Dass Alexis Tsipras an diesem Dienstag im Anschluss an einen Besuch in Paris nach Berlin gekommen ist, kann man als Demonstration seines neue Selbstbewusstseins betrachten. Auf Einladung der Linkspartei will er in jenem Land für seine Ideen werben, das sich wie kein anderes der Austeritätspolitik verschrieben hat.
Die CDU signalisierte im Vorfeld hastig, dass man keinen Bedarf an einem Gespräch mit dem neuen Star der Linken habe, die SPD war unschlüssig. Tsipras bekommt auch so genug Aufmerksamkeit. Sobald im Reichstag Kameras in der Nähe sind, setzt er ein breites Lächeln auf, eines, das fürs normale Leben ein wenig zu groß erscheint, aber sehr einnehmend auf Bildern wirkt.
Tsipras bedankt sich höflich für den Empfang. Er spricht von der Solidarität unter den Völkern, sie dürften sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. „Wir kämpfen diesen Kampf auch für die deutschen Arbeitnehmer“.
Wenn er an die Macht komme, werde er als erstes die Schuldenzahlungen stoppen und die mühsam verhandelten Sparpakete für illegitim erklären, lautet Tsipras’ Versprechen an die griechischen Wähler. Außerdem kündigte er an, einen Großteil der griechischen Schulden ganz abzuschreiben und die Banken zu verstaatlichen. Linken Populismus werfen ihm seine Kritiker vor. Für Austeritätsanhänger ist Alexis Tsipras daher schlicht der „gefährlichste Mann Europas“.
In Griechenland, wo ein großer Teil der Bevölkerung durch die Krise an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit geführt wurde, wird er hingegen als Held gefeiert. Tsipras sieht gut aus und die Wähler lieben seinen jugendlichen Charme und die klaren Ansagen. Er ist, was die Griechen einen „Pallikari“ nennen, ein tapferer Junge, der sich keiner Autorität beugt.
Aus Athen
„Er sieht aus wie ein Anführer, aber er ist ein Mitläufer.“
Die griechische TageszeitungI Kathimerini ärgert sich über die Versprechungen des SYRIZA-Chefs:
Alexis Tsipras hat Recht: Man kann den Darlehensvertrag, der uns an unsere Kreditgeber bindet, zerreißen und zugleich den Euro behalten. Genauso wie man bezahlt werden kann ohne zu arbeiten, vom Dach springen kann ohne sich zu verletzen, so viel essen wie man will ohne zuzunehmen, trinken ohne betrunken zu sein und Diplome bekommen ohne zu studieren. Man kann tun, was man will, und die Konsequenzen im Griff haben.
Alexis Tsipras reist zur Zeit durch Europa, um die anderen führenden Politiker der radikalen Linken zu treffen. Die Zeitung aus Athen wirft ihm vor, die Augen vor der Realität zu verschließen:
Tsipras hat denselben Fehler wie viele seiner Vorgänger: Anstatt politische Antworten auf dringende Fragen zu geben, gefällt es ihm, einem Land zu schmeicheln, dessen tödliche Sünden eben die Schmeichelei und die Lüge sind.
Die plötzliche Schlussfolgerung lautet: „Er sieht aus wie ein Anführer, aber er führt nicht. Er ist ein Mitläufer.“