Presseschau DAS FANAL FÜR DEN SÜDOSTEN

Aufwind für Demokratien in Südosteuropa

Während in Westeuropa immer mehr Extremisten die Macht ergreifen, scheinen die Demokratien in Südosteuropa relativ stabil zu sein, erklärt Claudiu Pop in seiner Presseschau. Ist dort ein demokratischer Erneuerungsprozess im Gange?

Veröffentlicht am 26 Juni 2024 um 12:37

Ein unerwartetes Comeback, auch mit dem spanischen Wort remontada bezeichnet, gehört zu den spektakulärsten Ereignissen im Sport - so wie jüngst der Freudentaumel der Niederländer nach dem 2:1-Siegtreffer gegen Polen in der 83. Minute bei der Fußball-Europameisterschaft.

Auch in der Politik gibt es Remontadas. Kürzlich haben die Bürgerinnen und Bürger in der EU bei den Europawahlen ihre Stimme abgegeben und trotz des Rechtsrucks, der überall für Schlagzeilen sorgt, glauben manche Beobachter, dass auch die Demokraten im Aufwind sind. „Nachdem der Illiberalismus 2016 seinen Höhepunkt erreicht hatte, sah es nach einer Welle des Zorns aus.

Es war in der Tat schlimm, und der Trend geht bis heute gegen die Demokratie, aber vielerorts zeigen Demokraten Anzeichen von Widerstandsfähigkeit und kommen zurück. Das Spiel ist noch nicht verloren”, meint der Historiker Adrian Cioflâncă im rumänischen Kulturmagazin Scena9. Eine Remontada könnte also durchaus im Gange sein.

Das demokratische Comeback findet jedoch nicht überall statt. In Westeuropa, wo die Demokratie auf den ersten Blick etablierter scheint, sind Extremisten wie Marine Le Pen (RN, ganz rechts) auf dem Vormarsch. Am Ende könnte die demokratische Erneuerung also von Menschen ausgehen, die es leid sind, gegen autoritäre Einflüsse zu kämpfen.

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Der südöstliche Frühling der Demokratie

In Rumänien haben die rechtsextremen Parteien Allianz für die Union der Rumänen (AUR) und SOS bei den EU-Wahlen zusammen 20 % der Stimmen erhalten. Mehr als 67 % der Stimmen entfielen auf demokratische Parteien, was zeigt, dass Rumänien ein Bollwerk gegen Extremisten ist. Eine der populistischen Wahlkampftaktiken der AUR waren die permanenten Anspielungen auf berühmte rumänische Herrscher wie Vlad Țepeș - auch als Dracula bekannt – wie Radu Umbreș von der Online –Zeitung PressOne bemerkt. Auch viele andere Balkanländer wie Griechenland, Bulgarien und Kroatien hielten die Extremisten mit einem Pro-EU-Votum in Schach.

Weniger als zwei Monate vor den Kommunalwahlen in der Türkei allerdings kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP, islamisch-konservativ) an, die Verfassung ändern zu wollen. Laut der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet sagte Erdoğan, die derzeitige Verfassung sei ein „Flickwerk”. Außerdem griff der Regierungschef die Eurovision an und nannte sie ein „trojanisches Pferd der sozialen Korruption”. Diese Erklärung kam kurz nachdem der britische Europaspezialist Alex Taylor den Gesangswettbewerb als „einzigartiges multikulturelles und demokratisches Event” bezeichnet hatte.

Eine weitere euroskeptische Haltung manifestiert Kostadin Kostadinov, der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Bulgarische Wiedergeburt, die bei den letzten EU-Wahlen 14 % der Stimmen erhielt. Wie die unabhängige Tageszeitung Mediapool zitiert, will Kostadinov aus der NATO austreten, die Sanktionen gegen Russland aufheben, die Militärhilfe für die Ukraine beenden und sogar über einen Ausstieg Bulgariens aus der EU nachdenken.

Wie der zu Beginn dieser Presseschau zitierte rumänische Historiker sagte, ist das Spiel also tatsächlich noch mitten im Gange!


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