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Anpassen oder untergehen: Klimawiderstand regt sich von unten

Während sich die Welt auf den Klimakipppunkt zubewegt, entwickeln viele europäische Städte ihre Überlebensstrategien wie zum Beispiel das Auffangen von Nebelwasser zur Bewässerung von Eichen in Portugal.

Veröffentlicht am 6 Mai 2025

Der Copernicus Climate Change Service (C3S) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) der Vereinten Nationen haben vor kurzem den europäischen Bericht über den Zustand des Klimas 2024 veröffentlicht, und die Nachrichten sind alles andere als gut.

Darin bestätigt sich, dass Europa der Kontinent ist, der sich am schnellsten erwärmt, und dass 2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen war, mit Rekordtemperaturen in den zentralen, östlichen und südöstlichen Regionen. Schwere Stürme und Überschwemmungen forderten mindestens 335 Menschenleben und betrafen schätzungsweise 413.000 Personen in Europa.

In diesem Jahr enthält der Bericht aber auch ein neues Kapitel, in dem Beispiele für die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel und Anpassungsinitiativen in Städten in ganz Europa gezeigt werden. Daraus geht hervor, dass 51 % der europäischen Städte spezielle Klimaanpassungspläne verabschiedet haben, was einen ermutigenden Fortschritt gegenüber den 26 % im Jahr 2018 darstellt.

WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo bezeichnet diese Anpassung als „ein Muss“. „Wir machen Fortschritte, aber wir müssen noch weitergehen, wir müssen diesen Weg schneller und gemeinsam gehen”, sagt sie.

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EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra soll in der Zwischenzeit „die Arbeit an einem europäischen Klimaanpassungsplan leiten, um die Mitgliedstaaten insbesondere bei der Vorbereitung und Planung konkreter Maßnahmen zu unterstützen und sicherzustellen, dass regelmäßige wissenschaftlich fundierte Risikobewertungen erstellt werden. [...] Dies soll zum Beispiel die Auswirkungen auf Infrastruktur, Energie, Wasser, Lebensmittel und Land in Städten und ländlichen Gebieten abdecken und Anreize für naturbasierte Lösungen schaffen”, wie es in Hoekstras Auftrag lautet, den er vergangenen Sommer offiziell gestellt bekommen hat. 

In einem kürzlich erschienenen Artikel des Guardian wird vorgeschlagen, angesichts der derzeitigen geopolitischen Spannungen in den USA in Sachen Klimaanpassung lieber einen Blick auf Afrika zu werfen. Die Autoren des Artikels, William Ruto und Patrick Verkooijen, erinnern daran, dass „Afrika schon früh ein Vorreiter in Sachen Klimaanpassung war” – schließlich liegen 17 der 20 am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder auf dem afrikanischen Kontinent.

„Wir wollten über das Katastrophenmanagement hinausgehen und zukunftsorientierte Strategien entwickeln, die unsere Anfälligkeit für Klimarisiken verringern. Wir haben nach Lösungen gesucht, um unsere Menschen und Unternehmen vor immer zerstörerischeren Wetterextremen zu schützen. Anpassung ist nicht einfach nur ein Mittel zur Minimierung der Schäden, die durch extreme Wetterereignisse verursacht werden, auch wenn dies allein schon die Investition rechtfertigen würde. Richtig umgesetzt, kann sie Volkswirtschaften verändern und sie gegen Naturkatastrophen besser wappnen.”

Die ärmeren Entwicklungsländer könnten Europa den Weg weisen: wie man die zerstörerischen Seiten des Kapitalismus ganz vermeidet und zu den nächsten Stufen übergeht, in denen die Menschen und der Planet einen Weg zum gemeinsamen Überleben finden könnten.

Ekhosuehi Iyahen, Generalsekretärin des Insurance Development Forum (IDF) dagegen setzt sich für die italienische Zeitung Domani mit der Kehrseite der Anpassung auseinander und fordert, sich gegen die Folgen der Klimakrise zu versichern. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, um unsere Ökosysteme zu schützen, aber viele Küstengemeinden verfügen nicht über die notwendigen finanziellen Mittel. Um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, ist es wichtig, die finanzielle Lücke zu schließen. Die Versicherungsbranche könnte ein starker Motor für positive Veränderungen sein”, erklärt sie.

In Portugal treffen wir gemeinsam mit der Reporterre-Journalistin Marie-Cécilia Duvernoy die Ingenieure André Mota und Paula Pereira, die für Life Nieblas arbeiten. Die Organisation setzt sich für das Auffangen von Nebelwasser mit Netzen ein, wodurch Jahr für Jahr Tausende von neu gepflanzten Eichen in Zentralportugal gedeihen können. Trotz der Dürre und der Brände ist das Team von Life Nieblas weiter überzeugt und begeistert von dem Konzept. 

Überall in der EU wehren sich einkommensschwache Gemeinden jedoch auch gegen Klimamaßnahmen, die die sozialen Realitäten ignorieren und zu Ausgrenzung führen. In Alternatives Économiques berichtet Blanche Segrestin, Professorin an der Ecoles des Mines, zum Beispiel über den Widerstand gegen sogenannten „low emission zones” in Städten wie Paris und Lyon, in denen die Ärmsten Gefahr laufen, von der Mobilität ausgeschlossen zu werden. „Die Regel der gemeinsamen Havarien funktioniert nicht ohne Solidarität: Das zur Lösung notwendige Opfer muss im Verhältnis stehen zu den Vorteilen, die dadurch erzielt werden und es muss von allen gleichermaßen erbracht werden. Im Falle der low emission zones, die für manche Stadtbewohner zu einer unhaltbaren Situation führen, könnte man zunächst einmal nur die umweltschädlichen Autos ersetzen und die dadurch entstehende Last nicht mehr nur auf die Besitzer dieser Autos oder Autofahrer generell verteilen, sondern auf alle, die dadurch etwas gewinnen können.”

Kollektive und gerechte Klimaschutzmaßnahmen werden derzeit auch in Bulgarien und Rumänien gefordert, wo die Beschäftigten der fossilen Energieträger befürchten, auf der Strecke zu bleiben. Gewerkschaften und lokale Führungskräfte warnen davor, dass der Übergang zu kohlenstoffarmer Energieversorgung ohne echten Dialog und Investitionen die Ungleichheit vertiefen und populistische Gegenreaktionen verursachen könnte, wie die zentraleuropäische Website Cross-Border Talks berichtet.

„Wir brauchen eine klare Richtung und ein echtes Engagement. Wir müssen wissen, was Jahr für Jahr getan werden soll. Nur so können die Maßnahmen, die im Rahmen des gerechten Übergangs ergriffen werden, mit allem anderen in Einklang gebracht werden. Dann wird niemand im Prozess der Dekarbonisierung zurückbleiben. Stattdessen sehen wir, dass rechtspopulistische Parteien das Thema nutzen, um einen politischen Skandal zu provozieren und den Prozess aufzuhalten. Wir sind noch weit davon entfernt, die Pläne, Indikatoren und Meilensteine für den gerechten Übergang zu überprüfen und, wenn nötig, zu ändern”, beklagt Georgi Stefanov, Gründer der Klimakoalition Bulgarien, gegenüber der polnischen Journalistin Małgorzata Kulbaczewska-Figat.

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ECF, Display Europe, European Union
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