"Ein Wahlgang oder mehrere?" Diese Frage stellt sich die Gazeta Wyborcza vor den polnischen Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag. Gemäß den neuesten von der Warschauer Tageszeitung zitierten Umfragen wird Bronisław Komorowski, der Kandidat der amtierenden liberalen Bürgerplattform (PO), von 51 Prozent der Befragten unterstützt, während sein Hauptkonkurrent Jarosław Kaczyński von der konservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) 33 Prozent der Stimmabsichten erhält. Sollten sich diese Zahlen nach der Stimmenauszählung am Sonntagabend als richtig erweisen, dann wäre der am 4. Juli geplante zweite Wahlgang unnötig und die Polen könnten "die Politik vergessen und in Urlaub fahren", wie die Wyborcza schreibt. Die Tageszeitung betont, die heute zu Ende gehende Wahlkampagne sei außergewöhnlich gewesen, da sie von katastrophalen Überschwemmungen und vom Flugzeugabsturz im Smolensk, bei welchem der frühere Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam, überschattet wurde.
Vielleicht sei dies der Grund, so die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita, dass "die politischen Rivalen zum ersten Mal seit Jahren den Wunsch nach einer Einigkeit in den wichtigen Fragen signalisierten". Die Kandidaten vermieden erhitzte Debatten und die wenigen stattfindenden Diskussion waren relativ ereignislos. Die Zeitung vermutet, dies sei auf den Wunsch nach "einer Verbesserung des politischen Lebens in Polen" zurückzuführen. Es gibt allerdings keine Gewissheit dafür, dass diese neue "Sanftmut" der Hauptkandidaten kein Werbetrick ist. Die Rzeczpospolita hofft auf mehr sowie darauf, dass die Politiker nach der Wahl "nicht zu dem zwecklosen Kleinkrieg, den wir aus früheren Jahren kennen", zurückkehren und "der Politik wieder einen Sinn geben".