Fabian wippt auf einem Ball, seine wenige Monate alte Tochter Josefine* in einer Trage vor der Brust. Seine Partnerin Anna* und er sind mittels einer Eizellspende aus Estland Eltern geworden.
Anna hatte als junge Frau eine Operation, bei der ihr beide Eierstöcke entfernt wurden. „Es war immer klar, dass wir auf eine Kinderwunschklinik und eine Eizellspende angewiesen sind, wenn wir ein Kind möchten“, erzählt sie. In Österreich ist die Eizellspende seit 2015 erlaubt, in der Praxis gibt es hierzulande jedoch kaum Spenderinnen. Denn für eine Eizelle darf kein Geld fließen, auch die kommerzielle Vermittlung ist verboten. Anna und Fabian sehen sich daher im EU-Ausland um.
Damit sind sie nicht allein. Wer medizinische Unterstützung benötigt, um eine Familie zu gründen, findet in jedem EU-Land andere Bedingungen vor. In Österreich dürfen nur Menschen in einer Partnerschaft Fruchtbarkeitsbehandlungen in Anspruch nehmen. Seit 2015 schließt das auch lesbische Paare ein.
Sie können sich an den österreichischen IVF-Fonds wenden, der 70 Prozent der Kosten für eine IVF-Behandlung übernimmt. Der beim Gesundheitsministerium angesiedelte Fonds unterstützt bis zu vier Versuche, sofern bestimmte Erkrankungen vorliegen und die Altersgrenze von 40 Jahren nicht erreicht ist. Doch alleinstehende Frauen bleiben außen vor. Und wer wie Anna und Fabian eine Eizellspende benötigt, muss sie selbst bezahlen.
Ein Kuvert mit 1000 Euro
Die Hälfte aller Eizellspenden in der gesamten EU kommt von Spanierinnen. Mehr als ein Drittel davon werden für Patientinnen aus dem Ausland durchgeführt. Alba spendete im Frühling 2023 in Madrid zum ersten Mal Eizellen. Damit wollte sie anderen Menschen helfen, sagt sie. „Ich dachte immer, ein Kind, das durch eine Eizellspende entsteht, muss besonders glücklich sein, weil es so sehr gewollt wurde.“
Eine zweite Eizellspende machte Alba dann aus finanziellen Gründen: „Beim ersten Mal bin ich mit einem Kuvert mit 1000 Euro in 50-Euro-Scheinen aus der Klinik gegangen.“
Das deckt sich mit dem, was die European Society for Human Reproduction and Embryology (ESHRE) in einem Positionspapier festhält: Die durchschnittliche Aufwandsentschädigung für Eizellspenderinnen in Spanien liege bei rund 900 Euro – eine vergleichsweise hohe, wenn auch nicht die höchste Entschädigung in der EU. Jede vierte Spenderin in Spanien ist Studentin. Ihre Identität wird geschützt: Wunscheltern und ihre Kinder erfahren nicht, wer die Eizelle gespendet hat.
Anna und Fabian ist wichtig, dass ihre Eizellspende nicht anonym ist. „Wir wollten immer, dass Josefine weiß, wie ihre Entstehungsgeschichte ist“, sagt Anna. „Dass sie die Möglichkeit hat, diese Person kennenzulernen, falls es für sie in ihrer Lebensgeschichte wichtig ist oder sie dieses Puzzleteil braucht.“
In beinahe der Hälfte aller EU-Länder ist das nicht möglich. Anna und Fabian finden eine kleine Kinderwunschklinik, die mit einer Eizellbank in Estland zusammenarbeitet. Ihr Kind hat dadurch die Möglichkeit, zumindest einmal Kontakt mit der Spenderin aufzunehmen, wenn es volljährig ist.
Das goldene Ei
Koordinatorinnen der Klinik und der Eizellbank suchen eine Spenderin heraus, die Anna ähnelt. Bald darauf bekommen sie eine kurze, anonymisierte Liste mit Augenfarbe, Haarfarbe, Gewicht, Körpergröße, Hobbys und Ausbildung der möglichen Spenderin. „Der Moment, als uns die Liste zugeschickt worden ist, war ziemlich schräg“, sagt Anna. „Ist es wirklich wichtig, ob sie blonde oder braune Haare hat oder die gleiche Augenfarbe wie ich?“ Anstatt mehrere Listen zu studieren, entscheiden Anna und Fabian schließlich, es mit der ersten Spenderin zu versuchen. „Im Endeffekt haben wir gesagt, dass es eigentlich egal ist“, sagt Fabian. „Weil das Baby dann sowieso in Annas Bauch ist.“
Fabians Samen und die Eizellen der Spenderin werden in Estland zusammengeführt. Es entstehen drei Embryonen, die in die Kinderwunschklinik in Österreich gesendet werden. Schon beim ersten Versuch wird Anna schwanger, verliert das Baby aber in der siebten Woche. Der Transfer der zweiten Blastozyste schlägt fehl. Nach Untersuchungen und einer Reihe von Infusionen funktioniert es beim dritten und letzten Mal. Josefine kommt nach einer „Bilderbuchschwangerschaft“ zur Welt.
„Was die Transferbehandlung angeht, ist man gut unterstützt“, sagt Anna über das Einsetzen der befruchteten Eizelle. „Der IVF-Fonds übernimmt wirklich viel. Aber ab dem Zeitpunkt, wo man auf Spenden angewiesen ist, ist man komplett auf sich allein gestellt.“ Insgesamt haben sie für die Eizellspende, Behandlungen und Untersuchungen rund 10.000 Euro bezahlt. „Wir nennen sie unser goldenes Ei“, sagt Fabian mit Blick auf Josefine.
Paare werden in den allermeisten Staaten in ihrem Kinderwunsch unterstützt. Weniger Freiheiten haben alleinstehende Frauen. Laut der Interessenvertretung Fertility Europe dürfen Singles in 37 europäischen Ländern eine Samenspende, in 31 Ländern auch eine Eizellspende in Anspruch nehmen. Doch Österreicherinnen, die ohne Partnerschaft Mutter werden möchten, müssen ins Ausland.
Alleine im Dickicht
Eine von ihnen ist Ariane*. Mit Anfang 40 beschließt sie, es zu versuchen. „Was soll's, dann ziehe ich das einfach allein durch“, schildert sie ihre damaligen Gedanken. „Ich möchte nicht in fünf Jahren bereuen, dass es mit dem Kinderwunsch nicht geklappt hat, nur weil ich jetzt keinen passenden Partner habe.“
Dass sie ins Ausland muss, ist von Anfang an klar. Doch Informationen sind schwer zu finden. „Es ist in jedem Land anders, teilweise auch von Klinik zu Klinik. Es gibt andere Gesetze. Man hat überall andere Altersgrenzen. Manche Länder nehmen nur Paare“, zählt Ariane auf. „Es ist ein Dickicht.
„Ich empfinde es als Skandal, dass man als Singlefrau so stigmatisiert wird“ – Ariane
Bald stößt sie auf Cryos International. Die Firma mit Sitz im dänischen Aarhus ist laut eigenen Angaben die größte Eizell- und Samenbank der Welt und liefert in über 100 Länder. Seit ihrer Gründung in den 80er-Jahren trägt sie wesentlich dazu bei, dass Dänemark eine der wichtigsten Destinationen für Fruchtbarkeitsbehandlungen in Europa ist. Auch die Gesetze dort sind liberal, künstliche Befruchtung alltäglich. Rund zehn Prozent aller dänischen Babys werden durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung geboren. Viele sind die Kinder sogenannter solomors, alleinstehender Mütter.
Ariane sieht sich hunderte Spenderprofile an. „Ich habe dann entschieden, dass ich einen nicht anonymen, offenen Spender brauche“, sagt sie. „Ich hatte sonst kein Gefühl, das war mir zu unheimlich.“
Beim Profil eines dänischen Studenten macht es Klick. Ariane reist nach Dänemark und lässt dort insgesamt drei IVF-Behandlungen durchführen. Keine davon führt zu einer Schwangerschaft. Dann bricht die Pandemie aus.
„Ich habe komplett Panik bekommen“, sagt Ariane. Flugzeuge bleiben auf dem Boden, sie kann nicht nach Dänemark zurück. Ihre einzige Möglichkeit ist München. In Bayern ist IVF für alleinstehende Frauen erlaubt, die Stadt mit dem Zug erreichbar. Drei weitere Zyklen lässt Ariane in Deutschland durchführen, doch alle schlagen fehl. „Das war richtig frustrierend, und ich war oft an dem Punkt aufzugeben“, sagt sie.
Die doppelte Spende
Sobald die Lockdowns aufgehoben werden, reist Ariane zurück nach Dänemark. Dort hält sie zum ersten Mal einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen, doch es ist eine sehr frühe Fehlgeburt. Auch bei den darauffolgenden Versuchen entwickelt sich trotz Symptomen keine bleibende Schwangerschaft. „Zu dem Zeitpunkt haben mir die Ärzte ganz klar zur Eizellspende geraten“, sagt sie. „Da war ich 45 Jahre alt.“
Ariane fällt es schwer, diese Idee zuzulassen. Ein halbes Jahr pausiert sie, denkt darüber nach. „Ich war in einer Schockstarre“, sagt sie. Sie liegt nun über der Altersgrenze für Behandlungen in Dänemark und über der Altersgrenze für Adoptionen in Österreich. Sie entscheidet sich für einen letzten Versuch – und für die Eizellspende. Überall stößt Ariane auf dasselbe Problem: „In den meisten Ländern suchen die Klinik oder die Ärzte die Spenderin aus." Sie möchte zumindest ein Bild der Frau sehen, ein Gefühl für sie bekommen. Wie Anna und Fabian landet sie schlussendlich in Estland.
In Tallinn findet Ariane eine Klinik, in der sie eine IVF-Behandlung mit ihren selbstgewählten Spendern durchführen kann. Auch Singles werden angenommen, die Altersgrenze hat sie dort noch nicht erreicht. „Das war die Nadel im Heuhaufen“, sagt Ariane. Nach insgesamt neun IVF-Zyklen, 16 Transfers und Reisen in drei EU-Länder klappt es schließlich. Ariane wird schwanger und bringt einen Sohn zur Welt.
„Ich empfinde es als Skandal, dass man als Singlefrau so stigmatisiert wird“, sagt sie heute. Nicht nur die Samenspende für alleinstehende Frauen ist in Österreich verboten, sondern auch das sogenannte Social Freezing – das Entnehmen und Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Notwendigkeit.
Mit steigendem Alter nimmt die Fruchtbarkeit ab, die Wahrscheinlichkeiten von Gendefekten zu. Die Möglichkeit, später im Leben auf bereits entnommene Eizellen zurückzugreifen, würde die finanziellen, körperlichen und psychischen Folgen des unerfüllten Kinderwunsches begrenzen. „Ich würde es trotzdem tausendmal wieder tun“, sagt Ariane heute. „Mein Ergebnis lacht mich jeden Tag an, und das war es wert.“
*Vornamen wurden geändert.
👉 Original article auf Der Standard
🤝 Dieser Artikel wurde im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts PULSE unter Mitarbeit von Andrea Muñoz von El Confidencial veröffentlicht.
Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
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