Vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben Armenien, Bulgarien, Litauen, Malta, Russland, San Marino und Zypern ihren Auftritt. Verhandelt wird über die Frage, ob in italienischen Klassenzimmern die Kruzifixe abgehängt werden müssen, als Verstoß gegen die religiöse Neutralitätspflicht des Staates. Die genannten Länder, die offenbar ähnliche Angriffe auf christliches Brauchtum bei sich zu Hause befürchten, ergreifen Partei für das beklagte Italien, und ihr gemeinsamer Prozessvertreter legt sich eindrucksvoll für die Schulkreuze ins Zeug. Es ist der New Yorker Jura-Professor Joseph Weiler, ein prominenter Europarechtler – und praktizierender Jude mit einer Kippa auf dem Kopf.
So geschehen vor ein paar Wochen in Straßburg. So reich, neuartig und paradox ist jetzt die europäische Weltanschauungslandschaft: Die Religionen konkurrieren nicht nur, sie kommen einander auch zur Hilfe – der fromme Jude dem christlichen Glaubenssymbol, die Orthodoxen aus Russland und Bulgarien dem katholischen Italien. Die Globalisierung und ein Europa der offenen Grenzen sind die historischen Kräfte, die Glauben, Andersglauben, Unglauben konfliktträchtig durcheinandermischen. Die Mutter, die ihre Töchter vor dem Anblick der Schulkreuze bewahren wollte und deshalb vor Gericht ging, war aus dem modernistischen Finnland ins traditionssatte Italien gekommen: Migration als Quelle des Religionsstreits, nicht erst, wenn es um Muslime aus Pakistan, Algerien oder Marokko geht. Der nicht mehr endende, gesamteuropäische Streit um alles Muslimische, gerade wieder zu Bewusstsein gekommen durch die Karriere des niederländischen Islamfeindes Geert Wilders, ist zwar der dramatischste Ausdruck der neuen Gewissens- und Weltbildkämpfe. Aber die Fragen, die dahinterstehen, reichen weiter: Was ist die Rolle der Religion? Was ist das richtige Verhältnis von Glauben und Staat, die beste Ordnung für die kulturelle Vielfalt im Europa des 21. Jahrhunderts? Zum Originalartikel in der Zeit...
Initiative
Aus islamischem Opferfest mach Feiertag
Während die Muslime den Ramadan beginnen, plädieren die beiden niederländischen Intellektuellen türkischer Herkunft Selahattin und Bahattin Koçak in der De Morgen dafür, den Tag des Opferfestes, der den Fastenmonat abschließt, als allgemeinen Feiertag einzuführen. "Eigentlich wäre es die beste Lösung, den Tag zu einem Feiertag für alle zu machen, denn die Anerkennung des anderen kommt erst nach dessen Integration", schreiben sie. "Unser Empfinden der Gleichberechtigung ist wirklich gestört, denn aus symbolischer Sicht gleicht das Opferfest Weihnachten. Als wir klein waren, fanden wir, dass der Weihnachtsmann rassistisch ist, weil er unserem kleinen Nachbarn Frankie [typisch flämischer Vorname] Geschenke brachte, aber uns nie. Außerdem kann die Anerkennung des Islam nicht nur auf dem guten Willen von Nachbarn und Arbeitgebern beruhen", die das Fasten tolerieren "solange es die Arbeitskraft nicht einschränkt. [...] Wir sollten uns endlich eingestehen, dass wir uns nicht mehr in der Phase befinden, in der wir erst die Kultur und Religion des Anderen kennenlernen. Heute ist die Integration des Islam als eigenständiges Element unserer Gesellschaft eine Herausforderung, die es ermöglicht, gemeinsam voran zu schreiten."