"Unseren gleichgeschlechtlichen Partner heiraten zu können, ist für uns eine Frage der Gleichberechtigung mit heterosexuellen Paaren. Heiraten, wen und wo ich will. In meinem Land habe ich keine Wahl. Es ist verboten", seufzt Juris Lavrikovs aus Lettland, Kommunikationsmanager der ILGA-Europa, des weltweiten Verbands für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen. Die Nichtregierungorganisation wird Ende Juli ein Dokument über die Rechte von Homosexuellen in Europa veröffentlichen. Die Bilanz ist vernichtend. Von 58 Ländern erlauben nur 5 Länder Ehen von schwulen oder lesbischen Paaren.
Die Niederlande waren 2001 das erste Land, das die Homo-Ehe erlaubte, gefolgt von Belgien 2003, Spanien 2005, Norwegen 2008 und Schweden im vergangenen April. Die schwedische Regierung ist auch die erste, die in ihrer Gesetzgebung die Verweigerung einer religiösen Heirat für homosexuelle Paare untersagt. Individuell darf zwar ein Pastor die Trauung verweigern, doch ist die Evangelisch-Lutherische Kirche verpflichtet, einen Pastor für schwule Paare, die eine religiöse Zeremonie wünschen, bereitzustellen. In Belgien ist die Homo-Ehe auch für Ausländer erlaubt, sofern einer der Partner belgischer Staatsbürger ist oder in Belgien seinen Wohnsitz hat. Diese Anerkennung rief oftmals heftige Debatten hervor. In Spanien beispielsweise mobilisierten sich Bischöfe und Vertreter der konservativen Partido Popular und organisierten Demonstrationen in Straßen Madrids.
Zivile Lebensgemeinschaft
Im Rest von Europa ist die Situation recht konfus. "Achtung ! Machen Sie es nicht, wie die traditionellen Medien. Unterscheiden Sie nicht zwischen Ost- und Westeuropa. Länder wie die Tschechische Republik, Slowenien und Ungarn sind wesentlich toleranter als Italien oder Griechenland", stellt Juris Lavrikos fest.
Viele Länder, die den Weg des Fortschritts gehen wollen, aber sich vor den Reaktionen ihrer Öffentlichkeit fürchten, bieten Alternativen zur Homo-Ehe an. Am 1. Oktober 1989 war Dänemark das erste Land überhaupt, dass eine "eingetragene Lebensgemeinschaft" für Homosexuelle mit denselben Rechten wie die Ehe schuf, mit Ausnahme von Insemination und Adoption. Frankreich führte 1999 den PACS ein, den zivilen Solidaritätspakt. Mit einem PACS kann eine Person die Sozialversicherung seines Lebenspartners in Anspruch nehmen und die Partner sind zur gegenseitigen materiellen Hilfe bei Schulden oder laufenden Lebenskosten, beispielsweise der Wohnung, verpflichtet.
In Deutschland sichert seit dem 1. August 2001 die Eingetragene Lebensgemeinschaft, homosexuellen Paaren ähnliche Rechte zu wie die Ehe, mit Ausnahme von Steurrecht und Adoption. Das portugiesische Recht erkennt Lebensgemeinschaften von Menschen an, die seit mehr als zwei Jahren zusammen leben, unabhängig vom Geschlecht. In Kroatien wird vom Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nur das Recht auf "gegenseitige materielle Hilfe" und sowie der Erbanspruch anerkannt.
In Großbritannien wurde am 5. Dezember 2004 das Gesetz "Civil Partnership", die zivile Lebensgemeinschaft, verabschiedet. Es spricht Homosexuellen dieselben Rechte wie Heterosexuellen zu.
Im Jahr 2006 legalisierten die tschechischen Abgeordneten den Status der homosexuellen Lebensgemeinschaft, trotz des Vetos von Präsident Vaclav Klaus. Im Dezember 2007 verabschiedete die linksliberale Regierung Ungarns ein Gesetz zur Registrierten Lebensgemeinschaft, das schwule und lesbische Paare legal anerkennt. Der Status des "Lebenspartner" ermöglicht es, einen Kredit aufzunehmen und sichert ein Recht auf Erbschaft und steuerliche Abschläge.
Homoskeptiker
"In den anderen Ländern muß noch Aufklärungsarbeit geleistet werden, denn der Widerstand gegenüber der Homo-Ehe ist sehr stark", erklärt Juris Lavrikovs. In Polen, Griechenland, Lettland, Zypern, Bulgarien und Rumänien sprechen sich 80 Prozent der Bevölkerung gegen die Homo-Ehe aus, wie 2007 eine Umfrage der Europäischen Kommission feststellte. "Darüber hinaus kann die Europäische Union nicht am Familienrecht rütteln", bedauert Juris Lavrikovs. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befasste sich mehrmals mit der Frage und ist der Ansicht, dass ein nur zweigeschlechtlichen Paaren vorbehaltener Ehestatus zu den staatlichen Prärogativen gehöre und keine Diskriminierung darstelle. Trotz dieser Reserven bieten manche Politiker ihren nationalen Gesetzen die Stirn, um die Sache voranzutreiben. Ein griechischer Bürgermeister auf der kleinen Insel Tilos (in der Ägäis) traute Anfang Juni zum ersten Mal zwei homosexuelle Paare. Möglich wurde dies, da das griechsche Parlament 1982 ein Ehegesetz verabschiedete, welches nicht präzisiert, dass eine Ehe nur zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts geschlossen werden kann.
"Es gibt noch ein weiteres Problem. Wenn zum Beipiel ein homosexuelles Paar in Belgien heiratet und einer der Partner eine Arbeit in Polen annimmt. Ziehen die beiden dort hin, wird ihre Ehe dort aber nicht anerkannt", bedauert Juris Lavrikovs. Für die Aktivisten, die für die Gleichberechtigung von Homosexuellen kämpfen, bleibt nocht viel zu tun. Ihr Kampf ist noch jung. Am 17. Mai 2005 wurde zum ersten Mal der Internationale Tag gegen Homophobie organisiert. Und es ist erst fünfzehn Jahre her, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO die Homosexualität von der Liste der Geisteskrankheiten strich…
von Séverine Lenglet
Übersetzung : Ann-Christin Doms
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