Nachrichten Dieselgate in Neuauflage

Wie viel die Lobbyarbeit der Autohersteller in Bezug auf die neuen EU-Emissionsvorschriften die Europäer kosten wird

Die Europäische Union ist im Begriff, der Lobbyarbeit der Industrie nachzugeben und die übermäßige Verschmutzung durch Autos zu legalisieren, um die Profite zu schützen – auf Kosten der Steuerzahler und der Gesundheit. Das zeigt eine Untersuchung in Zusammenarbeit mit Voxeurop.

Veröffentlicht am 7 November 2023 um 12:03
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Die Europäische Union könnte sich bei der Verabschiedung neuer Emissionsnormen an den Empfehlungen der Automobilindustrie orientieren. Sie würde so der Industrielobby nachgeben – auf Kosten der Steuergelder und der Gesundheit der Bürger. Das geht aus vertraulichen Dokumenten hervor, die Voxeurop vorliegen.

Die unzureichende und verzögerte Durchsetzung der Euro-7-Normen, die neue Anforderungen an die Emissionen von Kraftfahrzeugen stellen, könnten bis zum Jahr 2050 schätzungsweise 100 Milliarden Euro an Gesundheits- und Umweltschäden aufgrund der übermäßigen Verschmutzung durch Verbrennungsmotoren (ICEs) verursachen. Die Schätzungen beruhen auf einer Analyse, die von einer Beratergruppe der EU-Kommission, dem Consortium for ultra-low vehicle emissions (CLOVE), exklusiv für Voxeurop durchgeführt wurde. 

Europas führende Automobilexperten prüften den verwässerten Text, der Ende September vom EU-Rat angenommen wurde. Der Rat vertritt die 27 Mitgliedstaaten und ist neben dem von den Bürgern gewählten Europäischen Parlament eines der beiden Mitgesetzgebungsorgane der EU.

Mit der neuen Euro 7-Norm erweiterte der Rat im Wesentlichen die 13 Jahre alte Euro 6-Abgasnorm (wobei nur für schwere Nutzfahrzeuge strengere Grenzwerte gelten). Gleichzeitig wurden Grenzwerte für Feinstaub (PM, mikrometergroße Partikel) aus Bremsen und Reifenverschleiß eingeführt und ein Emissionsüberwachungssystem vorgeschrieben, um die Einhaltung langfristig sicherzustellen. Dieselfahrzeuge dürfen nach wie vor mehr Schadstoffe ausstoßen als Benzinfahrzeuge.

Bei seiner Abstimmung im Plenum am 8. November muss das Europäische Parlament die Entscheidung des Rates, die das Bestreben der EU, das giftige Erbe von Dieselgate zu bekämpfen, zunichte macht, bestätigen oder kippen. Im Jahr 2015 deckte der Skandal die Tricks auf, mit denen die Hersteller die Vorschriften zur Begrenzung der Abgasemissionen umgingen. Sie manipulierten hierzu die Stickoxidwerte (NO), einen der Hauptschadstoffe, der bei der Verbrennung in (meist Diesel-)Motoren freigesetzt wird. Bei der Freisetzung in die Atmosphäre wird NO schnell in Stickstoffdioxid (NO2) umgewandelt, das jedes Jahr in der EU 49.000 vorzeitige Todesfälle verursacht.

Wenn das Parlament, wie erwartet, dem Rat folgt, kann die Industrie Umweltausgaben in Milliardenhöhe vermeiden – ein großzügiges Geschenk. Der Nutzen für die Allgemeinheit würde in diesem Fall bis 2050 um etwa 40-50 Prozent geringer ausfallen als im Vorschlag der Kommission. Dies geht aus Prognosen hervor, die Voxeurop von der Beratergruppe CLOVE zur Verfügung gestellt wurden, die die Kommission bei den Optionen für Euro-7 unterstützt hat.

„Die Strategie der Industrie zielt auf eine kostenfreie, völlig unwirksame Euro-7-Norm ab, um ihre Gewinne aus der veralteten Verbrennungsmotortechnologie zu maximieren“, sagt Anna Krajinska, Managerin für Fahrzeugemissionen und Luftqualität bei der Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&A). „Im Gegenzug für jede zusätzliche Milliarde, die ein paar Autohersteller einsparen, werden Millionen europäischer Bürgerinnen und Bürger unter schweren Krankheiten, Krankenhausaufenthalten und anderen sozialen Kosten leiden und die 27 Milliarden Euro schultern, die die fünf größten Automobilkonzerne in Europa (Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz, Stellantis und Renault) zwischen 2019 und 2023 an ihre Aktionäre gezahlt haben.“

Diese Äußerungen zeigen, wie erfolgreich der Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA) unter dem Vorsitz von Renault-CEO Luca de Meo Druck auf die EU-Institutionen ausübt. Der in Brüssel ansässige Autolobby-Dachverband hat seine Lobbying-Ausgaben seit Beginn der Diskussionen über Euro 7 im Jahr 2018 mit ersten Empfehlungen des CLOVE-Konsortiums verstärkt.

Ein vertraulicher Briefwechsel, den Voxeurop einsehen konnte, zeigt, wie die Automobilhersteller hochrangige EU-Beamte davon überzeugt haben, ihre Euro-7-Pläne von Anfang an abzumildern, indem sie ar…

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