Brüssels erdrückende Umarmung

Im Namen des Gesamtinteresses der EU muss Brüssel Druck auf seine Mitglieder ausüben. Beispiele in Rumänien, Ungarn und Italien zeigen aber das Gegenstück: Zivilgesellschaft oder lokale Kulturen werden teils geopfert.

Veröffentlicht am 16 Juli 2012

Schuldenmachen ist Zukunftsverzehr. Deswegen stellt das Sparen das A und O einer Politik dar, der es am Fortbestand jenes halb lockeren, halb eisenhart zwingenden Staatenverbunds gelegen ist, den wir etwas voreilig Europäische Union genannt haben. Dieser Primat wird in einigen Staaten der EU als deutsches Diktat wahrgenommen. Das ist nicht gerecht.

Und doch gehört es zur ganzen Wahrheit anzuerkennen, dass die neue europäische Politik des Sparens auch Flurschäden anrichtet. So schön die Rede vom föderalen Europa samt seiner angeblich subsidiären Struktur auch klingt: In der Wirklichkeit nicht nur der Finanzkrise kann das Gesamtinteresse der Union schwer wiegende Eingriffe in die Souveränität zur Folge haben. Weder Italiens noch Griechenlands neue Regierungen wären ohne Druck der EU ins Amt gekommen. Solange aber die einzelnen Staaten Europas die EU noch nicht wirklich als ein Gemeinwesen begreifen, werden solche Maßnahmen von den Bürgern zu Recht als Entmündigung und Enteignung verstanden. Und das mag manchem sogar willkommen sein.

Ein aktuelles Beispiel dafür liefert ein EU-Staat, der zu früh und zu ungefestigt dem Verein beitreten durfte: Rumänien. Dort tobt gerade unverblümt ein heftiger Kampf zwischen Seilschaften aus alter sozialistischer Zeit, verkörpert durch Ministerpräsident Victor Ponta, und den auch nicht lupenreinen Konservativen um den vom Parlament abgesetzten Staatspräsidenten Traian Băsescu. Im von Korruption zersetzen Rumänien sehen die verschiedenen politischen Kräfte den Staat als ihre Beute an. Und denen, die - wie etwa die mutige frühere Justizministerin Monica Macovei - diesen Zustand beenden wollen, fehlen die Instrumente, wirksam dagegen anzugehen.

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