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Zwischen europäischen Bestrebungen und dem Einfluss des Kremls hin- und hergerissen, geht Rumänien erneut zur Wahl

Bei den Präsidentschaftswahlen vom 4. bis 18. Mai treffen die proeuropäischen Kandidat*innen auf die von Moskau unterstützten Populisten. Der rumänische Schriftsteller und Aktivist Radu Vancu erklärt die Ursprünge, Ambitionen und Erfolge der prorussischen Kräfte.

Veröffentlicht am 29 April 2025
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Rumänien stand seit dem Sturz von Ceaușescu im Jahr 1989 nicht mehr so im internationalen Fokus wie jetzt. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der indirekten Angriffe Russlands auf die Union gilt die Affäre um die manipulierten Präsidentschaftswahlen als Pilotfall von hoher Symbolkraft: Die Stabilität des NATO- und EU-Mitglieds Rumänien steht für die Stabilität Europas.

Auf den unerwarteten Erfolg des rechtsextremen und prorussischen Kandidaten Călin Georgescu, der den ersten Wahlgang im November 2024 gewonnen hatte, folgte eine Neuauszählung der Stimmen. Schließlich wurde die Wahl vom Verfassungsgericht annulliert wegen des Verdachts auf russische Einflussnahme. Nach verspäteten Ermittlungen wurde Georgescu beschuldigt, Dokumente zur Finanzierung seines Wahlkampfes gefälscht und faschistische und fremdenfeindliche Gruppen gegründet zu haben. Nachdem er für die Neuwahlen im Mai erneut kandidiert hatte, wurde er vom Zentralen Wahlamt und dem Verfassungsgericht wegen extremistischer Aktivitäten ausgeschlossen. Die Ermittlungen diesbezüglich laufen noch.


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Was ist seitdem in Rumänien passiert und wie ist die Stimmung kurz vor den Wahlen? Zunächst übernahm Ilie Bolojan (National-Liberale Partei, NLP) als Interimspräsidenten die Nachfolge von Klaus Iohannis. Für das Präsidentenamt kandidieren nun 11 Politiker*innen. Unter ihnen die proeuropäische Präsidentin der Union zur Rettung Rumäniens (USR, Liberale), Elena Lasconi, die bei den Wahlen im November den zweiten Platz belegte und seitdem als Verfechterin der Demokratie gilt. Jedoch entzog ihr die USR angesichts ihrer schwachen Ergebnisse bei den Wahlumfragen (5 %) die Unterstützung zugunsten des Bukarester Bürgermeisters Nicușor Dan.

Nach einer Mitte April veröffentlichten AtlasIntel-Umfrage liegt Dan, der die USR gegründet hat, mittlerweile aber parteilos ist, bei 21,2 % der Stimmen. Vor ihm liegt Crin Antonescu, der Kandidat der proeuropäischen Regierungskoalition (Sozialdemokratische Partei, NLP und Union der Ungarn Rumäniens) mit 24,7 %. Auf Platz eins kommt George Simion von der Allianz für die Union der Rumänen (AUR, rechtspopulistisch) mit 33,4 %, der nun anstelle von Georgescu für die Rechtsextremen ins Rennen geht. Letztere stellen mittlerweile ein Drittel des Parlaments zusammen mit der Jugendpartei von Anamaria Gavrilă und der S.O.S.-Partei von Diana Șoșoaca. An vierter Stelle steht der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Victor Ponta (9,7 % der Stimmen), der nun als Parteiloser eine rechtspopulistische Kampagne im Trump-Stil führt.

Radu Vancu

Die Zivilgesellschaft spielte bei den Demonstrationen nach der Absage der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen eine wichtige Rolle, sowohl im proeuropäischen als auch im populistischen Lager. Wir sprechen darüber mit dem rumänischen Schriftsteller und Literaturprofessor Radu Vancu. Der 1978 geborene Aktivist ist Autor des Manifests für Europa, das am 15. März vorgestellt wurde. Als Mitglied der Gruppe für den sozialen Dialog, einer historischen Organisation ehemaliger Dissident*innen des kommunistischen Regimes, nahm Vancu auch an den Protesten von 2017-18 gegen die Justizreformen der damaligen sozialdemokratischen Regierung teil. Er war treibende Kraft der Bewegung Vă vedem din Sibiu („Wir sehen euch aus Hermannstadt“), deren Protestaktionen sich damals von der Stadt in Siebenbürgen auf das gesamte Land ausgebreitet hatten.

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