Paris 1945. In diesem schicken Wohnzimmer werden gleich sechs Haarföne gleichzeitig von einem Fahrraddynamo angetrieben.

Freiheit für den Ökostrom!

Noch immer ist es unmöglich, die Energieunabhängigkeit der Haushalte zu gewährleisten. Selbst für die unabhängigen Produzenten von Solarenergie gilt das, stellt La Vanguardia fest. Das gegenwärtige Modell ist den großen Unternehmen untergeordnet und erlaubt es in der Tat nicht, außerhalb dieses Netzwerkes zu existieren. Jedoch hofft die katalanische Tageszeitung, dass sich das bald ändern wird.

Veröffentlicht am 8 April 2010 um 16:23
Paris 1945. In diesem schicken Wohnzimmer werden gleich sechs Haarföne gleichzeitig von einem Fahrraddynamo angetrieben.

Selbst diejenigen, die sich am meisten wünschen, bei sich zu Hause saubere Energie zu erzeugen, schaffen es nicht, den Schwächen des Netzwerkes zu entkommen. So bleiben auch diejenigen, die Elektrizität aus erneuerbaren Quellen produzieren, nicht von Stromausfällen verschont. Diese suchen Katalonien immer wieder heim und können mehr oder weniger lange dauern. Auch wenn sie über ihre eigenen Produktionssysteme verfügen, so sind sie dann, wenn der Strom ausfällt, ebenso gelähmt wie der Rest der am Stromnetz hängenden Verbraucher.

Joan Manuel Martín ist Eigentümer eines Bauernhofes in Llinars del Vallès (Vallès Oriental) und der erste unabhängige Produzent, der im Jahr 2000 photovoltaische Energie an das spanische Netz verkauft hat. Sein Haus gleicht einem Ausstellungskatalog, in dem jede erneuerbare Energiequelle vertreten ist: Mit einem photovoltaischen Dach erzeugt er Elektrizität, heizt mit einem Biomasse-Erhitzer oder verbrennt pflanzliche Abfälle aus seinem Wald. Sein Warmwasser gewinnt er mit Hilfe eines solarbetriebenen Wasserkessels. Und dennoch saß er am vergangenen 8. März, als das letzte Mal der Strom ausfiel, im gleichen Boot wie alle anderen. "Während des Schneesturms hatte ich 21 Stunden lang keinen Strom", berichtet er.

Fehler im System

Als das Stromnetz ausfiel, wurde auch die Verbindung seiner photovaltischen Zellen unterbrochen. Sie führten dem Netz keine Elektrizität mehr zu und das momentane System ermöglicht es noch nicht, den Strom zu nutzen, der vor Ort produziert wird. Martín war also auch kalt. Die Heizung funktionierte nicht mehr, weil die Pumpen, die das Wasser zirkulieren lassen, auch ein Minimum an Strom benötigen. Und weil sich an diesem Tag kein einziger Sonnenstrahl blicken ließ, konnte er nicht einmal von seinem solargeheizten Wasser profitieren. "Das System muss verändert werden, damit die Leute, die photovoltaische Energie produzieren, diese auch nutzen können", führt er fort. "Momentan ist das noch unmöglich." Er kann nicht verstehen, warum er im Dunklen sitzen muss, wenn der Strom ausfällt, obwohl er doch selbst Elektrizität produziert, sobald die Sonne scheint. Dieser Widerspruch ergibt sich aus dem gegenwärtigen Energiesystem.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Dieses ist noch immer zentralisiert und nutzt keineswegs die Möglichkeiten der überall im Land verstreuten kleinen Stromproduzenten (die man auch "Einheiten der Mikrogeneration" nennt). Für die saubere Energie, welche die Privatpersonen erzeugen und in das Stromnetz einspeisen, erhalten sie eine Prämie. Der Produzent muss allerdings die Energie, die er benötigt, vom Lieferanten abkaufen. Hinzukommt, dass sich die photovoltaischen Zellen ausschalten und nicht mehr funktionieren, sobald die Stromleitungen fehlerhaft arbeiten oder eine Spannungs- bzw. Frequenzstörung auftritt. Sie können erst dann wieder an das Netz angeschlossen werden, wenn dieses wieder den Normalbetrieb aufgenommen hat. "Es ist absurd, dass es kein Gesetz für den Eigenverbrauch gibt", erklärt der Präsident des Vereins der Energieunternehmer (Grupo de Gestores Energéticos), José Enrique Vázquez. "Es ist wirklich nur noch eine Frage der Regelungen. Technisch wurden alle Probleme bereits beseitigt."

Die Großen gegen die Kleinen****

*"Die gro*ßen Unternehmen wollen nicht, dass Privatpersonen dann weiter Elektrizität produzieren, wenn ihr Netz ausgefallen ist", erklärt Professor Josep Puig der Autonomen Universität in Barcelona. Seiner Ansicht nach dominiert in den Köpfen noch immer die Vorstellung von romanischen Aquädukten: Die Energie wird an einem Ort hergestellt, dann transportiert und in weit entfernten Gebieten genutzt. "Die grundlegende Idee des aktuellen Modells ist folgende: "Ich produziere Elektrizität und verkaufe sie an das Stromnetzbetreiber. Jedoch entsteht dadurch ein idiotisches Netzwerk, weil man, wenn dieses ausfällt, weder Strom herstellen noch diesen benutzen kann. Zudem findet die Produktion nicht überall gleichmäßig statt. Jedoch müssen wir genau das anstreben, damit die Energie, die vor Ort produziert wird, auch genau dort verwendet werden kann“. Für ein solches System braucht es natürlich ein dezentralisiertes und intelligent strukturiertes Netzwerk. "Dieses muss mit einer Technologie ausgestattet werden, die in beide Richtungen funktioniert. Dann könnte man, sobald man den Grund für den Stromausfall ausfindig gemacht hat, den Produktionseinheiten die Anweisung erteilen, sich vom Netz zu isolieren und ihre eigenen Ressourcen zu nutzen", fügt er hinzu.

Initiativen zur Befreiung des Energiesystems

In der Zwischenzeit erblicken allerorts verschiedenste Initiativen zur Befreiung des von Zwängen erdrückten Energiesystems das Licht der Welt. Der Tag, an dem die Bewohner der Stadtgebiete mithilfe der Sonne bei sich Energie produzieren können rückt immer näher. Davon ist zumindest der Verein des photovoltaischen Sektors (Asociacion de la Industria Fotovoltaica, kurz ASIF) überzeugt. Dieser hat die Regierung um genau diese Möglichkeit gebeten, und verlangt, dass die bürokratischen Hürden abgeschafft werden, die sich dieser entgegenstellen. Bisher war der Aufschwung der Photovoltaik an riesige Investitionen und Solarzentralen bzw. "Solarfelder" gebunden. Für die ASIF wird der Sektor aber in eine ganz neue Richtung expandieren können, sobald die Preise für die Zellen sinken und die Prämien für die Produzenten herabgesetzt werden.

Dann können Privatpersonen ihre Dächer mit photovoltaischen Zellen ausstatten, um Energie für den Eigenbedarf zu produzieren. Allein die zu viel produzierte Energie wird dann dem Netz zugeführt. "Jedoch wird das nicht leicht sein. Jedes Kilowatt, das die Privatperson behält, bedeutet für die Energieunternehmen ein Kilowatt, das es weniger verkauft", erinnert der Kommunikationsbeauftrage der ASIF, Tomás Díaz. Für ihn liegt die Zukunft der Unternehmen vor allem in der Entwicklung neuer Aktivitäten im Bereich der Energiedienstleistungen. Dieses neue System braucht auch veränderte Regelungen "und ein lokales Energiemanagement mit intelligent strukturierten Netzen", führt er fort. Doch ist genau dieser Wandel notwendig. Schließlich hat die Europäische Union ihre Zielsetzung für die Gebäude von morgen schon definiert: "Null Emissionen".

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema