Athen allein ohne Strauss-Kahn

Während Griechenland sich anschickt, einen neuen Kredit auszuhandeln, um der Krise zu entkommen, löst Dominique Strauss-Kahns Abgang vom IWF Besorgnis aus, denn – so schreibt Eleftherotypia – er gehörte zu denen, die das griechische Problem am besten verstanden.

Veröffentlicht am 16 Mai 2011 um 11:17

Eines der wesentlichen Probleme der Geschehnisse in New York liegt in seinen Auswirkungen auf die Eurozone und vor allem auf die Situation in Griechenland. Die Fachleute erwarten nun Komplikationen für letztere, denn „DSK“ war einer der internationalen Spitzenpolitiker außerhalb Europas, der die europäischen Herausforderungen und Probleme, insbesondere den Fall Griechenland, am besten kannte.

Er war der erste, der letztes Jahr den griechischen Antrag auf finanzielle Unterstützung annahm, noch bevor sich die Europäer dazu durchrangen, nach vielen Verhandlungen mit Deutschland. Er tendierte dazu, die Situation in Griechenland (und in den südlichen Ländern allgemein) besser zu verstehen als zahlreiche nordeuropäische Länder.

Am Sonntag den 15. Mai war ein Treffen mit der Kanzlerin Angela Merkel vereinbart, bei welchem er sie – wie von mehreren Quellen bestätigt – dazu auffordern wollte, Griechenland zum Zurückzahlen seiner Schulden mehr Zeit zuzugestehen. Er hatte als erster die Verlängerung der Rückzahlungsfrist für die griechischen Schulden unterstützt. Dieses Treffen wird nun nie stattfinden. Er sollte auch am folgenden Tag am Rat der europäischen Finanzminister der Eurozone teilnehmen, um im Hinblick auf den Gipfel der 27 im Juni Lösungen zu finden und schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Er wird an diesem Rat nicht teilnehmen.

Die Tatsache, dass „DSK“ Europäer ist und wahrscheinlich für das französische Präsidentschaftsamt kandidiert hätte, zwang ihn dazu, Europa und den schwachen Ländern mehr Interesse entgegenzubringen als etwa ein Asiat es getan hätte.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Diese plötzliche Tragödie zieht in Griechenland Konsequenzen nach sich, da noch vieles in der Schwebe hängt: Die Verhandlungen mit der Troika [Experten der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des IWF] über die Auszahlung des fünften Teils des 110-Milliarden-Euro-Kredits werden fortgesetzt. Ebenso wurden die Diskussionen über die Bewilligung eines neuen Kredits an Griechenland kaum eröffnet. Sie werden also ohne die Anwesenheit eines schwerwiegenden Akteurs wie „DSK“ beginnen. Die Zeit wird zeigen, ob das, was im New Yorker Hotel Sofitel passiert ist, den weiteren Verlauf des „Spiels“ entscheidet. (pl-m)

Aus Lissabon

Forderung strengerer Sparmaßnahmen?

Público befürchtet den wahrscheinlichen Abgang des Leiters des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn (DSK), gegen den wegen Vergewaltigung Anzeige erstattet wurde. Die Lissaboner Tageszeitung schreibt, dass „Portugal und Griechenland die flexible Betrachtungsweise des aktuellen IWF verlieren“ werden. Strauss-Kahns Abwesenheit bei der Ecofin-Sitzung der europäischen Minister am 16. Mai wird das portugiesische Rettungsprogramm nicht beeinträchtigen, meint Público, doch der IWF könne womöglich strengere Sparmaßnahmen fordern. Nach DSKs Abtritt sei es sehr unwahrscheinlich, dass auch der nächste IWF-Chef Europäer sein werde, was bedeute, dass er weder „die Einbindung noch die Sichtweise des aktuellen [Direktors] bei den Lösungsansätzen für die Probleme des Euro“ zeigen werde, wie ein europäischer Diplomat bedauert, den die Zeitung zitiert. „Es ist schrecklich für Europa“, fügt er hinzu und betrauert „den Verlust eines sehr bedeutenden Akteurs und eines großen Verbündeten“ der Eurozone. In Públicos Leitartikel heißt es, „der abrupte Fall von DSK, einem der mächtigsten Männer der Welt, [hinterlässt] ein besorgniserregendes Vakuum“. Er war ein entscheidender Verbündeter Europas, heißt es abschließend, sowie ein engagierter Verteidiger der schwächsten Länder, der die widerwilligsten Regierungen davon überzeugte, Hilfspakete zu unterstützen.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema