Ein Eigentor der EU

Die Lösung der Zypernkrise könnte als ein gelungener Versuch der Europäischen Union gesehen werden, sich mit einem Schlag von Steuerparadiesen und vom Einfluss Russlands im Mittelmeerraum zu befreien. Doch langfristig könne Moskau dennoch gestärkt aus der Partie hervorgehen, warnt ein tschechischer Journalist.

Veröffentlicht am 28 März 2013

Russland ist sauer. Vorsicht : Es wird wütend. Der Großteil der ausländischen Einlagen auf Zypern gehört russischen Unternehmen (das Gesamtvolumen wird auf zwischen 20 und 30 Milliarden Euro geschätzt). Der russische Präsident Wladimir Putin und sein Ministerpräsident Dmitri Medwedew haben deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die geplante, von ihnen so bezeichnte „Konfiszierung von russischen Guthaben als eine feindliche Geste betrachten. Für Medwedew verhält sich die Union wie „ein Elefant im Porzellanladen“, und er verglich die Pläne mit den Praktiken der Bolschewiken. Russlands Wut trifft auch Zypern. Das Land hätte versucht, „auf zwei Hochzeiten (mit der EU und Russland) gleichzeitig zu tanzen, als es Ende letzter Woche ein Rettungspaket vorstellte, in welchem eine Beteiligung des [russischen Kapitals] (3577521) an der wirtschaftlichen Sanierung vorgesehen war.

„Unsere Investoren haben kein Interesse"

Das Scheitern der zyprischen Delegation in Moskau hat gezeigt, dass der Kreml — im Gegensatz zu den Erwartungen der in Zypern präsenten russischen Unternehmen — eine langfristige politisch-wirtschaftliche Strategie verfolgt und sich nicht von ein paar schnellen Gewinnen blenden lässt. Das Vorschlag Zyperns reichte vom Aufkauf der verschuldeten Banken bis zu einer Beteiligung an den Gasvorkommen in den Hoheitsgewässern der Insel. „Unsere Investoren haben das Angebot untersucht, aber niemand zeigte Interesse“, fasste es der russische Finanzminister Anton Siluanow zusammen.

Doch für die meisten Russland-Experten besteht kein Zweifel, dass hinter dem „fehlenden Interesse“ der halbstaatlichen russischen Unternehmen eine Entscheidung von Präsident Putin steht. Sicher, die unmittelbaren Verluste der russischen Unternehmen nach der Besteuerung der Bankeinlagen werden sich auf hunderte Millionen, vielleicht gar einige Milliarden Euro beziffern, doch ebenso sicher ist es, dass es, auch mit aller offizieller Unterstützung seitens Zyperns, anders nicht möglich sein wird, Russlands strategische Position auf der Insel zu halten. Umso weniger, da die plötzliche Entwicklung der Zypernkrise in eine Zeit fällt, in welcher der russische Gasriese Gazprom als Folge der massiven Förderung von Schiefergas in den USA einen Gewinnrückgang hinnehmen muss. Jetzt in die Gasförderung in dieser von Erdbeben und politischer Instabilität bedrohten Region zu investieren, wäre ein unkalkulierbares Risiko.

Russlands Rache an der EU

Die Tatsache, dass Brüssel Moskau von der Krisensitzung ausgeschlossen hat, bestärkt Russland in seiner Linie, im eurasischen Raum ein Gegengewicht zur Europäischen Union aufzubauen, und zwar auf Kosten einer Politik, die eine Möglichkeit der engeren Zusammenarbeit mit der EU sucht. Eine Entwicklung, die den einflussreichen Persönlichkeiten des Kremls sehr gelegen kommt, beispielsweise dem Putin-Berater, Sergei Glajew, seines Zeichens Generalsekretär der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG).

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Der EU wird es gelingen, den zyprischen Hinterhof vom russischen Einfluss — sowohl auf finanzieller Ebene als auch beim Sammeln sensibler Informationen über die EU-Politik bei lokalen Quellen — zu befreien. Das wäre dann auch der einzige Gewinn, den sich die EU von der Krise erhoffen darf. Die Liste der Verluste aufgrund von Russlands Rache wird nach Meinung sowohl russischer als auch westlicher Experten sehr lang werden. Die Vergeltungsmaßnahmen reichen von der Besteuerung von Finanztransaktionen der EU-Unternehmen (vor allem der deutschen Firmen) über eine Verschärfung der Lizenzvergabe bis zum Lieblingsinstrument der russischen Verwaltung: „Razzien“ der Steuerbehörden, des Ordnungsamts, der Feuerwehr, usw..

Sorgen über die Unberechenbarkeit der EU

Offen bleibt, ob Russland im eigenen Land Gesetze zur Erleichterung von Finanztransaktionen einführen wird. In diesem Fall würde der russische Staat gestärkt aus der Krise hervorgehen, denn die Sorgen der heimischen Unternehmen über die unberechenbare „konfiskatorische“ Politik der Union dient seinen Interessen.

Wahrscheinlicher ist, dass Moskau sich verstärkt bemühen wird, den Rubel und den Yuan als Reservewährung durchzusetzen. Die Tatsache, dass das zyprische Krisenmanagement auch chinesische und indische Interessen bedroht, kann dabei nur hilfreich ein. Die EU hat sich mit ihrer Waffe des „Nationalismus“ zweifellos „ins eigene Fleisch geschnitten“. Außerdem hat sie ihrem Ruf geschadet. Die Sorgen über die Unberechenbarkeit der Europäischen Union wachsen, was anderen Mächten eine günstige Gelegenheit bietet, „alternative Zentren“ mit globalem Einfluss aufzubauen.

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