Presseschau Kritischer Osten

Echte und falsche Euphorie: Die Ukraine, Russland und Belarus begrüßen Trumps Rückkehr ins Weiße Haus

Es gibt nur wenige Orte, an denen der jüngste Sieg von Donald Trump so weitreichende Konsequenzen haben könnte wie in Osteuropa. Ersten Ankündigungen zufolge könnte seine 2. Amtszeit verheerend für die Sicherheit der Region sein.

Veröffentlicht am 14 November 2024

Die meisten Sorgen bereiten derzeit Trumps Äußerungen zur militärischen Unterstützung der Ukraine, die seit Februar 2022 von Russland überfallen wurde. Der ehemalige Immobilienmogul und verurteilte Schwerverbrecher Trump hat mehr als einmal gesagt, dass er nicht einsieht, warum die US-Steuerzahler für die Bewaffnung der Ukraine zahlen, und dass er einen ganz einfachen Plan zur sofortigen Beendigung des Krieges hat. In der Praxis würde dieser darin bestehen, Kiew zu Zugeständnissen an Russland zu zwingen. In einem solchen Szenario, das auch eine Lockerung der Sanktionen mit sich brächte, würde Trump dem Kreml die Zeit und die Ressourcen schenken, um sein Militär für einen neuen Angriff aufzurüsten. Und vielleicht wäre die Ukraine dann nicht mehr das einzige Angriffsziel.

Wohl aus diesem Grund war Wolodymyr Selenskyj einer der ersten Politiker, der Trump zu seinem Sieg gratulierte und seine internationale Herangehensweise lobte, weil sie angeblich auf dem Prinzip „Frieden durch Stärke“ beruht. Ob Selenskyj selbst daran glaubt, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass der ukrainische Präsident verstanden hat, dass er sich so schnell wie möglich auf die neue Situation einstellen muss. Das bedeutet, dass er sich bei Trump beliebt machen muss, dessen Vorgehen weniger auf Vernunft als auf persönlichen Sympathien und Animositäten beruht. Zusätzlich zu seinem Lob auf X führte Selenskyj ein Telefongespräch mit Trump, das er später als “ausgezeichnet” bezeichnete.

Vielleicht gewinnt er Trumps Herz ja sogar aufgrund ihres gemeinsamen Außenseiterstatus bei Verhandlungen mit den Spitzenpolitikern dieser Welt. Vielleicht können Trump und seine Leute auch davon überzeugt werden, dass die USA als Verlierer dastehen, wenn sie dem russischen Kriegsverbrecher geben, was er will? Oder spielt vielleicht auch die Lobbyarbeit der US-Rüstungsindustrie, die von diesem Krieg gehörig profitiert, eine Rolle? Fest steht, dass die Ukraine nicht viele solcher Einflussmöglichkeiten hat und es auch keine Garantie dafür gibt, dass sie funktionieren.

Als Trump 2016 seine erste Präsidentschaftswahl gewann, knallten in der russischen Duma die Sektkorken. Und zwar buchstäblich. Der mittlerweile verstorbene Außenseiter der russischen Politik Wladimir Schirinowski hatte zu diesem Anlass ein Fest gegeben. Der Kreml glaubte damals, dass Donald Trump genau der richtige Mann für russische Interessen im Weißen Haus sein würde. Die Realität war jedoch komplexer, denn trotz seiner erklärten Zuneigung zu Wladimir Putin verfolgte Trump keine pro-russische Politik. Deshalb ist die Stimmung in Moskau dieses Mal auch gedämpfter. Das unabhängige Portal Viorstka berichtete am 6. November, dass Putin Trump lediglich privat und über nicht näher bezeichnete gemeinsame Bekannte gratuliert hat. Öffentliche Glückwünsche dagegen gab es von Sergej Lawrow im russischen Außenministerium sowie von Dmitri Medwedew (ehemaliger Präsident und jetzt stellvertretender Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrates Russlands) und den Sprechern der beiden russischen Parlamentskammern.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Meduza-Korrespondent Andrei Peretzhev, der dafür bekannt ist, zahlreiche Kontakte zur russischen Regierung zu haben, erfuhr von einem seiner Vertrauten, dass Trump im Kreml immer noch als „der richtige Mann“ angesehen wird. Offensichtlich macht Trumps Auftreten ihn einfach verständlicher und zugänglicher als die demokratische Elite. In Wirklichkeit - und ungeachtet der scherzhaften Sympathie Putins für Kamala Harris vor der Wahl - hat der Kreml keinen der beiden Kandidaten unterstützt. Denn Putin strebt nichts weiter an, als eine Spaltung, die sich in Protesten und Unruhen entlädt und so die amerikanische Demokratie untergräbt.

Die öffentlichen Glückwünsche Putins an Trump erfolgten schließlich während einer dreistündigen Sitzung des sogenannten Valdai-Clubs. Am Ende sagte Putin, dass er bereit sei, sich mit dem US-Präsidenten zu treffen, wenn dieser ein solches Angebot machen würde und die westlichen Führer den Kontakt mit Russland wieder aufnehmen wollten. Zuvor hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow auf die Frage von Journalisten nach offiziellen Glückwünschen der russischen Präsidentschaft geantwortet, es bestehe dafür keine Notwendigkeit, weil die USA ein Staat seien, den Russland als unfreundlich betrachte.

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat sich am 7. November in der Nähe von Minsk am Rande einer Holzfällermeisterschaft ausführlich über Trumps Sieg geäußert, berichtet Zerkalo. „Trump ist ein echtes Kraftpaket“, sagte er. „Er hält sich für großartig, unabhängig davon, was ich von ihm halte. Es war schwer zu glauben, dass er noch einmal gewinnt. Da gab es die Attentate auf ihn, dann den Druck, weil man ihn ins Gefängnis stecken wollte, aber er hat es geschafft, und das, nachdem er vor vier Jahren gescheitert war. Dies ist seine persönliche Leistung im Namen des amerikanischen Volkes. So gesehen ist er ein guter Mann.“

Lukaschenko erwähnte auch Trumps Versprechen, Kriege zu beenden, darunter den in der Ukraine. „Wenn er Erfolg hat, werden wir uns gemeinsam um den Friedensnobelpreis bewerben, und er wird ihn dann bekommen“, schwärmte der belarussische Staatschef. „Ich hoffe nur, dass er sein Versprechen auch einhält und es nicht einfach wieder vergisst. Amerika ist ja nicht Belarus.“ Lukaschenko räumte ein, dass das Ende des Krieges in der Ukraine nicht allein von Trump abhängt. „Er wird versuchen, den Krieg zu beenden, aber das ist kein unilateraler Prozess. Man muss andere und nicht nur Russland mit ins Boot holen, denn es sind ja viele Länder betroffen.“

Soweit die Gedanken des belarussischen Diktators, der seit 2020 die Präsidentschaft seines Landes an sich gerissen hat und sich nun auf eine weitere „Wahl“ vorbereitet, die für Ende Januar 2025 geplant ist. Auf der offiziellen Website des belarussischen Präsidenten heißt es, Lukaschenko habe Trump einen Tag nach der US-Wahl zu seinem Sieg gratuliert. Der Diktator wünschte dem neuen US-Präsidenten gute Gesundheit und solide politische Entscheidungen, die Amerika wieder groß machen werden.

Begeisterung über Trumps Erfolg gab es auch im polnischen Parlament, wo sogar Champagner floss. Die Rechtspopulisten von Jaroslaw Kaczynski, die vor einem Jahr die Macht an Donald Tusk verloren hatten, konnten ihre Euphorie nicht zügeln. Abgeordnete der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) applaudierten laut und skandierten den Namen des neuen US-Präsidenten. Die Partei glaubt nämlich, dass Trumps Sieg ihr vor den polnischen Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr Auftrieb geben und ihre Chancen auf eine baldige Rückkehr an die Macht erhöhen wird. Die PiS träumt davon, dass Trump an einer ihrer Wahlkundgebungen teilnehmen wird, oder sogar, dass die derzeitige Regierung als Folge von Trumps Sieg zurücktreten könnte. Eine Partei, die ihre Identität auf dem Widerstand gegen die Brüsseler Diktatur aufgebaut hat, kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, ihre Unterwürfigkeit gegenüber Washington zu demonstrieren.

Als was für ein Freund sich Trump tatsächlich erweisen wird, das werden wir schon im nächsten Jahr herausfinden.

In Zusammenarbeit mit Display Europe, kofinanziert von der Europäischen Union. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologie wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.
ECF, Display Europe, European Union

Interessiert Sie dieser Artikel?

Er ist dank der Unterstützung unserer Community frei zugänglich. Die Veröffentlichung und Übersetzung unserer Artikel kostet Geld. Um Sie weiterhin unabhängig informieren zu können, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Abonnieren oder Spenden

Weitere Kommentare anzeigen Ich werde Mitglied, um Kommentare zu übersetzen und Diskussionsbeiträge zu leisten
Live | Untersuchung über die gebrochenen Versprechen der grünen Finanzwelt

Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

Veranstaltung ansehen >

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie Journalismus, der nicht an Grenzen Halt macht.

Nutzen Sie unsere Abo-Angebote oder stärken Sie unsere Unabhängigkeit durch eine Spende.

Zum gleichen Thema