„Manchmal lassen sie uns kleine Geschenke da.“ Im Einkaufszentrum Akropolis in Vilnius.

Unser bester Kunde ist Weißrusse

Hotels, Einzelhandel, Kurbäder: Die litauische Wirtschaft profitiert nicht nur von reichen Kunden aus dem Nachbarland. Vermehrt kommt auch die Mittelschicht der ex-sowjetischen Diktatur zum Einkaufen über die Grenze.

Veröffentlicht am 16 Januar 2013 um 12:18
Elektromarkt  | „Manchmal lassen sie uns kleine Geschenke da.“ Im Einkaufszentrum Akropolis in Vilnius.

Es scheint paradox, aber zu den zehn größten Erfolgsgeschichten 2012 in Litauen zählen unsere weißrussischen Nachbarn, die in Massen ins Land strömen und großzügig ihre Geldbörsen öffnen.

Daina Blazeviciene, Leiterin eines der Bekleidungsgeschäfte Apranga von Vilnius, ist voll des Lobes: „Wir lieben unsere weißrussischen Kunden. Am Wochenende warten wir ungeduldig auf sie, denn sie steigern unsere Umsätze. Sie sind großzügig, kommen mit der ganzen Familie und kaufen die Saisonartikel. Sie scheinen keine materiellen Sorgen zu haben und schauen nicht auf den Preis. Einige kommen regelmäßig zu uns, so dass wir sie inzwischen gut kennen. Manchmal lassen sie uns sogar kleine Geschenke da.“

71 Prozent der Ausländer, die eine Rückerstattung der Mehrwertsteuer beantragen, sind Weißrussen, erklärt Denisas Grinevičius, Direktor von Global Blue Lietuva, einem Unternehmen, das sich um diese Rückzahlungen kümmert. Nur 23 Prozent sind Russen.

Luxuskundschaft in Sanatorien und Hotels

„Die Weißrussen leisten einen erheblichen Beitrag zur litauischen Wirtschaft. Die meisten Händler spüren das, erklärt Grinevičius. Für einige machen die von den Weißrussen getätigten Ausgaben zwischen 10 und 50 Prozent ihres Umsatzes aus.“ Es gibt keine offizielle Statistik, aber diese Summen erreichen ohne Zweifel mehrere Millionen Litas im Jahr [1 Million Litas = 290.000 Euro].

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Die Verkehrsbetriebe, Café-Besitzer, Sanatorien und Hotels schätzen gleichermaßen die reiche Kundschaft aus Weißrussland. Sie füllen die Hotels am Wochenende, essen im Restaurant und geben ihr Geld in den Geschäften aus, berichtet Evalda Šiškauskienė, Präsidentin des litauischen Hotel- und Restaurantverbands.

Nicht nur die Geschäfte der Hauptstadt warten ungeduldig auf weißrussische Kundschaft, sondern auch die Kurorte. „Wir haben bemerkt, dass die in Weißrussland zugelassenen Luxusautos nicht nur auf dem Parkplatz des riesigen Einkaufszentrums Akropolis in Vilnius stehen. Limousinen und große Jeeps sind auch bei uns zu sehen”, berichtet Rimantas Palionis, Leiter des Tourismus- und Geschäftsbüros von Druskininkai [Kurort im Süden des Landes].

Mit drei Fernsehern an der Kasse

Obwohl die Zahl der in Litauen einkaufenden Weißrussen steigt, sinkt im Durchschnitt die Höhe ihrer Ausgaben. Global Blue Lietuva zufolge waren es 2011 etwa 772 Litas [223 Euro], 2012 dagegen nur noch 647 Litas [187 Euro]. „Das liegt an der wachsenden Kundschaft”, glaubt Česlovas Urbonavičius, Geschäftsführer des Einkaufszentrums Akropolis. „Früher waren es nur die reichen Weißrussen oder diejenigen, die ein gutes Geschäft witterten, die ihre Einkäufe in Litauen machten. Sie kauften für die ganze Familie, Freunde und Nachbarn ein. Ich habe oft zwei oder drei Fernseher gleichzeitig verkauft. Heute kommen Familien, Freunde und Nachbarn selbst. Immer mehr Kunden gehören der Mittelschicht an. Wenn es sich lohnt, kommen sie auch mehrmals im Jahr.“

Die Weißrussen kaufen hauptsächlich Kleidung, Schuhe, Elektro- und Haushaltsgeräte sowie Schmuck. „Inzwischen sind es aber auch immer mehr Lebensmittel“, stellt Česlovas Urbonavičius fest. „Der Trend wird sich noch verstärken. Seit dem 1. Januar können sie einen Teil der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zurückerstattet bekommen, mit Ausnahme von Tabak und Alkohol.“

Die litauischen Geschäftsleute warten nun ungeduldig auf die Unterzeichnung des immer wieder verschobenen Abkommens zwischen Litauen und Weißrussland. Bewohner, die nicht weiter als 50 Kilometer von der Grenze entfernt wohnen, sollen Reisesondergenehmigungen erhalten. Denn den Weißrussen wird derzeit die Einreise nach Litauen nicht erleichtert. Polen hat nun schon den Konkurrenzkampf eingeläutet, um diese Touristen anzuziehen. (mz)

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