Schon geschehen. Leere Geschäfte in Dublin, November 2010.

Lasst sie pleitegehen

Wer investiert, muss Verluste hinnehmen. Das sollte sich Europa, wo Griechenland neue Schuldenberge aufbaut und Irland mit der Pleite rechnet, zu Herzen nehmen. Nicht die Steuerzahler sollen für eine neue Rettungsaktion zusammenlegen müssen, sondern auch private Gläubiger.

Veröffentlicht am 17 November 2010 um 13:29
Schon geschehen. Leere Geschäfte in Dublin, November 2010.

Josef Pröll ist ein guter Schauspieler. Der Finanzminister führte am Dienstag das Solostück vom strengen Gläubiger, der seine Schuldner tadelt, auf. Griechenland ist hinter seinem mit EU und Internationalem Währungsfonds vereinbarten Zeitplan beim Sparkurs zurückgefallen. Athen macht mehr Schulden als erlaubt.

Pröll drohte damit, die nächste Tranche der Griechenlandhilfe nicht auszuzahlen. So machen das eben Gläubiger in normalen Fällen, Staaten wie Banken. Sie drohen und fauchen, am Ende des Tages erstrecken sie die Fristen meist doch: lieber ein angeschlagener als ein toter Schuldner.

Nur ist die Schuldenkrise in der Eurozone leider kein Normalfall mehr, was Pröll allzu gut weiß. Nach der letzten Korrektur bei seinen Defizitzahlen steht fest, dass Griechenland mit fast 130 Prozent seines Bruttonationalprodukts verschuldet ist. Bis zum Jahr 2015 muss Griechenland Schulden von 140 Milliarden Euro zurückzahlen, hinzu kommen Zinszahlungen von 90 Milliarden. Das Ganze findet vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Wirtschaft statt. Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass das wohl nicht gutgehen kann.

Das ist nicht der einzige Pleitefall in der Eurozone. Auch Irland steht am Abgrund. Die Schuldenquote des Landes soll aufgrund der Bankenhilfen bis 2016 auf 150 Prozent des BIPs hochsegeln. Die Märkte bewerten irische Anleihen in einer Klasse mit jenen aus Pakistan und Venezuela. Irische Ökonomen rechnen mit einer Pleite, und zwar ob mit oder ohne Rettungsschirm.

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Unter diesen Prämissen kann die Politik derzeit nicht viel mehr tun, als Zeit zu kaufen; so gesehen ist das Pröll'sche Schauspiel nicht unvernünftig. Aber die Eurozone müsste sich zugleich für die nächste Pleitewelle wappnen. Zum Originalartikel des Standard...

Aus Athen

Das „Vierte Reich“ kolonisiert Europa

Am 16. November erhielt Griechenland von Deutschland eine Warnung: Wenn sich das Land nicht stärker um eine Sparpolitik bemüht, könnte die dritte Rate der im Frühjahr beschlossenen finanziellen EU- und IWF-Unterstützung womöglich nicht ausgezahlt werden. Am 17. wurde dann angekündigt, die 6,5 Milliarden Euro würden erst im Januar und nicht im Dezember ausgezahlt werden. „Es droht die Konfrontation“, reagierte To Ethnos. „Die deutschen Führungskräfte wollen alle Länder der Eurozone und Europas isolieren und in Kolonien des Vierten Reichs verwandeln.“ Der lebhafte Medienkrieg, den die beiden Länder im vergangenen Frühjahr gegeneinander führten, als die Deutschen sich sträubten, den Griechen zu helfen, scheint wieder von neuem ausbrechen zu wollen. „Die Wirtschaftspolitik soll also von Berlin diktiert werden, mit den europäischen Institutionen als ‚Marionetten’. Es wird Deutschland noch gelingen, die einzige Hoffnung der schwächeren Länder – Anleihen zu niedrigen Zinssätzen – zu zerstören.“ „Diese Politik wird die Stellung Deutschlands innerhalb Europas festigen“, heißt es weiter. „Es ist sowieso schon vorrangig, wie man an dem sieht, was in Irland passiert. Dieses Land will den Sparplan nicht umsetzen, also übt Deutschland mehr Druck aus, um es dazu zu zwingen! Doch diese Spannungen werden Europa nicht zerstören, wenn nur echter Widerstand gegen das Vierte Reich geleistet wird.“

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