Zur Sicherheit nach Brüssel

Die nukleare Sicherheit darf nicht allein in den Händen der Mitgliedsstaaten liegen, meint Respekt. Eine gemeinsame Aufsicht würde den Anhängern der Kernenergie einerseits zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen. Andererseits wäre so der Einfluss der Energieriesen auf die Politik eingeschränkt.

Veröffentlicht am 9 Juni 2011 um 15:46

Hatte der tschechische Ministerpräsident Petr Nečas Recht, als er auf seiner Deutschlandreise Anfang Juni erklärte, dass die Tschechen, was ihre eigene Kernenergie angeht, sämtliche Entscheidungen eigenständig treffen sollten? Eine für uns ausgesprochen heikle Frage. Würden wir uns aber von unseren „Anti-Brüssel-Vorurteilen“ befreien und nicht mehr so krampfhaft an unserer „Souveränität“ festhalten und das Problem rationaler angehen, dann würde die Antwort wie folgt lauten: Nein, sie sind weder dazu gezwungen, noch sollten sie ganz allein entscheiden.

Für die Schaffung einer einzigen europäischen Behörde für nukleare Sicherheit gibt es mehrere Gründe. Kernenergie ist ein Bereich, der nicht ausschließlich im Ermessen der Mitgliedsstaaten liegen sollte. Ein Unfall zieht schließlich weitreichende Folgen nach sich. Darüber hinaus genießen die staatlichen Atombehörden nicht das notwendige Vertrauen. Das trifft vor allem für die Tschechische Republik zu, wo die Frage der Atomkraftwerke so leidenschaftliche Debatten auslöst, dass die Vorsitzende der tschechischen Behörde für Nukleare Sicherheit – noch bevor sie offiziell ihr Amt angetreten hat – persönlich zur nächsten Eröffnung erscheint. Eine unabhängige Atombehörde, die eine gesunde Portion Skepsis an den Tag legt, hätte nie so gehandelt.

Berücksichtigt man allein die wachsende Vielfalt an Atomenergiekonzepten, so scheint eine gemeinsame Atomaufsicht für wieder andere die logische Konsequenz zu sein. Denkt man an die Bemühungen um eine gemeinsame Politik in Bereichen wie der Sicherheits-, der Finanz-, der Visa- und der Kartellpolitik, etc., wird klar, dass die Mitgliedsstaaten in diesem Risikosektor langfristig nicht mehr an ihrer eigenen Herangehensweise festhalten und ausschließlich landeseigene Kontrolleure beschäftigen können.

Politischer Druck würde abperlen

Solange es eine wie besessene Anti-Atom-Bewegung nur im kleinen Österreich gab, konnten wir diese noch als lokale Eigenheit abtun. Als sich das große Deutschland aber plötzlich auf seine Seite schlug, machte sich die Angst vor der Kernenergie in der ganzen EU breit. Von nun an können wir nicht mehr ignorieren, dass Kernenergie gegenseitiges Misstrauen schürt. Eine europäische Atomkontrolle gäbe politischem Druck nicht nach. Eine europaweite Überwachung ließe sich nicht von den großen Energieunternehmen bestechen.

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Obendrein könnten selbst die Verfechter der Atomkraft von dieser Kompetenzübertragung profitieren. Schließlich wird es viel schwieriger sein, das Gütesiegel einer europäischen Behörde infrage zu stellen (in der die Deutschen übrigens über Vertreter verfügen könnten), als die Genehmigungen der kleinen tschechischen Atomgemeinschaft, in der sich jeder kennt.

Ein einziger Blick auf die Tabellen von Eurostat genügt um zu begreifen, dass die Strompreise in den ehemaligen kommunistischen Staaten und den großen Stromexport-Ländern (Frankreich und Griechenland) am niedrigsten sind. Tschechien fällt in beide Kategorien: Hier gibt es preisgünstige Kohle und Atomenergie – das kommunistische Erbe. Fast die gesamte Produktion [des Kraftwerks in Temelin] wird exportiert. Trotzdem ist Strom nicht günstig. Die Preise gehören zu den höchsten der EU (in Deutschland ist Strom derzeit billiger). Deutschland baut gerade die modernsten Energieparks der Welt. Und der staatliche ČEZ-Konzern [tschechischer Stromanbieter] passt seine Strompreise nur sehr langsam an die Leistung seines Nachbarn an. Eine ernsthafte Modernisierung hat er nicht einmal in Erwägung gezogen. (jh)

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