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Globale Banksteuer – nur ein Slogan?

Sollen die Banken dazu gezwungen werden, für die Krise zu zahlen? Manche Regierungen unterstützen dieses Konzept, doch viele Banken drohen damit, alle zusätzlichen Kosten auf die Kunden umzuschlagen. Der Verbraucher wird wieder einmal die Rechnung begleichen müssen, berichtet Polityka.

Veröffentlicht am 5 August 2010 um 14:41
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Die Rechnung für die Krise ist schon unterwegs. In Großbritannien wird die Mehrwertsteuer ab Januar 2011 von 17,5 Prozent auf 20 Prozent ansteigen. Deutschland kürzt die Arbeitslosenunterstützungen, Spanien hat die Kündigungsgesetze gelockert, Portugal reduziert die Renten im öffentlichen Dienst und Frankreich will für alle das Rentenalter anheben.

Die meisten europäischen Länder sowie die USA werden von riesigen Defiziten heimgesucht und das Beispiel Griechenland zeigt, dass die Geduld der schuldenfinanzierenden Märkte letztendlich doch Grenzen hat. Doch gerade der Bankensektor gilt als hauptverantwortlich für die Krise, die viele Länder an den Rand des Bankrotts getrieben hat. Müsste er aus diesem Grund nicht zur Sanierung der öffentlichen Finanzen, die ihm erst vor Kurzem beim Überleben behilflich waren, beitragen?

Von Bankenrettungen zu Schuldenreduzierung

Das Problem liegt darin, dass fast jede Regierung diesbezüglich ihre eigene Meinung hat. Das einzige, worauf man sich beim letzten G20-Gipfel der größten Wirtschaftsmächte der Welt einigen konnte, war, dass jedes Land so vorgehen soll, wie es für richtig hält. Der kanadische Premierminister Stephen Harper, dessen Land die Krise heil überstanden hat, schloss von Anfang an jegliche Unterstützung eines globalen Bankensteuerschemas aus. Die Chinesen, die ihre Banken nicht zusätzlichem Druck aussetzen wollen, taten dasselbe.

Auf der anderen Seite stehen Länder, die erst ihre Banken retten mussten und nun ihre Defizite reduzieren wollen – allen voran die USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Um die Konkurrenzfähigkeit ihrer Finanzinstitute nicht zu schwächen, würden Regierungschefs wie Angela Merkel oder David Cameron natürlich gerne eine weltweite, in allen Ländern gleiche Steuer einführen, dies auch zur Vermeidung der Kapitalflucht von einem Land zum anderen, um der neuen Steuer zu entgehen. Doch die Verfechter der Steuer stehen in einem schwachen Lager, und sei es nur aufgrund der Tatsache, dass sie zwar alle zusätzliche Abgaben von den Banken verlangen, aber nicht unbedingt darin übereinstimmen, wofür das Geld ausgegeben werden soll.

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Obamas Plan ging nicht durch den Congress

US-Präsident Barack Obama will nur die 100 Milliarden US-Dollar (76,5 Mrd. Euro) wieder einbringen, die das amerikanische Troubled Asset Relief Program gekostet hat. Eine neue Steuer beträfe nur die größten Banken und wäre zudem profilabhängig. Banken mit risikoreichen Investmentstrategien müssten mehr zahlen. Doch vorläufig wurde der Plan vom Congress aufgegeben, die Demokraten opferten ihn, um neue Regelungen für die Finanzbranche durchzuboxen.

Der britische Premierminister David Cameron wählte einen anderen Weg: Seiner Meinung nach sollten die Banken dazu beitragen, die finanzielle Situation des Landes, dessen Defizit heute durchaus mit dem griechischen vergleichbar ist, zu retten. Der vor kurzem abgeänderte britische Haushalt führt eine neue Steuer ein, die auf der Gesamtbilanz der Bank beruht. Dieses Jahr sollen so rund eine Milliarde Pfund und ab 2011 jährlich 2 bis 2,5 Milliarden Pfund eingebracht werden. Dieses Einkommen wird direkt an den Haushalt abgeführt und soll der Öffentlichkeit zeigen, wie gerecht zusätzliche Ausgaben in Großbritannien verteilt werden.

Schweden, Vorreiter der Bankensteuer

Deutschland würde gerne durch eine ähnliche Steuer jährlich etwa 1,2 Milliarden Euro einbringen. Anstatt dieses Geld auszugeben, schlug Angela Merkels Kabinett vor, es in einem speziellen "Stabilisationsfonds" zu sammeln, der dann im Fall einer erneuten Bankenkrise als eine Art Versicherungspolice dienen würde. Somit kämen die Mittel zur Rettung belasteter Finanzinstitute aus dieser Quelle statt aus der Tasche der Steuerzahler. Der Fonds wäre gegen politische Einmischung geschützt und könnte nicht für andere Zwecke verwendet werden. In Wirklichkeit stammt diese Idee nicht aus Deutschland, sondern imitiert eine ähnliche Lösung, die 2009 in Schweden eingeführt wurde.

Eben die Schweden sind die Vorkämpfer der neuen Banksteuer. Ihr Stabilisationsfonds soll innerhalb von 15 Jahren rund 2,5 Prozent des BIP betragen. Jedes Jahr zahlen die größten schwedischen Banken jeweils mehrere hundert Millionen Kronen zu diesem Zweck ein. Schwedische Politiker preisen das Modell international an. Sie erklären, die neue Steuer sei niedrig genug, um die Banken nicht zu schwächen, und doch hoch genug, damit nach und nach eine ansehnliche Summe zusammenkommt. Kritiker weisen jedoch auf die wesentliche Schwäche des Systems hin: Die Abgaben basieren auf dem Inlandsumsatz der Bank, die Auslandsgeschäfte werden nicht einkalkuliert. Das Resultat ist, dass diejenigen Banken, deren Ausrichtung sich hauptsächlich auf Schweden konzentriert, wo risikoreiche Geschäfte traditionsgemäß vermieden werden, mehr zahlen als ihre Konkurrenten, die viel in den baltischen Staaten investierten und dadurch hohe Verluste erlitten.

Stabilisationsfonds sind vor allem ein Symbol

Dennoch ist die Europäische Kommission deutlich von der schwedischen Lösung angetan. Brüssel versucht, die von den Mitgliedsstaaten unternommenen Maßnahmen zu koordinieren und eine Situation zu vermeiden, in der jedes Land eine andere Banksteuer hätte. Die Kommission möchte, dass alle Mitgliedsstaaten Stabilisationsfonds anlegen, in welche insgesamt bis zu 50 Milliarden Euro jährlich eingezahlt würden. Damit wären alle EU-Mitgliedsstaaten im Fall einer erneuten Bankkrise abgesichert und die in der EU tätigen Finanzinstitute würden alle gleich behandelt.

Doch wer daran glaubt, es genüge, Banken zum Sparen für schlechte Zeiten zu zwingen, um bei einer neuen Krise nicht zahlen zu müssen, könnte bitter enttäuscht werden. Denn die tatsächlich festgelegten Steuern sind weitgehend symbolisch. Deutschland zum Beispiel will jährlich knapp über einer Milliarde Euro einkassieren, dabei hat die Rettung der deutschen Hypo Real Estate allein bis jetzt schon über 100 Milliarden Euro gekostet. Der Stabilisationsfonds müsste mindestens ein paar Jahrzehnte lang in Betrieb sein, um Ausmaße zu erreichen, die in einem Verhältnis zu den potentiellen Drohungen stehen.

Banken sind nicht einfach zu ersetzen

"Bis jetzt war die ganze Sache kaum mehr als eine populistische Geste. Die Regierungen wollen die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass auch die Banken für die Krise zahlen, doch bei den geringen Beträgen, um die es hier geht, war dies eher eine symbolische Handlung als eine tatsächliche Abgabe, die auf den Finanzsektor erhoben wird", meint Piotr Kuczyński, Analyst bei Xelion, einer Finanzberatungsfirma mit Sitz in Warschau. Der Grund dafür ist die schlagkräftige Waffe der Banken: Sie drohen damit, jegliche Zusatzkosten auf ihre Kunden abzuwälzen.

Deshalb halten die Länder, die sich für die Einführung einer neuen Banksteuer entschieden haben, diese sehr niedrig, auf einem für die Branche so gut wie unmerklichen Niveau. Zudem haben die Banken den Vorteil, dass sie nicht leicht zu ersetzen sind. Eine weltweite Erholung – und die Rückkehr zum schnellen Wachstum in Polen – wird nicht eintreten, wenn die Finanzbranche nicht mitspielt. Deshalb haben die Banken die Regierungen wissen lassen, dass sie ihnen besser nicht den Kampf ansagen. Und zumindest bis jetzt ist diese Botschaft auch erfolgreich angekommen. (pl-m)

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