In ihrem jüngsten Bericht zur Lage des Justizwesens in Rumänien und Bulgarien, der am 20. Juli vorgestellt wurde, lobt die europäische Kommission die Fortschritte Sofias und rügt Bukarest harsch. Brüssel wirft insbesondere dem rumänischen Senat vor, "das Gesetz zur Schaffung der Nationalen Integritätsbehörde ANI beschnitten" zu haben. Im letzten Juni hat die Versammlung der Behörde wesentliche Befugnisse abgesprochen, unter anderem bei der Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse öffentlicher Amtsträger oder dem Stellen von Strafanzeigen.
Kein einziges Kapitel dieses Fortsetzungsromans in Bukarest findet Gnade in den Augen der Kommission: Weder die Tatsache, dass das Verfassungsgericht die Regeln der ANI für verfassungswidrig erklärte, noch das jüngst verabschiedete Gesetz, dass die ANI zur simplen Marionette macht und faktisch entmachtet. Weiterhin wurde bemängelt, dass zahlreiche Ex-Parlamentarier unter Korruptionsverdacht bis dato nicht vor den Richter gekommen seien und dass die Prozesse sich in die Länge zögen.
Korruption ist faktisch legalisiert
"Eine Verwaltungsbehörde wie die ANI gibt es in quasi keinem anderen Mitgliedsstaat. Und dennoch ruft die Beschneidung ihrer Kompetenzen bei der Kommission heftigsten Protest hervor", wundert sich Adevarul. "Wenn andere ohne ANI weniger Korruption haben, warum macht die Kommission dann so ein Theater?"
Während das Verfassungsgericht aufs Neue angerufen wurde, diesmal vom Präsidenten Traian Basescu höchstpersönlich, um über das Gesetz zur ANI zu urteilen, schreibt Adevarul: "Wenn man in Rumänien mit legalen Papieren klauen kann, dann ist es eben schwierig, Korruption festzustellen". "Wo sitzt sie wirklich, die Korruption Rumäniens?", fragt sich Adevarul. "Sie sitzt in der Natur selbst unserer Korruption. Denn in den letzten zwanzig Jahren, hat sich bei uns ein System entwickelt, dass Korruption faktisch legalisiert!"
Bukarest wird von Kommission bevorzugt behandelt
Dennoch, notiert Gândul, "reagierte Traian Basescu verärgert auf den Vorwurf, seinen Verpflichtungen gegenüber der EU nicht nachgekommen zu sein." "Der Vorwurf ist unhaltbar", wird der Präsident von der Tageszeitung zitiert. Um seinen guten Willen zu beweisen, hat er beschlossen, das Parlament am 1. August zu einer Dringlichkeitssitzung einzuberufen und das ANI-Gesetz im Sinne der EU zu ändern. Auf der anderen Seite, berichtet Gândul, hat Traian Basescu einen eigenen Bericht versprochen, den er den Mitgliedsstaaten übermitteln wird. "Ich habe Kommissionspräsident Barroso bereits informiert", bestätigte der rumänische Präsident, der sich fragt, ob die Kommission nicht "die Absicht hat, in die Frage des Anfang 2011 geplanten Beitritts Rumäniens in den Schengen-Raum einzugreifen." Denn warum sonst hätte man den Fortschrittsbericht auf Fragen wie jene "der öffentlichen Ausgaben ausgeweitet?".
"Einmal mehr hinkt Rumänien hinter Bulgarien her", schreibt Jurnanul abschließend. "Die am 20. Juli veröffentlichten Beurteilungen beider Länder könnten im Ton nicht unterschiedlicher ausfallen", notiert das Blatt. "Selbst in der Frage des organisierten Verbrechens, dem Hauptproblem Sofias, stellt die Kommission dort wesentliche Fortschritte fest, trotz des Scheckentempos der Prozesse!" (js)