Nachrichten Lobbyismus im Brüssel

Alles Leute von E.ON

Lobbygruppen im Energie-Bereich beeinflussen die EU-Klimapolitik durch privelegierten Zugang zu den höchsten Entscheidungsträgern. Geleakte E-mail-Korrespondenz zwischen Joachim Balke, gegenwärtig Mitglied im Kabinett der europäischen Kommission und seinem früheren Arbeitgeber, E.ON, verdeutlichen das.

Veröffentlicht am 13 November 2015 um 08:05

Von seinem Büro im Headquarter der Europäischen Kommission in Brüssel, hatte Joachim Balke E-Mail-Dauerkontakt mit E.ON, eine der grössten Energiegruppen der Welt und Top-Energieanbieter im Vereinigten Königreich und in Europa.

Zwischen 2004 und 2008 war Balke Berater bei E.ON. Derzeit gehört er dem Kabinett von Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klima und Energie, an. Die Tatsache, dass er sich mit einer klima-unfreundlichen Firmenlobby im Dauerkontakt befindet, die zudem sein vormaliger Arbeitgeber war, findet das EU-Establishment keineswegs befremdlich.

Auch wird es von niemandem als mehr als zufällig gewertet, dass der deutsche Marktgigant E.ON zusammen mit BP, seit der Einsetzung der neuen Kommission Ende 2014, die meisten Kontakte mit Cañetes Büro hatte. Jeder der beiden Industrie-Schwergewichte hatte nicht weniger als 15 Treffen mit den Büros Cañetes und einem anderen Schlüsselkommissar, Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Energie-Union.

E.ON ist ein berüchtigtes Lobbyismus-Kraftwerk in Brüssel, mit einem Effektiv von 11 Vollzeitlobbyisten und einem Lobbyismus-Budget, das nach eigenen Angaben bei zwischen 2.000.000 und 2,249,999.10 Euro liegt. Es ist auch Mitglied vieler Wirtschaftsverbände, die sich dafür einsetzen wirkungsvolle Klimaaktionen zu verhindern. Und nun die Frage: Wer ist wohl der beliebteste Ansprechpartner der E.ON Lobbyisten unter den Kabinettsmitgliedern ? Es ist Joachim Balke.

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Sieben Treffen hatte E.ON mit Cañetes Kabinett – bei fünf davon war Balke dabei, in vier davon als einziges Kabinettsmitglied. Zudem hatte E.ON vier persönliche Gespräche mit Cañete. Es lohnt sich darauf hinzuweisen, dass auch Cañete ein ehemaliger Energiebaron in Spanien ist, wo seine Familie angeblich immer noch die Mehrheit an den zwei Öl-Gesellschaften hält, mit denen er in Verbindung stand.

Diese umstrittene Nähe grosser Energie- oder Treibstofffirmen zu den europäischen Spitzen-Entscheidern werden vom Corporate Europe Observatory (CEO) dokumentiert. Es handelt sich bei CEO um eine Research-and-Campaign-NGO, d.h. Sie stellt Nachforschungen an und organisiert Kampagnen, um die Einflussnahme der Multis in der EU öffentlich zu machen und herauszufordern.

Die jüngste CEO-Studie “Cooking the planet: Big Energy's year of privileged access to Europe's climate commissioners” (“Den Planet zum Kochen bringen: Das Jahr des heissen Drahts der Energie-Multis zu den europäischen Klimakommissaren”) zeigt den Umfang des Einflusses der Firmen auf die politische Arbeit der EU, indem sie die engen Verflechtungen zwischen denjenigen untersucht, die im inneren Kreis der Klima- und Energiepolitik der Kommission tätig sind und den Gruppen, die ein natürliches Interesse an der Aufrechterhaltung eines Business-Modells haben, das auf fossilen Energieträgern beruht. Die Studie beruht auf der Analyse von Daten der Treffen der Kommissare Miguel Arias Cañete und Maros Šefčovič, so wie ihrer Kabinettsbeamten während ihres ersten Amtsjahres.

Dazu kommt, dass Anfragen des CEO, die sich auf den freien Zugang zu Information berufen, enthüllen, dass Balke während seiner Zeit bei der Kommission regelmässig mit E.ON Vertretern in Kontakt stand und E.ON dabei behilflich war, Zugang zum Kabinett zu erhalten. So war der jetzige E.ON Vorstandsvorsitzende Joahnnes Teyssen, damals an der Spitze des Elektrizitäts-Lobbyisten Eurelectric, der erste Industrievertreter, den Cañete nach seinem Antritt als Kommissar empfing.

Below, email correspondence between Joachim Balke and E.ON, revealed by CEO

Allerdings ist Balke nicht die einzige Speerspitze innerhalb der Maschinerie der EU-Entscheidungsträger. Sein Kollege, Guy Lentz, Sonderreferent für Energiefragen bei Cañete, ist bezahltes Boardmitglied bei ENOVOS, einem der Hauptenergielieferanten in Luxemburg, der auch auf den Märkten in Deutschland, Frankreich und Belgien aktiv ist. Zudem ist er der Koordinator Luxemburgs für EU und internationale Angelegenheiten.

Cañetes Sprecheramt wollte keinen Kommentar zu der Frage warum Balke und Lentz keine Beispiele für einen Interessenkonflikt gemäss des Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder oder der Statuten der Beamten seien. “Dies bedeutet für die meisten Laute, dass diese Regeln das Papier auf dem sie gedruckt werden nicht wert sind, » sagt Pascoe Sabido, Research-Campaigner bei CEO. Wenn die Kommission ihre Regeln nicht verschärft, und damit zeigt, dass sie diese Fälle ernst nimmt, wird es für die Öffentlichkeit sehr schwer werden, die EU-Klimaziele ernst zu nehmen.”

Nicole Bockstaller, Pressesprecherin der Kommission verwies uns ganz allgemein auf den Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis, der lediglich allgemeine Leitlinien zum Verhalten offizieller Vertreter der EU mit der Öffentlichkeit enthält, ohne auf die spezifische Situation im Umgang mit Lobbyisten einzugehen.

Von daher ist es keine Überraschung, dass CEO herausfand, dass tatsächlich 80% der Lobby-Meetings Cañetes und Šefčovičs, bzw. Ihrer Kabinettsmitglieder mit Industrie-Lobbyisten stattfanden. Was Treffen mit Vertretern der Energieindustrie zur Diskussion der Klima- und Energiepolitik betraf, so kamen 74% davon mit den Herstellern fossiler Brennstoffe zustande, während die Vertreter nachhaltiger Energien kaum zum Zug kamen.

Auf 34 Treffen Šefčovičs mit Vertretern der schmutzigen Energie, kommt eines mit der nachhaltigen Industrie. Einem Treffen mit dem nachhaltigen Sektor, stehen 22 mit den Produzenten fossiler Brennstoffe gegenüber. Ganz allgemein betrachtet, sitzen den Kommissaren und ihren Kabinettsmitgliedern bei 30% aller Meetings, Vertreter von Firmen der schmutzigen Energien gegenüber.

“Diese Daten sind extrem beunruhigend, wenn man die Sensitivität der Themen in Betracht zieht, mit welchen die Kommissare im Verlauf des letzten Jahres betraut waren,” so Sabido in seinem Statement. Die industriefreundliche Politik zu Autoemissionen, der Energie Union, dem Handel mit Emissionslizenzen und den Verhandlungen zum kommenden UN COP21 Gipfel ist ein Spiegel dieses verstörend hohen Grades an Exklusivtreffen, der den Vertretern der schmutzigen Energien eingeräumt wird.

Die Studie von CEO enthüllt ausserdem, dass weder Cañete noch Šefčovič auch nur ansatzweise dem Versprechen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerecht werden, bei der Auswahl der Gesprächspartner der Kommissare « Ausgewogenheit und Repräsentativität » walten zu lassen.

Tatsächlich erhalten Vertreter zivilgesellschaftlicher Gruppen, wie NGOs oder Gewerkschaften nicht nur weit weniger Termine für Treffen mit den Spitzenrepräsentanten, sondern werden zudem auch viel öfter in grösseren Gruppen empfangen als Business-Vertreter, die zu Vier-Augen-Gesprächen mit den höchsten Funktionsträgern der Kommission empfangen werden.

Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht auf L'ambiente è di tutti blog auf La Repubblica.

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