Merkel ist leider nicht Marshall

Veröffentlicht am 19 November 2010

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„Versailles ohne Krieg.“ Harsch kritisiert das Handelsblattauf der Titelseite die Haltung Angela Merkels gegenüber den Schuldnerstaaten. Der Chefredakteur des Wirtschaftsblatts, Gabor Steingart, wirft der Kanzlerin vor, Griechenland, Irland, Portugal und Spanien Sanktionen auferlegen zu wollen, wie sie dem besiegten Deutschland Ende des Ersten Weltkriegs im Friedenvertrag von Versailles auferlegt wurden.

Steingart erinnert an die Rede des US-Außenministers Marshall vom Juni 1947, der dem das am Boden liegenden Deutschland ein Kreditprogramm als Hilfe zur Selbsthilfe versprach. „Wir rechnen den Amerikanern ihre Hilfe hoch an. Aber wir lernen daraus nichts.“ Stattdessen nimmt man das Risiko in Kauf, dass Europa „ein Ort wird, dessen Bewohner sich auf den Tod nicht ausstehen können.“

Einsparungen von 13 Prozent des Sozialprodukts habe noch kein Land in Friedenszeiten geschafft, schreibt das Handelsblatt. „übersetzt auf unsere deutschen Verhältnisse, würde das bedeuten: Abschaffung des Kindergelds, Auflösung der Bundeswehr, Zurückfahren des Bundeszuschusses für Sozialversicherungen auf null bei gleichzeitiger Verdopplung der Lohnsteuer.“

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„Die 72 Millionen Griechen, Iren, Spanier und Portugiesen schulden den europäischen Banken mittlerweile 1,5 Billionen Euro. Das entspricht dem Fünffachen des deutschen Bundeshaushalts“, betont Steingart und warnt: „Die in Not-Geratenen können sparen, bis sie blau sind, den Mühlstein am Hals werden sie nicht los.“ Merkels Politik münde zwar nicht in Krieg, doch führe sie zu Unsicherheit. Die Bundeskanzlerin solle sich an Versailles und an Marshall erinnern und lieber Direktinvestitionen in Südeuropa stimulieren.

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