John Dallis Abgang hätte eigentlich reibungslos über die Bühne gehen sollen. Aber der Rücktritt des EU-Gesundheits- und Verbraucherschutzkommissars infolge seiner Namensnennung in einer Bestechungsaffäre, aufgedeckt durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), mausert sich zu einer ausgewachsenen Politikaffäre. Peinlich ist sie vor allem für Brüssel.
Im Herkunftsland des Kommissars fasst die Times of Malta die neuesten Entwicklungen in ihrer Überschrift zusammen: „Barroso warnt Dalli. Generalstaatsanwalt leitet den EU-Bericht an die Polizei weiter.“ Und: „Ein Mitglied des unabhängigen Überwachungsausschusses von OLAF hat sein Amt aufgrund von Verfahrensverstößen niedergelegt“.
Am 24. Oktober forderte der Präsident der EU- Kommission Dalli dazu auf „sich integer zu benehmen“ und „Anspielungen auf die Umstände seines Rücktritts [vom 16. Oktober]“ zu unterlassen. „Die Kommission könnte von ihrem Recht der Zwangsenthebung Gebrauch machen“, so das Blatt. Dadurch würde der ehemalige maltesische Kommissar aber „seine saftige Abfindung und seine Rente“ einbüßen.
Dalli hatte zuvor die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen und angekündigt, die Rechtmäßigkeit seines Rücktritts in Malta oder auf europäischer Ebene juristisch prüfen zu lassen. Nach Dallis Aussagen habe der Präsident der EU-Kommission ihn zum Rücktritt gezwungen.
Am 24. Oktober passierte aber noch einiges mehr: Der maltesische Generalstaatsanwalt beauftragte die Polizei mit eigenen Ermittlungen. Fast zeitgleich gab der Vorsitzende des Überwachungsausschusses von OLAF, Christiaan Timmermans, seinen Rücktritt bekannt. Damit protestierte Timmermans dagegen, dass OLAF die belastenden Unterlagen an die maltesische Behörden weitergereicht hatte, ohne den Ausschuss davon in Kenntnis zu setzen, so berichtet die FAZ.
„John Dalli in die EU-Kommission zu schicken war ein hohes Risiko. Zu 99,9 Prozent stand fest, dass Malta diese Entscheidung um die Ohren fliegen würde“, kommentiert die The Malta Independent-Kolumnistin Daphne Caruana Galizia die Affäre. Ihrer Meinung nach hätte der Ex-Kommissar „nie für ein solch wichtiges Amt nominiert werden dürfen“. Die Tatsache, dass man ihn doch in die EU-Kommission entsandte...
...zeigt den Mangel an Respekt für die Kommission und das Amt. [...] Jetzt ist er für das ganze Land peinlich. Er aber blamiert sich weiter und beweist der Öffentlichkeit immer mehr, dass er den Aufgaben nicht gewachsen war und sich viel besser für eine Zirkusnummer eignet. [...] Gibt es denn wirklich niemanden, der Dalli daran hindern könnte, noch tiefer zu sinken? Scheinbar nicht. Das Beunruhigendste an dieser Affäre aber ist wohl, dass ihn weniger der Verlust seines Amtes grämt, sondern der damit verbunden Vorzüge.
In der Kolumne der Times of Malta wird Dallis Rücktritt dagegen sowohl als „umstritten“ als auch „mysteriös“ bezeichnet:
Dalli spricht von einer Verschwörung. Die Tatsache, dass der OLAF-Untersuchungsbericht, der seinen Rücktritt auslöste, noch immer nicht veröffentlicht wurde, heizt die Kontroverse an und verhindert, dass der mysteriöse Schleier gelüftet wird. Je schneller der Bericht veröffentlicht wird, desto besser für alle: Nicht nur für den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, der Dallis Rücktritt gefordert hatte, sondern auch für den [maltesischen] Regierungschef Lawrence Gonzi, der diese Entscheidung annahm.
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