Nachrichten Tschechische Republik
Neonazi bei einer Demonstration in Beroun südwestlich von Prag, 2007.

Kein Nachsehen mit Neonazis

22 Jahre Gefängnis für die Täter des Brandanschlags auf eine Roma-Familie: Das Verurteilung von vier rechtsextremen Aktivisten vom 20. Oktober sei ein Beispiel wie effizient gegen zunehmenden Rechtsextremismus im Tschechien und in ganz Europa vorgegangen werden muss, schreibt Respekt.

Veröffentlicht am 28 Oktober 2010 um 14:45
Neonazi bei einer Demonstration in Beroun südwestlich von Prag, 2007.

Dass der Übergang vom Kommunismus zur Demokratie abenteuerlich sein wird, konnte man schon während der Revolution der Samtrevolution von 1989 spüren. Doch dass dieses Abenteuer noch zwanzig Jahre später andauern würde, konnte man damals nicht ahnen. Es ist aber so. Als Beispiel wäre da die Neonazi-Affäre zu nennen, bekannter unter dem beschönigenden Namen „die Brandstifter von Vitkov“.

Dem Prozess gegen die vier Neonazis ist nichts vorzuwerfen. Das Gericht zeigte sich streng und gerecht. Wenn in westlichen Ländern ein Neonazi im April 2009 an Hitlers Geburtstag nach gründlicher Planung und gemeinsam mit anderen Neonazis eine Brandflasche durch das Fensters eines Hauses wirft, in dem Roma leben, dann wird eine solche Tat als das qualifiziert, was sie ist: ein rassistischer Akt (oder Mordversuch) und wird als solche von der Justiz bestraft. Wenn zudem die Opfer ungefährliche und wehrlose Kinder sind, dann wird dies mit beispielhafter Härte geahndet. Es ist beruhigend, das der tschechische Richter die Dinge genauso sah. Mit seinen strengen Haftstrafen gegen die Neonazis (22 Jahre für drei von ihnen, 20 für den vierten), zeigt der tschechische Staat, dass er nicht bereit ist, solche Taten zu tolerieren. Und das ist die Hauptsache.

Tschechiens harter Kurs gegen Neonazis

Die Frage ist nun, welche Folgen das Urteil auf die Neonazi-Szene in Tschechien haben wird. In der tschechischen Republik gibt es nicht das Phänomen der rechtsextremen Sympathisanten innerhalb der Polizeicorps wie in anderen Ländern Westeuropas (beispielsweise Deutschland), was zu einer gewissen Nachsichtigkeit der Ordnungshüter mit der Neonazi-Szene führt. Der tschechische Staat hat recht schnell einen harten Kurs angenommen. Das zeigt sich schon im Verbot der Arbeiterpartei, die in der Neonazi-Szene verwurzelt ist.

Einerseits kann man hoffen, dass die außerordentlichen Strafen gegen die rassistischen Verbrechen von Vitkov manche entmutigen werden, den Tätern nachzueifern, auf der anderen Seite kann man befürchten, dass die Symbolwirkung der Strafen den harten Kern der Neonazi-Szene in der tschechischen Republik nur bestärken. Noch ist die Szene nur ein Schatten dessen, was in westlichen Ländern existiert, doch könnte das Phänomen rasch größeres Ausmaß nehmen.

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Staatspräsident findet Urteil "übertrieben"

Wie dem auch sei, der Fall Vitkov ist nicht das einzige Beispiel der Haltung, die in der tschechischen Republik seit kurzem zu beobachten ist. Wie man künftig mit rassistischen Aktionen umzugehen gedenkt, zeigte auch die einhellige Verurteilung der Politiker aus dem rechten und linken Lager zu den Deklarationen von Liana Janáčková [Regierungspartei ODS] im Wahlkampf zu den Senatswahlen — „Ja ich bin Rassistin und dagegen, dass sich Zigeuner bei mir ansiedeln, wo sie wollen“ — ein weiteres gutes Beispiel dieses Trends.

Wahr ist allerdings, dass der Staatspräsident nicht ganz auf dieser Line liegt. So qualifizierte er die mehr als zwanzigjährigen Haftstrafen für den kaltblütigen und rassistischen Anschlag, bei dem ein kleines Mädchen schwerstens verunstaltet wurde, als „übertrieben hart.“ Noch am selben Tag wetterte Vacláv Klaus aber ebenso leidenschaftlich gegen die Streichung einiger Fluglinien oder die Absicht der Regierung eine Steuer auf Photovoltaik-Anlagen zu erheben... Bei soviel Dauerempörung muss dem Präsidenten zwangsweise ein Fehler unterlaufen... (js)

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