Britischer Richter zu Beginn des Gerichtsjahres, London, Oktober 2009. (AFP)

Im Königreich des guten Rufs

Wie fast nirgendwo in der westlichen Welt steckt die britische Presse im Würgegriff der Justiz. Mit Hilfe aggressiver Anwälte, Millionenklagen und absurden Gesetzen wollen Unternehmen kritische Stimmen zum Schweigen bringen – und nicht nur die britischen, warnt der Spiegel.

Veröffentlicht am 4 Januar 2010 um 15:42
Britischer Richter zu Beginn des Gerichtsjahres, London, Oktober 2009. (AFP)

Alan Rusbridger ist kein Angsthase. Der Chefredakteur der britischen Tageszeitung Guardian teilt ordentlich aus, sein Blatt gilt als eines der mächtigsten und kritischsten der Insel. Das linksliberale Organ attackiert Politiker, Prominente und Konzerne gleichermaßen.

Doch im vergangenen Jahr wurde es selbst Rusbridger kurz mulmig. Da bekam er Post von der Londoner Kanzlei Carter-Ruck. Journalisten in Großbritannien wissen, was das bedeutet: Die Anwälte gelten als besonders aggressiv, wenn es darum geht, im Namen ihrer Mandanten gegen vermeintliche Rufschädigungen in der Presse zu kämpfen.

Hinter den Juristen steckte der britische Supermarktriese Tesco. Der Guardian hatte in einem aufwendig recherchierten Artikel geschrieben, dass Tesco über komplizierte Deals seine Steuern schmälern wolle. Das war zwar nicht falsch, doch die Autoren verwechselten unter anderem zwei Steuerarten.

Die Redaktion räumte den Fehler ein und entschuldigte sich zweimal im eigenen Blatt. Doch Carter-Ruck ließ nicht locker. "Nur um das Post-Bombardement der Kanzlei zu beantworten und unsere Verteidigung zu verfassen, hatten wir nach sieben Wochen mehr als 300 000 Pfund ausgegeben", so der Chefredakteur. Um den Streit bis zum Ende auszutragen, wären geschätzte fünf Millionen Pfund aufgelaufen - eine Katastrophe für die Zeitung, die ohnehin Verluste macht. Zum Originalartikelvon Marco Evers und Isabell Hülsen im Spiegel...

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