Einen Monat vor den Regional- und Europawahlen in Belgien trübt eine neue Polemik die Beziehungen zwischen Flamen und Wallonen. Mehrere flämische Gemeinden im Brüsseler Umland haben sich gegen das Anbringen französischsprachiger Wahlplakate ausgesprochen, was auf wallonischer Seite Empörung auslöste. In Halle sieht ein polizeilicher Erlass — von dem Le Soir Ausschnitte veröffentlicht — vor, dass nur flämische Parteien ihre Plakate auf die eigens dafür vorgesehenen kommunalen Anschlagstafeln kleben dürfen. Die Behörden von Affligem erklärten, dass sie die frankophonen Wahlplakate mit weißen Papier überkleben würden.
La Libre Belgique präzisiert, dass "sieben BHV-Gemeinden (Brüssel-Halle-Vilvoorde- dem einzigen zweisprachigen Wahlbezirk Belgiens) überhaupt keine Wahltafeln anbringen werden, um Aushänge in französischer Sprache zu unterbinden".
Wenn auch die Stadt Brüssel zu 90 Prozent frankophon ist, so befindet sich das Brüsseler Umland in Flandern, wo Flämisch die einzige Amtssprache ist. Die ca. 100.000 französischsprachigen Bürger, die in diesen schicken Vororten leben, so wie die ihnen gewährten sprachlichen Sonderregelungen, erwecken den Unmut der flämischen Parteien. Diese wollen u.a. die 40 Gemeinden des BHV aus dem Wahlkreis Brüssel herausnehmen. Als Zeichen ihres Unmuts haben fünfzehn Gemeinden beschlossen, zum Boykott der Wahlen am 7. Juni aufzurufen, um so gegen das Fortbestehen dieser Nicht-Trennung zu protestieren.
"Die Obstruktionsmanöver der Flamen des Brüsseler Umlandes, die das Anbringen von französischsprachigen Wahllisten verhindern wollen, sind mehr als einfache Schikanen" kommentiert Le Soir, der von der zunehmenden Empörung der frankophonen Parteien berichtet. "Der Präsident der Brüsseler Sektion der Sozialistischen Partei hat (diese) grotesken und dazu völlig illegalen Manöver aufs Schärfste verurteilt." Für ihn handelt es sich dabei schlicht um "einen Prozess sprachlicher und politischer Säuberung." La Libre Belgique spricht sogar von "Vorwahls-Apartheid" und von "Leugnung demokratischer Grundrechte". "Die Situation verschärft sich", schreibt Le Soir. Die Zeitung kündigt an, dass "Juristen der frankophonen Parteien bereits gerichtliche Schritte" gegen die Behörden von Halle und Affligem ins Auge fassen.
Die flämische Presse behandelt das Thema eher zurückhaltend. De Standaard und De Morgen, die beiden großen regionalen Tageszeitungen, berichten lediglich über die Fakten. De Morgen lässt dennoch Lodewijk de Witte, Gouverneur des flämischen Brabant, zu Wort kommen. Er erklärt, warum er die sieben Gemeinden seines Bezirks nicht gezwungen hat, Wahltafeln aufzustellen, und das trotz eines Rundschreibens des Innenministeriums, das aufrief, "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Wahlen des 7. Juni gesetzmäßig ablaufen können". "Ich bin dafür verantwortlich, dass die Wahlen gesetzmäßig ablaufen, doch gibt es kein Gesetz, das uns zwingt diese Tafeln aufzustellen." Der Abgeordnete präzisiert zudem, dass "ein Rundschreiben eine Empfehlung ist und nicht rechtlich verbindlich."
Künftig wird diese Schlacht also gerichtlich ausgetragen werden.
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