Stunde der Wahrheit für Europas Banken

Die Ergebnisse der Stresstest der europäischen Banken werden am 23. Juli veröffentlicht. Der Ablauf der Tests, die zeigen sollen, wie gut die Banken im Fall verschiedener wirtschaftlicher Szenarien abschneiden, war chaotisch und alles andere als ideal – doch es ist wichtig für die EU, sicherzustellen, dass ihre Banken handelsfähig sind, und dies auch den Märkten zu beweisen. The Economist kommentiert.

Veröffentlicht am 16 Juli 2010 um 15:12

Als sich die amerikanischen Banken 2009 einem Stresstest unterziehen mussten, trug dies dazu bei, die Panik an der Wall Street einzudämmen. Die Federal Reserve nahm Einblick in die Buchhaltung der Banken, beurteilte konsequent das Ausmaß der Verluste und zwang die Banken mit ungenügender Eigenkapitalausstattung, dieses Manko auszugleichen, wobei der Steuerzahler als auffangender Investor im Hintergrund diente.

Die EU wird dem Beispiel bald folgen, mit ihren am 23. Juli fälligen Ergebnissen. Doch während Amerikas Tests im militärischen Stil durchgeführt wurden, waren Europas Bemühungen chaotisch – sie wirkten eher wie eine Auseinandersetzung über Fangquoten für Kabeljau als wie die Sanierung des größten Bankensystems der Welt.

Banken und Transparenz, das passt selten zusammen

Banken und Transparenz sind nicht immer eine gute Kombination. Gibt ein Autohersteller ein Problem zu, sind seine Fabriken eine Woche später immer noch da – tut eine Bank dasselbe, erleidet sie gewöhnlich einen vernichtenden Run. Deshalb verfahren Regulierungsbehörden mit Blindgängerbanken manchmal lieber heimlich. Doch wenn bereits ein weit verbreiteter Vertrauensverlust besteht, ist das Licht der Öffentlichkeit oft die einzige noch mögliche Therapie. Das passierte 2002/2003 in Japan, als Zombie-Banken dazu ermahnt wurden, sich zu ihren Forderungsausfällen zu bekennen, sowie letztes Jahr in Amerika.

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Europa ist an einem ähnlichen Punkt angelangt. Manche Banken wurden aus Sorge, sie könnten von Südeuropas Nöten zu Fall gebracht werden, und auf den Verdacht hin, dass sie auf sauer gewordenen Anleihen aus den Boomjahren sitzen, von den internationalen Kreditmärkten ausgeschlossen. Falls das Vertrauen nicht wieder hergestellt wird, muss das Bankensystem des Kontinents, welches stark auf dem Großhandel mit Anleihen beruht, eine Finanzierungskrise angehen. Dies würde die Banken dazu zwingen, sich noch stärker auf die Landesbanken und die Regierungen zu stützen, um ihre Kredite zu verlängern. Eine weitere mögliche Folge wäre eine Rezession mit zwei Talsohlen.

Die Aufgabe ist enorm. Das europäische Bankensystem ist viel umfangreicher als das amerikanische: Es werden 91 Banken getestet, an der Wall Street waren es dagegen nur 19. Und da es keine alleinige Behörde mit den Befugnissen und den Mitteln der Federal Reserve gibt, werden die Tests wirr durcheinander von nationalen Regulierungsbehörden, der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und einer halbstaatlichen Organisation namens Committee of European Banking Supervisors (CEBS – Ausschuss der europäischen Bankenaufseher) durchgeführt.

Die deutschen Banken – die zwar in schlechter Verfassung sind, aber weiter günstig Anleihen aufnehmen können, weil sie die Unterstützung einer finanzstarken Regierung genießen – haben bereits kopfnickend kundgetan, dass sie den Test wohl bestehen werden. Die Tests mögen das Problem der Staatsbankrotte verschleiern, weil sie auf an Trading Bücher gebundene Verluste und nicht auf Anleihensverluste abzielen. Und, anders als Amerika, scheint Europa daran interessiert, Kapital etwas lax zu definieren, was vom Markt nicht mehr als die beste Benchmark für Zahlungsfähigkeit angesehen wird.

Manche Banken müssen durchfallen

Es ist zu spät, um alle diese Mängel zu beheben, und es ist auch zu früh, die Tests abzuschreiben, doch es muss dreierlei passieren. Zunächst müssen manche Banken beim Test durchfallen – eine Bestehungsquote von 100 Prozent würde nur beweisen, dass die gestellten Fragen nicht schwierig genug waren. Ermutigenderweise berichteten manche Unternehmen, dass die Tests in letzter Minute verschärft wurden.

Zweitens ist es zwar politisch unmöglich, die Gefahr der Staatsbankrotte mit einzubeziehen, doch das Thema muss auf überzeugende Weise behandelt werden. Inwieweit jede Bank anfälligen Wirtschaftssystemen ausgesetzt ist, sollte im Detail offengelegt werden. Wie auch schon vorher, ist es durchaus wahrscheinlich, dass manche Banken ihre Risiken zu niedrig ausweisen. Strenge Tests in Spanien – einem wirtschaftlich wichtigen Land, welche die Investoren am meisten beunruhigt – sind für die Glaubwürdigkeit ebenso wichtig. Das Land hat zwar relativ niedrige Staatsschulden, doch es wird befürchtet, es verfüge über ungenügende Mittel, um seine lahmgelegten Sparkassen retten zu können. Diese Sorge scheint etwas übertrieben und Spanien könnte ja in jedem Fall Europas neuen Rettungsfonds beanspruchen. Doch seine Regulierungsbehörden und Politiker müssen auf ihre klaren Worte jetzt Taten folgen lassen – selbst wenn andere Länder ihre Banken etwas nachsichtiger behandeln.

Letztendlich müssen die Tests auf kompetente Weise inszeniert werden. Das letzte, was Europa braucht, ist die chaotische Veröffentlichung der Ergebnisse für 91 Banken, von den nationalen Regulierungsbehörden abgeleugnete Schlussfolgerungen und das Ganze ohne jeglichen Plan zur Sanierung der Unternehmen, die den Test nicht bestehen. Im schlimmsten Fall sind die Tests nicht irrelevant, sondern sie schädigen das Vertrauen.

Finanzkontrolle

Machtlose Behörden?

Zwei Jahre nach Beginn der Krise könnte sich die Europäische Union bald auf ein System der Finanzkontrolle einigen. "Der Weg, den dieses Abkommen geht, ist ein Paradebeispiel für Europas Verhandlungsweise", bemerktdie Trouw. "Anstelle einer einzigen Aufsichtsinstitution, hat man sich für drei entschieden: Eine für die Banken, eine für die Versicherungsunternehmen und eine für den Wertpapierhandel. So können London, Paris und Frankfurt jeder eine haben".

Was die Kompetenzen dieser Überwachungsinstanzen betrifft, so "wollen die Mitgliedstaaten die Kontrolle behalten und stellen sich quer", stellt die niederländische Tageszeitung fest. "Daher wird es wohl zu einem Kompromiss kommen: Der Aufsichtsbeamte kann theoretisch eingreifen, dies aber nur zu Krisenzeiten. Den Mitgliedstaaten ist es jedoch überlassen zu entscheiden, wann es sich um eine Krise handelt". Trouw bedauert, dass "die Staaten trotz des Ernstes der Krise noch nicht dazu bereit sind, Kompetenzen abzugeben. Jetzt, wo die Erinnerung an die wackeligen Banken vom Herbst 2008 verblasst, scheinen die wichtigsten Lehren schon wieder vergessen worden zu sein."

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