Das war der leichtere Teil. Antonis Samaras bei seiner letzten Wahlkampfrede, Athen, 15. Juni 2012.


Politischer Neustart mit alter Besetzung?



Der konservative Wahlsieger Antonis Samaras könnte jetzt eine Koalition für das Spar-Memorandum bilden. Griechenland hat dann eine Zukunft, glaubt die Athener Tageszeitung Kathimerini, zumindest wenn Politiker eine bisher zu vernachlässigte Tugend an den Tag legen: Verantwortungsbewusstsein.

Veröffentlicht am 18 Juni 2012 um 14:55
Das war der leichtere Teil. Antonis Samaras bei seiner letzten Wahlkampfrede, Athen, 15. Juni 2012.

Familienväter, Bürger, Menschen, die ihre Steuern zahlen und hart arbeiten, haben gestern ihre Arbeit getan. Sie haben die Nea Dimokratia zur ersten Partei gewählt, sie haben die PASOK unterstützt, damit es eine verantwortliche Koalition gibt, und einige haben Fotis Kouvelis von der Demokratischen Linken gewählt [einem ehemaligen Reform-Flügel der Syriza, der sich 2010 von dem Linksbündnis abspaltete].

Jetzt müssen allerdings auch die Politiker, denen sie ihr Vertrauen geschenkt haben, das Ihrige tun. Die Vorsitzenden der bürgerlichen Parteien haben diesmal nicht das Recht, bei ihrer Mission zu scheitern. Es ist keine einfache Geschichte, das Land in dieser kritischen Stunde zu regieren.

Was wir brauchen, sind Politiker, die zu Kamikaze bereit sind, keine klassischen Volksvertreter, die gleich das Zittern kriegen, wenn es auf ihre politischen Kosten geht und zu Reaktionen des Volkes kommt. Und ehrlich gesagt, herrscht in den Parteien nicht gerade Überfluss an den Tapferen oder besonders Fähigen.

Nun müssen allerdings alle involvierten Politiker, auch [Syriza-Chef] Alexis Tsipras, sämtliche Erwartungen übertreffen und mit enormer Effizienz und mit Verantwortungsbewusstsein die Geschicke des Landes lenken, damit wir den gewaltigen und unmittelbaren Gefahren entkommen. Keiner kann behaupten, er „wisse nicht“, in welcher Lage sich das Land genau befindet. Keiner darf Verantwortungslosigkeit an den Tag legen, nur weil ihm das Volk die Rolle der Opposition übertragen hat. Wir sitzen alle im selben Boot.

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Ein wenig Zeit gewonnen

Antonis Samaras hat einen harten Kampf gekämpft und ihn trotz vieler Schwierigkeiten gewonnen. Er weiß genau, dass der Stimmenanteil, den er auf sich vereinigt hat, Tausende von Wählern ausmacht, die ihn unterstützt haben, weil sie den Austritt aus dem Euro und den Sieg der extremen politischen Kräfte abwenden wollten.

Selten hat ein Politiker eine „dritte Chance“. Er darf sie nicht vertun. Er muss überall nach den Besten aus allen Gebieten suchen und darf nicht den Fehler begehen, dem Verein aus alten Parteikadern zu vertrauen, der geeilt kam, sich hinter ihm fotografieren zu lassen...

Der Spielraum für ein erfolgreiches Regieren des Landes ist klein, denn alles steht „auf Rot“, die Öffentlichkeit ist tief gespalten und unseren EU-Partnern geht die Geduld aus. Können wir es schaffen? Selbstverständlich, wir haben vielfach in unserer Geschichte bewiesen, dass wir die Partie in letzter Minute retten können, besonders, wenn Trotz und Ehrgefühl uns ergreifen.

Natürlich wird die Geduld und die Unterstützung unserer Partner und Kreditgeber nötig sein. Sie kennen nunmehr die griechischen Gegebenheiten, aber auch die Gefahren eines Zusammenbruchs des Landes. Das wichtigste ist, dass wir gestern Zeit gewonnen, Luft geholt und uns nicht ins Aus der Eurozone gesetzt haben.

Verbleiben wir bei dieser wichtigen Entwicklung und wollen hoffen, dass unsere führenden pro-europäischen Politiker sich selber, aber auch unsere Erwartungen übertreffen werden, wenn sie sich an den Konferenztisch des Präsidentenpalastes setzen. Mögen sie uns endlich angenehm überraschen!

Bestandsaufnahme

Ein zweigeteiltes Land

„Jetzt“ muss „eine Regierung“ her, titelt Ta Nea. Allerdings könnten die Regierungsverhandlungen schwierig werden. Antonis Samaras rief alle Parteien auf, ihn in einer „Regierung der nationalen Rettung“ zu unterstützen. Syriza aber schließt diese Möglichkeit aus. Und Pasok zögert noch, das Ganze ohne Syriza anzugehen.

Was immer auch geschehen wird: Aus dieser Wahl geht Griechenland als „zweigeteiltes Land“ hervor, schreibt die Tageszeitung. Und ein zweigeteiltes Land ist ein gebrandmarktes Land. Egal wer die Oberhand gewinnt. Dieser neue „landesweite Bruch“ ist auf drei Ebenen sichtbar, die nicht mehr viel mit der üblichen Spaltung in rechts und links, arm und reich, Zentrum und Peripherie zu tun haben.

Die erste Ebene ist die der Politik. Auf der einen Seite stehen Neo Demokratia, Pasok, die demokratischen Linken und die kleinen pro-europäischen Parteien. Auf der anderen Seite stehen Syriza, die Unabhängigen Griechen, die Goldene Morgendämmerung und all die kleinen außerparlamentarischen linksextremen Parteien. Beide Seiten wiegen etwa gleichschwer.

Die zweite Ebene betrifft Europa. Zum ersten Mal ist Europa keine Selbstverständlichkeit mehr.

Die dritte Ebene bezieht sich auf das Machtsystem, in dem das Volk den Staat in Frage stellt.

„Vor uns liegen turbulente Zeiten“, meint Ta Nea und führt fort: Positiv sei, dass das griechische Volk aktiv handelt. Negativ sei, dass aus diese Art von Auseinandersetzung nicht nur ein Sieger hervorgeht, sondern auch viele Verlierer...

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