Christiania endlich frei

Veröffentlicht am 22 Juni 2011 um 11:57

Die Freistadt Christiania und die dänische Regierung haben am 21. Juni ein Abkommen geschlossen, das die Einwohner des berühmtesten alternativen Stadtviertels in Europa dazu berechtigt, dem Staat den Großteil davon abzukaufen. Nach acht Jahren Streit zwischen der liberal-konservativen Exekutive und den Einwohnern der Freistadt einigte man sich endlich auf die Kaufbedingungen für den stillgelegten Marinestützpunkt von Kopenhagen, der seit den 1970er Jahren besetzt ist. Die Christianiter gründeten dazu eine Stiftung, die die Grundstücke in ihrem Namen erwerben wird, wie die dänische Presse erklärt.

Eine perfekte Lösung, so die Zeitung Politiken, die sogar an „reinen Buddhismus“ erinnert: „eine Synthese von Frieden, Harmonie und Emanzipation“. Das Abkommen markiert die „Kapitulation des konservativen Dänemarks“, fügt die sozialliberale Tageszeitung hinzu, würdigt aber trotzdem den „notwendigen Pragmatismus“ des liberalen Finanzministers Claus Hjort Frederiksen nach dem jahrelangen Kampf, in dem die Regierung immer wieder symbolische Schläge austeilte.

Den pragmatischen Aspekt des Abkommens stellt auch die Zeitung Berlingske voran, die findet, „die Zerstörung Christianias, die im Prinzip in einem Rechtsstaat das richtige wäre, hätte sehr wahrscheinlich eine Art Bürgerkrieg ausgelöst. Was wiederum zu einer tiefen Kluft von Misstrauen zwischen Bevölkerung und Behörden geführt hätte“. Die konservative Tageszeitung kritisiert jedoch den Hintergrund: „40 Jahre lang haben die Christianiter als Parasiten auf Kosten der anderen Bürger gelebt, um ihre so genannte Freiheit zu verwirklichen. Eine private Freiheit, die nicht belohnt werden darf.“

Diese Meinung teilt auch die Jyllands-Posten, für die es sich genau genommen um einen Diebstahl handelt, denn Christiania wurde 1971 auf einem leeren Grundstück gegründet – niemand hat jemals etwas gezahlt – und den von den Bewohnern ausgehandelten Preis, nämlich 10,2 Millionen Euro, also 469 Euro pro Quadratmeter, findet die Zeitung zu niedrig.

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„Die ganze Geschichte zeigt, dass der Diebstahl nur groß genug sein muss, damit sich das Vergehen auch lohnt“, empört sich die liberale Tageszeitung und erinnert daran, dass Christiania im Lauf der Zeit eine Hochburg des Drogenhandels geworden ist. Weiter hofft sie, dass das Abkommen mit der Regierung eine Legalisierung der Freistadt in jeder Hinsicht beinhaltet: „Das Dealen soll aufhören und die Polizei soll ihre Arbeit tun können, aber die Christianiter müssen auch diesen zwanghaften Schutz ihres Privatlebens aufgeben, damit die Touristen frei – und natürlich gesetzmäßig – Fotos machen können, ohne angegriffen zu werden.“ (pl-m)

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