben wird].
Ein Video, das dem Artikel beigefügt wurde und in dem das Logo von VoiceNews.gr zu sehen ist, wurde ebenfalls am 28. September 2025 veröffentlicht. Es beginnt mit einer Aufnahme des Innenbereichs der Flüchtlingsunterkunft, die seit Februar 2016 in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Hotels eingerichtet wurde. Die aus einem Auto heraus gefilmte Sequenz zeigt Decken und Kleidung auf den Balkonen des Hotels sowie einige Container auf dem Vorplatz. Dann erscheint das Leonidas-Monument und es sieht so aus, als sei dort ein Zaun für Bauarbeiten errichtet worden. Vor dem Denkmal sind Menschen zu sehen – möglicherweise Touristen und Touristinnen. Die Bilder zeigen keine Anzeichen für einen Protest. Allein dadurch ist der Titel irreführend.
Der Bürgermeister von Thermopylae weist die Vorwürfe zurück
Solomon kontaktierte den Vorsitzenden des Gemeinderats von Thermopylae, Dimitris Floros, und fragte ihn, ob ihm Widerstand gegen die Statue seitens der Asylbewerber*innen in der Unterkunft bekannt sei.
„Ich persönlich habe nichts Derartiges in der Gemeinde gehört, und wir haben diesbezüglich auch keine Beschwerden erhalten“, sagte er. Er fügte hinzu, dass er als Vorsitzender des Gemeinderats für alle Probleme in der Region verantwortlich sei. „Wenn es also so etwas gäbe, würde ich davon wissen.”
Solomon kontaktierte auch den Leiter der Flüchtlingsunterkunft per E-Mail. Wir fragten, ob die Nachricht in der Stadt kursiert, sei es auch nur als Gerücht. Wir erkundigten uns auch ganz allgemein, wie die Bewohner*innen des Hotels mit der Gemeinde zusammenleben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung haben wir jedoch noch keine Antwort erhalten.
Die Aussage von Dimitris Floros ist besonders wichtig, weil er im vergangenen Sommer ernsthafte Vorbehalte gegenüber den Auswirkungen der Flüchtlingsunterkunft auf seine Gemeinde und den Tourismus in der Region geäußert hatte. In einem Radiointerview hatte er sogar dessen Rechtmäßigkeit infrage gestellt. Da er quasi in der Rolle des Bürgermeisters ist und es keine Beschwerden seitens der Einwohner*innen gab, ist es unwahrscheinlich, dass das von VoiceNews.gr berichtete Ereignis verschwiegen worden wäre, wenn es tatsächlich stattgefunden hätte.
In einem Kommentar zu dem Video erklärte er: „Der im Video zu sehende Zaun steht dort wegen Sanierungsarbeiten, die seit etwa 7–8 Monaten in der Umgebung mit Mitteln des Kulturministeriums durchgeführt werden. Sonst passiert dort nichts.”
Im Zentrum der Geschichte: Die „Griechische Lösung”
Fast unmittelbar nach der Veröffentlichung der Geschichte griffen sie die Websites des Radiosenders Focus FM in Thessaloniki und Machi FM in Athen auf. Am Tag darauf folgte Meaculpa.gr.

Im Mai letzten Jahres enthüllte Solomon, dass diese Medien – darunter auch VoiceNews.gr, Teil eines größeren Netzwerks sind, das mit dem Vorsitzenden der rechtspopulistischen Partei „Griechische Lösung”, Kyriakos Velopoulos, in Verbindung steht.
Solomons Bericht enthüllte dazu mehrere bemerkenswerte Fakten:
Der Eigentümer von VoiceNews.gr, Theodoros Papoulidis, war 2024 Kandidat der Partei für die Europawahlen und seit Januar 2025 ist Grigoris Seretis, Sohn von Dimitra Kritikou, Vizepräsidentin der Partei, alleiniger Anteilseigner und Direktor von Focus FM.
Seit etwa einem Jahr gehört Machi 99.8 FM Nikoleta Sereti, Tochter von Kritikou und Kandidatin der Partei für die Region Achaea bei den Parlamentswahlen von 2019. Der Sender wird von der 85-jährigen Domna Papoulidou geleitet, die auch die Mutter von Theodoros Papoulidis ist.
Der in Athen ansässige Fernsehsender Alert TV sendet regelmäßig Programme mit Kyriakos Velopoulos, der vor seiner Zeit als Parteivorsitzender der „Griechischen Lösung” eine bekannte Fernsehpersönlichkeit war. Die Sendungen werden an regionale Fernsehsender weiterverkauft, was Alert TV den Ruf als „Velopoulos Flaggschiff” eingebracht hat.
Das meistgeschaute Programm von Alert TV ist die Nachrichtensendung „Anatreptiko”, die häufig Inhalte von VoiceNews.gr übernimmt. Anatreptiko ist auch eine Plattform für Grigoris Seretis und Nikos Petrouakis, beide Journalisten bei Focus FM. Letzterer war 2024 Kandidat für die Griechische Lösung bei den Europawahlen. Konstantinos Bogdanos [ein abtrünniger rechter Politiker] und Stefanos Chios [ein provokanter Journalist mit mehreren Verurteilungen wegen Verleumdung und Herausgeber der Zeitung Makeleio] sind in der Vergangenheit ebenfalls in den Sendungen von Alert TV aufgetreten.
Die beiden stehen in Verbindung mit der Leonidas-Denkmal-Geschichte, da diese sowohl auf [Chios'] makeleio.gr (am 28. September) als auch auf Meaculpa.gr (am 29. September) veröffentlicht wurde. Letztere Website wurde 2017 von Konstantinos Bogdanos gegründet und 2019 an seine Frau übertragen, nachdem er zum Abgeordneten der Partei Neue Demokratie gewählt worden war.
Bogdanos moderiert eine Sendung auf Machi 99.8 FM und ist regelmäßig Gast in der Nachrichtensendung Anatreptiko, während Meaculpa.gr eher die Ansichten von Velopoulos verbreitet. Wir fanden auch einen Artikel über die Geschichte auf der lokalen Nachrichtenseite Thraction.gr, verfasst vom Journalisten und Analysten Nikos Arvanitis.
Auf social Media konnten wir folgende Beiträge identifizieren:

Fremdenfeindliche Fake News von Eleftheroupoli bis Mexiko
Fake News über Geflüchtete und Eingewanderte sind kein neues Phänomen. Im März 2016 behauptete die Zeitung Neapolis in Kavala (Nordgriechenland), dass „fanatische muslimische Flüchtlinge” in der Stadt Eleftheroupoli eine Ikone der Jungfrau Maria in der Turnhalle, in der sie untergebracht waren, heruntergerissen hätten. Außerdem hätten sie verlangt, dass die Glocken der Agios-Nikolaos-Kirche nicht geläutet werden. Zudem sollen sie die Opfergaben, die ihnen die Kirche während der Fastenzeit gegeben hatte, mit Füßen getreten haben.
Die Geschichte wurde von zahlreichen Websites und Blogs aufgegriffen (zum Beispiel hier, hier und hier). Letztendlich kam das Dementi von der Diözese Eleftheroupoli selbst, die „die fragliche Nachricht als völlig unzutreffend [erklärte]” und hinzufügte, dass „der Respekt der Flüchtlinge gegenüber den Priestern, die ihnen dienen, selbstverständlich ist”. Die Diözese bat darum, ihre Stellungnahme in Neapolis zu veröffentlichen.

Einen weiteren Fall gab es im Oktober 2018. Damals wurde auf dem Facebook-Account von Press News ein Video gepostet, das einen jungen Mann zeigt, der christliche Ikonen in Brand setzt, mit dem Kommentar: „Können Menschen, die so viel Hass in sich tragen, in unsere Gesellschaft integriert werden?” Die Administrator*innen veröffentlichten unter dem Beitrag zudem folgenden Kommentar: „Diese Ikonen gibt es in Griechenland nicht... Die Frage ist, ob diese Menschen, die das Christentum so sehr hassen, in ein Land wie Griechenland integriert werden können?”
Tatsächlich scheint das Video Katholiken und Katholikinnen aus Mexiko zu zeigen, von denen einige religiöse Bilder als Symbole der Götzenverehrung betrachten und sie verbrennen, um das Böse zu vertreiben. Viele Nutzer*innen wiesen schnell auf die offensichtliche Tatsache hin, dass die Personen im Video Spanisch sprechen. Aber Dutzende andere glaubten diese „Nachricht” und machten fremdenfeindliche und rassistische Kommentare über Eingewanderte in Griechenland - eine ähnliche Situation wie bei der Geschichte in Thermopylae.
„Es ist unmöglich, dass so etwas unbemerkt bleibt”
Nach Ansicht von Lefteris Papagiannakis, Direktor des griechischen Flüchtlingsrats, richten sich Fake News über Geflüchtete nicht nur gegen die Flüchtlinge selbst, sondern dienen auch als Mittel, um Zwietracht in der Gesellschaft zu säen. Eine Flüchtlingskrise, so betont er, sei „ein ‘komplexes Thema’ und daher optimal, „wenn jemand Unruhe stiften will.” Er erinnert an den Fall von Idomeni [Standort eines völlig überfüllten Flüchtlingslagers nahe der türkischen Grenze], wo Falschinformationen über eine angeblich offene Grenze Menschen zur Flucht bewegt hatten, in der Hoffnung, nach Westeuropa zu gelangen.
Fake News werden nicht nur auf nationaler, sondern auch auf lokaler Ebene verbreitet, sagt Papagiannakis. Oft erreichen sie die Medienblase in Athen aber gar nicht. „Es gibt [Fake] News, von denen wir nichts mitkriegen, weil sie entweder von den lokalen Behörden schnell widerlegt werden oder weil sie nicht ‚hängen bleiben’. Sie sind oft so extrem, dass die Menschen sie einfach nicht glauben.”
Die Geschichte mit der Leonidas-Statue, sagt Lefteris Papagiannakis, musste dagegen Aufmerksamkeit erregen. „Die Statue steht an einem sehr zentralen Ort. Daher ist es unmöglich, dass nicht darauf reagiert wird. Das ist wie mit der Statue von Harry Truman in Athen, die Demonstranten regelmäßig versuchen umzustürzen. Sie steht an einem so wichtigen Ort, dass alles, was mit ihr zu tun hat, sofort in den Nachrichten erscheint.“ Fake News, so sein Fazit, „zielen oft auf religiöse und historische Symbole ab, die den Kern der griechischen Identität ausmachen. So wie Leonidas.“
👉 Originalartikel auf Solomon
🤝 Dieser Artikel wurde mit Unterstützung des Europäischen Medien- und Informationsfonds (EMIF) erstellt. Er spiegelt nicht unbedingt die Ansichten des EMIF und seiner Partner - der Calouste Gulbenkian Foundation und dem European University Institute - wider.
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