Weg mit den hohen Bonuszahlungen

Nachdem die kolossalen Rettungspakete für die europäischen Banken kein neues Wachstum hervorgebracht haben, fegt nun eine neue Tendenz über den Kontinent. Das Blatt hat sich gegen die Ausschweifungen der Firmen gewendet. Die Öffentlichkeit will Rache und die Banker können nur sich selbst die Schuld daran geben.

Veröffentlicht am 8 März 2013 um 15:26

Die Bauern lehnen sich in ganz Europa auf. Sie sind auf das Blut der Banker aus und meinen es ernst. Bis jetzt bestand die öffentliche Reaktion auf die Kreditkrise aus allgemeiner Verwirrtheit und leichten Verwarnungen. Die Banken überzeugten die Welt davon, das alles sei Schicksal. So wie es aussah, waren sie zu groß, um zusammenzubrechen, und ihre sakrosankten Manager konnten für nichts belangt werden. Vier Jahre lang wurden die britischen Banken mit fast einer halben Billion Pfund in öffentlichen und gedruckten Geldern überhäuft. Sie erholten sich auch brav und blieben reich, während alle anderen arm wurden.

Nun hat sich das Blatt gewendet. Weder die Banken noch die Regierungen haben einen Konjunkturaufschwung zustande gebracht. Das Volk will Rache und hat sie – ausgerechnet! – beim Europäischen Parlament gefunden. Letzteres will nämlich festlegen, dass Banker in der EU keine Bonuszahlungen bekommen dürfen, die höher sind als ihre Gehälter – oder doppelt so hoch, wenn die Aktionäre des Unternehmens einverstanden sind. Das trifft auch für im Ausland arbeitende EU-Banker zu, sowie für ausländische Banker, die in der EU beschäftigt sind.

Die Bankenlobby gibt nach

Unterdessen entschied ein Schweizer Referendum, dass Topmanager dort nun die ausdrückliche Genehmigung der Aktionäre für ihre Gehälter einholen müssen, Einstellungs- und Abschiedsprämien sind verboten. In den Niederlanden ist die Rede von einer strengeren 20%-Deckelung für Prämien. Sogar im laxen Großbritannien fordert der Nationale Rentenfondsverband, dass die Vorstände die Erhöhungen der Managergehälter auf die Inflation beschränken.

Europas einst allmächtige Banklobby wurde durch den Umfang des Skandals fast neutralisiert. Die deutsche Regierung gab dem EU-Parlament unter dem Druck der sozialdemokratischen Opposition nach. Dies war, nachdem der Libor-Skandal enthüllte, dass die Deutsche Bank vom Bonus eines ihrer Händler 40 Millionen Euro einbehalten hatte, was eine ursprünglich schwindelerregende Summe voraussetzt. Die Kampagne in der Schweiz wurde dadurch ins Leben gerufen, dass der Pharmakonzern Novartis seinem scheidenden Vorsitzenden eine Abfindung in Höhe von 72 Millionen Franken zahlte. Rund 68% der Schweizer stimmten für die neue Begrenzung der Managergehälter.

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12 Prozent mehr Gehalt für City-Topmanager

Nur in Großbritannien tanzen die Minister immer noch nach der Pfeife der Banker. Letzten Monat setzten sich Führungskräfte der RBS über den Staat als Anteilseigner hinweg und zahlten sich selbst Boni in Höhe von 600 Millionen Pfund aus, nachdem sie vorher fünf Milliarden Pfund Verlust verbucht hatten. Auch die defizitäre Lloyds griff in ihre Kassen und gab den Managern zusätzliche 365 Millionen Pfund. Die – Geldwäsche praktizierende – HSBC kündigte an, dass 78 ihrer Führungskräfte in London jeweils über eine Million Pfund netto bekommen würden. Alle sagen, die Boni hätten mit Bußgeldern oder Verlusten nicht zu tun, aber das sagen sie immer. [Der britische Schatzkanzler]George Osborne musste sich am Dienstag in Brüssel demütigen und für ihre erfolglose Sache eintreten.

Letztes Jahr führte der viel gepriesene „Shareholder Spring“ (Frühling der Aktionäre) der Londoner City zu nichts. Empörung über die Managergehälter bei WPP, Barclays, Trinity Mirror und anderen hatten nur wenige Auswirkungen. Während die Löhne insgesamt stagnierten, stieg das Einkommen der Topmanager um 12 Prozent. Meinungsumfragen zeigen, dass die Bevölkerung mit großer Mehrheit gegen die Spitzengehälter ist. Nur die Regierung und der Londoner Bürgermeister stehen zwischen den sehr Reichen und einer wütenden Öffentlichkeit. Der Bauernaufstand zeigt nun, dass sogar die britischen Minister die öffentliche Meinung nicht ewig herausfordern können.

Zu lang ignorierter Rachedurst

Tatsache ist, dass die Bankengemeinschaft diesen Rachedurst vier Jahre lang hat anschwellen lassen, ohne sich überhaupt darum zu kümmern. Schon seit den 1980er Jahren und der Deregulierung der Finanzmärkte gibt es in dieser Branche Nettogehälter, von denen in jedem anderen Berufsfeld keine Rede sein kann.

Das hatte nichts mit den freien Märkten zu tun, außer bei einer kleinen Gruppe von Tradern, die mit hohen Einsätzen spielen. Moderne Banker beziehen eine „ökonomische Rente“ daraus, oligopolistische Finanzleistungskartelle auszunutzen und dabei die Aktionäre auf Abstand zu halten. Die astronomischen Prämien der Händler sind asymmetrische Rückflüsse auf Kapital von Depot- und Aktieninhabern, deren Geld dem Risiko ausgesetzt ist. In jedem anderen Geschäftsbereich würden solche Boni als Firmendiebstahl betrachtet werden.

Keine Gewerkschaften verteidigen ihre Interessen so erbittert wie die reichen Berufe. Wie diese Woche bei den Rechtsanwälten zu sehen war, drohen sie, wenn man ihre großzügigen Gaben beschneidet, ihren Unmut an den Armen, an der Wirtschaft, an der Regierung und an allen anderen auszulassen.

Keine Spur von Reue

Die Banken heulen, durch die Prämiendeckelung werde ihre Raffgier „ins Ausland abwandern“. Das scheint übertrieben. Doch die EU-Reduzierungen könnten möglicherweise den Anstoß dazu geben, dass die Risikospieler aus dem überregulierten Europa nach Nord- und Südamerika sowie nach Asien gehen.

Das wäre für Großbritannien nicht nur eine gute Nachricht: Die Finanzbranche war der Hochkonjunktursektor der letzten 25 Jahre. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die toxischeren Tätigkeitsbereiche abwandern, und um diese ist es nicht schade.

So oder so haben die Banken sich die Schuld selbst zuzuschreiben. Sie sind mit ihren goldenen Flügeln zu nahe an der Sonne geflogen und nun hat sie der Zorn zum Schmelzen gebracht. Sie haben nur eine Ausrede vorzubringen: Die Habgier in der City war noch gar nichts im Vergleich zur Untauglichkeit bei der Bank of England und beim [britischen] Finanzministerium. Sie sind diejenigen, die das ganze Geld herausgescheffelt haben. Noch nie kann in der britischen Geschichte so viel auf eine so erfolglose Sache verschwendet worden sein. Und immer noch keine Spur von Reue.

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