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Ein ABC-Forscher (Atomare, Biologische und Chemische Gefahren) sammelt Proben im Zentrum für biologischen Schutz in Těchonín

Hospital ohne Rückkehr

Mitten in den böhmischen Bergen, nah an der polnischen Grenze, befindet sich eine in Europa einzigartige Einrichtung: Das Zentrum für biologischen Schutz in Těchonín, das an Seuchen erkrankte Patienten oder Opfer biologischer Angriffe beherbergt.

Veröffentlicht am 3 Januar 2013 um 11:56
Jan Kouba  | Ein ABC-Forscher (Atomare, Biologische und Chemische Gefahren) sammelt Proben im Zentrum für biologischen Schutz in Těchonín

Nennen wir ihn... Jiří. Ein Jahr lang war er im Kongo stationiert, als dort eine Ebola-Epidemie ausbrach. Die Ansteckungsgefahr war sehr groß und fast alle Infizierten erlagen den schweren inneren Blutungen, die die tödliche Krankheit auslöste.

Gleich nach seiner Rückkehr in die Tschechische Republik stellte der leitende Hygieneoffizier der Armee ihn im gut versteckten Zentrum für biologischen Schutz, dem im Adlergebirge liegenden Militärkrankenhaus in Těchonín unter Quarantäne. In ganz Europa gibt es keine vergleichbare Einrichtung.

Besonders nützlich erweist sich [das dortige Zentrum] im Falle eines terroristischen Anschlags mit biologischen Waffen wie SARS oder Anthrax. Das Besondere ist, dass es hier so gut wie keine Kranken gibt. Abgesehen von den Soldaten, die nach Auslandseinsätzen hier 24 Stunden lang unter Quarantäne gestellt werden, war Jiří der einzige Patient.

Und er hatte Glück. Trotz des starken Verdachts auf eine Infektion mit dem Ebola-Virus wurde die Diagnose nach zwei Wochen Quarantäne nicht bestätigt und er durfte wieder nach Hause. Seitdem gehört Jiří zu den wenigen Sterblichen, die wissen, wie diese hypermoderne Einrichtung von innen aussieht.

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Ärzte in Raumanzügen

Fast alles hier ist aus Edelstahl. Die Ärzte untersuchen ihre Patienten in Raumanzügen, die über ihr eigenes Sauerstoffzufuhrsystem verfügen. Und aufgrund des Druckabfalls fallen die Türen hier dumpf ins Schloss.

Obwohl sie gleich nebenan liegen, brauchen die Ärzte mehrere Minuten, um zu ihren Patienten zu gelangen, die hinter einer dreifach verglasten Wand liegen. Selbst wenn ihr Patient gerade zu ersticken droht, müssen die Ärzte erst einmal ihren Raumanzug anziehen und die Sicherheitszone durchqueren. Ungefähr drei Minuten dauert es, bis [ein Arzt] seinen [Patienten] erreicht.

Die Visite findet über Mikrofone statt, die in den Raumanzügen angebracht sind. Die Beobachtungen des Arztes werden von einem Kollegen in einen Computer eingegeben, der sich auf der anderen Seite der dreifach verglasten Wand befindet. Fast alle Geräte werden nur ein einziges Mal verwendet. Selbst die teuersten Detektoren. Es ist fast unmöglich, sie vollständig zu desinfizieren, nachdem sie mit einem tatsächlich angesteckten Patienten in Berührung gekommen sind.

Jeder Patient ist in einer Art Aquarium isoliert, dem Sauerstoff und sauberes Wasser zugeführt wird, und das über ein geschlossenes Abfallentsorgungssystem verfügt. Anders als in anderen Krankenhäusern, in denen es wie hier auch einen Operationssaal gibt, fasst man hier kaum ins Auge, die Patienten wirklich zu operieren. Ihre Obduktion ist dagegen ganz genau geplant. Der Obduktionssaal und das Analyselabor befinden sich gleich neben den Patientenzimmern.

Der Verlauf tödlicher Infektionskrankheiten ist meist dramatisch schnell. Dabei ist absolut entscheidend, dass schnellstmöglich bestimmt wird, womit [der Patient] sich genau angesteckt hat, um seine Umgebung optimal schützen zu können.

Krisenzentrum für Bioterrorismus

Bis 1992 führte Těchonín eine einzigartige Viren-Bank, die per Erlass des Verteidigungsministeriums kurz darauf vernichtet wurde. Nun müssen die Mikrobiologen die benötigten Mikroorganismen wie das Bakterium Escherichia coli für viel Geld im Ausland erwerben.

Das Zentrum für biologischen Schutz verfolgt eine dreifache Mission: Isolation und Quarantäne, wie im Fall Jiří, [sowie] Forschung und Ausbildung.

Die medizinische Einrichtung funktioniert wie ein Ausbildungszentrum, in dem Mediziner und Laboranten biologisch riskante Versuche unter realen Bedingungen durchführen.

„Wir arbeiten mit Zivilisten zusammen. In unserer Einrichtung verkehren praktizierende Ärzte aus Spezialkliniken für Infektionskrankheiten, Notfallmedizin-Experten, aber auch Medizinstudenten“, erklärt der leitende Hygieneoffizier der Armee, Petr Navrátil. Und natürlich werden regelmäßig Soldaten trainiert und darauf vorbereitet, wie sie mit möglichen biologischen Anschlägen gegen die Bevölkerung umgehen müssen. Das nennt man die Katastrophenmedizin.

Die Gefahr des Bioterrorismus lauert immer und überall. Biologische Waffen herzustellen kostet relativ wenig Geld. Und dennoch sieht es ganz danach aus, als würde das Zentrum bald geschlossen werden: „Noch wurde die Entscheidung nicht gefällt, aber angesichts der Haushaltskürzungen in der Verteidigung scheint seine Zukunft mehr als ungewiss“, gibt der Sprecher des [tschechischen] Verteidigungsministeriums, Jan Pejšek, zu.

Suche nach der Finanzierung

Ein Verkauf? Daran ist niemand interessiert. Selbst im Ausland wurde nach Käufern Ausschau gehalten. „Verhandlungen wurden mit der WHO und der EU aufgenommen, sowie bilaterale Gespräche mit mehreren NATO-Mitgliedern (beispielsweise mit Großbritannien), aber auch mit Ländern geführt, die nicht zur NATO gehören (wie Serbien). Bisher liegt noch kein konkretes Ergebnis vor,“ fügt Pejšek hinzu.

Dabei könnte sich Těchonín sehr gut selbst finanzieren. Es würde schon ausreichen, wenn die Verantwortungsträger der Armee ein wenig mehr Unternehmergeist zeigen würden. Dann könnte man beispielsweise einem internationalen Publikum kostenpflichtige Kurse anbieten und sowohl Soldaten der NATO als auch ziviles medizinisches Personal aus dem Ausland schulen.

Die Labore könnten für kommerzielle Zwecke oder noch intensiver zu Forschungszwecken genutzt werden. So könnten Subventionen und Patentrechte dafür sorgen, dass sich das Zentrum finanziell selbst trägt. Und in Phasen, in denen die Einrichtung auf Sparflamme läuft, könnte das Zentrum in Těchonín seine Räumlichkeiten als Drehort vermarkten.

In der Zwischenzeit wird der Nationale Sicherheitsrat über das Schicksal der Einrichtung entscheiden. Voraussichtlich im Februar. (jh)

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