Die Regierung Dänemarks treibt den umstrittenen Plan voran, 300 Haftplätze in der Justizvollzugsanstalt Gjilan im Kosovo anzumieten, um dort zur Abschiebung verurteilte Ausländer*innen unterzubringen. Dänemark, eines der reichsten Länder Europas, hat zugestimmt, dass der Kosovo, eines der ärmsten Länder Europas, 300 zur Abschiebung verurteilte Ausländer*innen aufnimmt und dafür rund 200 Millionen Euro erhalten wird. Dänemark versucht, die Überbelegung und den Personalmangel in seinen Justizvollzugsanstalten zu lindern, indem es die Inhaftierten mehr als 2.000 Kilometer weit weg schickt. Diese Inhaftierten haben in Dänemark Straftaten begangen und sollen den Rest ihrer Strafe im Kosovo absitzen, bevor sie in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden.
Zuvor war die utopische Idee Dänemarks, Asylsuchende nach Ruanda zu schicken, gescheitert, bevor es so weit kam. Ein ähnlicher Plan der britischen Regierung wurde ebenfalls verworfen. Der entscheidende Unterschied ist, dass es sich bei dem Abkommen zwischen Dänemark und dem Kosovo um Asylsuchende handelt, die bereits über einen „Abschiebebescheid“ verfügen. Wie Brüssel reagieren wird, ist noch unklar.
Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen dem rechtlichen Status von so genannten abgelehnten gewöhnlichen Asylsuchenden und dem von Asylsuchenden, die wegen einer Straftat – in einigen Fällen wegen Ladendiebstahls – zu einer Abschiebung verurteilt wurden. Der politische Prozess des Kosovo-Abkommens zeigt aber trotzdem einige der Herausforderungen, mit denen Regierungen konfrontiert sein können, wenn sie versuchen, Vereinbarungen mit Nicht-EU-Ländern zu treffen.
Ein geheimer Plan aus dem Jahr 2021
Obwohl die dänischen Pläne für die Auslagerung von Strafvollzugsdiensten bereits seit 2021 bekannt sind, haben sie es bis jetzt nicht wirklich in die ausländische Presse geschafft. Die Verwirklichung dieser Pläne rückt nun näher, nachdem das Justizministerium im Februar 2025 ein neues Kooperationsabkommen mit der kosovarischen Regierung unterzeichnet hat, um verurteilte Einwandernde in das Gefängnis Gjilan zu schicken.
Der Plan Dänemarks, 300 Plätze in einer Justizvollzugsanstalt wenige Kilometer von Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, anzumieten, ist seit vier Jahren immer wieder verschoben worden. Gleichzeitig wurde kritisiert, dass die Inhaftierten der Gefahr der Folter ausgesetzt werden, eine Praxis, die nach Angaben der UNO und des Europarats in den Gefängnissen des Kosovo weit verbreitet ist.
Kritiker der Maßnahme halten sie nicht nur für kostspielig, sondern auch für unmenschlich und befürchten, dass sie zu Missbrauch und Diskriminierung von Ausländerinnen und Ausländern führen wird.
Mehrere Juraprofessorinnen und -professoren erklären, es sei nicht auszuschließen, dass der Plan sowohl dänische als auch ausländische Staatsbürger*innen betreffe, die zur Verbüßung ihrer Strafe in den Kosovo geschickt werden könnten, da der Vertrag nicht eindeutig sei. Der Vertrag sieht vor, dass „die Inhaftierung nach dänischem Recht und im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Dänemarks erfolgt“. Die anfängliche Vertragslaufzeit beträgt fünf Jahre, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere fünf Jahre. Außerdem werden jedes Jahr 15 Mio. EUR gezahlt, zuzüglich 5 Mio. EUR für die Renovierung des Gefängnisses und seine Anpassung an die dänischen Vorschriften.
Kaum 24 Stunden nach der Veröffentlichung des Textes kündigte die dänische Regierung „ein solides Engagement für die Entwicklung [im Kosovo] mit Schwerpunkt auf einem grünen Übergang und den Menschenrechten“ an. Dafür soll ein jährlicher Beitrag von 45 Mio. dänischen Kronen (etwa 6 Mio. €) aus dem dänischen Haushalt für Auslandshilfe gezahlt werden. Die Regierung bestritt jeglichen Zusammenhang zwischen den beiden Abkommen.
„Die Gefängnisse im Kosovo sind bereits überfüllt“
Ursprünglich sollten die ersten Inhaftierten bereits im vergangenen Jahr in den Kosovo abgeschoben werden, doch wurden diese Pläne mehrfach verschoben. Laut dem neuen Kooperationsabkommen wird das renovierte Gefängnis nicht vor 2027 fertig sein. „Das wirkt fast wie ein Betrug“, sagten die Dänischen Demokraten und die Liberale Allianz im vergangenen Frühjahr, als das kosovarische Parlament noch nicht über die Freigabe von Gefängnisplätzen abgestimmt hatte. Das Abkommen wurde kurz darauf ratifiziert, aber bis heute – vier Jahre, nachdem das Programm zum ersten Mal in Erwägung gezogen wurde und bereits viele Millionen dänische Kronen nach Pristina geflossen sind – hat seine Umsetzung noch nicht begonnen.
Fatmire Haliti, Rechtsanwältin und Programmdirektorin des kosovarischen Rehabilitationszentrums für Folteropfer (KRCT), hinterfragt die Tatsache, dass die kosovarische Bevölkerung nicht informiert wurde „und es keine Debatte zu diesem Thema gab“. Sie betont, dass „von Beginn“ der Regierungsverhandlungen an „keine Menschenrechtsorganisationen und unabhängigen Überwachungsstellen konsultiert wurden“. Außerdem „sind die Gefängnisse im Kosovo bereits überfüllt“, so Haliti weiter. Sie weist darauf hin, dass in der Justizvollzugsanstalt Gjilan derzeit mehr als 200 Inhaftierte untergebracht sind, so dass die dänischen Pläne auch das Justizvollzugssystem des Kosovo verzerren.
Die Gefahr der Gleichsetzung von Migration und Kriminalität
Laut Steve Peers, Professor für EU-Recht und Menschenrechte an der Royal Holloway University of London, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Vorschlag aufgrund der dänischen Opt-out-Klausel zum Asylrecht nur „teilweise“ auf Dänemark Anwendung findet und dass aus dem vorgeschlagenen Text derzeit nicht hervorgeht, welche Teile tatsächlich für Dänemark gelten werden. „Auf den ersten Blick scheint es jedoch, dass diese neue Regelung für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger gelten wird, die sich illegal aufhalten und nicht der Freizügigkeit unterliegen.“
So können die Bedingungen, die für diejenigen gelten, die als „Sicherheitsrisiko“ angesehen werden, „in diskriminierender Weise angewandt werden, unabhängig davon, ob die Person zuvor verurteilt wurde oder nicht, und Abschiebungen erhalten eine strafende Funktion, die über die Grundsätze des Strafrechts hinausgeht“, sagt Silvia Carta von PICUM, einem europäischen Netzwerk von Organisationen, die sich für den Rechtsbeistand für Einwandernde ohne Papiere einsetzen. Sie warnt auch davor, dass diese neue Regelung Migrierenden grundlegende Rechte vorenthalten wird, wie zum Beispiel die Möglichkeit, gegen ein Abschiebungsurteil Berufung einzulegen. Silvia Carta merkt an, dass es „eine wachsende Tendenz gibt, die Migration durch das Prisma der Sicherheit zu betrachten“.
Was geschieht nach Ablauf der Strafe?
Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen schlagen Alarm, wenn es um die Frage geht, was mit den Inhaftierten geschieht, nachdem sie ihre Strafe verbüßt haben. „Wenn sie nicht nach Dänemark zurückkehren können und im Kosovo kein Asyl beantragen, was passiert dann, wenn sie ihre Strafe abgesessen haben?“, fragt Orjana Demaliaj, Direktorin der kosovarischen humanitären Organisation Jesuit Refugee Service (JRS). Laut Vertrag müssen Inhaftierte vor ihrer Freilassung nach Dänemark zurückgeschickt werden, es sei denn, es gibt andere Abkommen, die eine direkte Überstellung in ein Drittland ermöglichen. Die Realität kann jedoch wesentlich komplexer sein: Insbesondere gibt es eine Grauzone für Abschiebungsinhaftierte, wenn das Herkunftsland die Zusammenarbeit verweigert. Die Praxis zeigt, dass schutzbedürftige Migrierende, die aus Dänemark abgeschoben werden, in eine prekäre Situation geraten können.
„Im Kosovo gibt es bereits Haftanstalten für Eingewanderte ohne Papiere oder ohne gültigen Asylantrag oder für solche, die das Land nicht innerhalb von zwei Wochen nach Ablehnung ihres Antrags verlassen haben, aber keine Straftat begangen haben“, erklärt Demaliaj. Die Zentren sind nicht für die Rückführung konzipiert und „die Menschen können dort ein Jahr lang festgehalten werden“, sagt sie. Nach diesem Jahr „werden die Türen einfach geöffnet und die Behörden behaupten, der Fall sei gelöst, ohne weitere Hilfe anzubieten“. Viele der Migrierenden werden ihre Reise über die Balkanroute fortsetzen oder erneut inhaftiert werden, wenn sie von der Polizei aufgehalten werden.
Migrierende, die festsitzen
„Zweifellos wird es Menschen aus Ländern wie dem Iran und Afghanistan geben, die nach Verbüßung ihrer Strafe im Kosovo nicht in ihre Heimat zurückkehren können“, sagt Therese Rytter, Leiterin der Rechtsabteilung von DIGNITY, dem dänischen Institut gegen Folter. Rytter geht davon aus, dass dies bei denjenigen der Fall sein wird, bei denen ein erhebliches Risiko besteht, dass sie in ihrem Herkunftsland gefoltert werden. „Es ist durchaus möglich, dass diese Personen nach Dänemark zurückkehren und im Rahmen eines geduldeten Aufenthalts in das Abschiebezentrum Kærshovedgård geschickt werden“, fügt sie hinzu.
Das dänische Justizministerium hat versucht, der Öffentlichkeit zu versichern, dass die Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Gjilan „nicht in den Kosovo entlassen werden“, da der Vertrag „die Möglichkeit vorsieht, verurteilte Ausländer*innen direkt in ihr Herkunftsland abzuschieben, sobald sie ihre Strafe verbüßt haben“. Er enthält auch die Verpflichtung, dass die Ausländer*innen den Kosovo nach Verbüßung der Strafe verlassen müssen.
In bestimmten Fällen werden sie jedoch aus verschiedenen Gründen nicht aus dem Kosovo ausreisen oder abgeschoben werden können. Daher kann es notwendig sein, die Ausländer*innen entweder vorübergehend oder dauerhaft nach Dänemark zurückzuschicken. Es kann sich beispielsweise um Ausländer*innen handeln, die bei der Abschiebung nicht kooperieren und nicht zwangsweise abgeschoben werden können. Es wurden jedoch Regeln eingeführt, die sicherstellen, dass eine abgeschobene Person in der Justizvollzugsanstalt Gjilan in Sicherungsverwahrung verbleiben kann, wenn eine reale Aussicht besteht, dass sie in ihr Herkunftsland abgeschoben werden kann.
Misshandlungen in kosovarischen Gefängnissen
DIGNITY hat gemeinsam mit dem UNHCR, den Vereinten Nationen und dem Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) des Europarates Dänemark wiederholt aufgefordert, seine Gefängnispläne aufzugeben: Sie verstoßen gegen das im Völkerrecht verankerte Prinzip der Nichtzurückweisung, das besagt, dass Menschen nicht in ein Land zurückgeschickt werden dürfen, in dem sie Gefahr laufen, gefoltert oder unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden. Außerdem wird dadurch auch das Recht der Inhaftierten auf ein Familienleben verletzt.
Das Komitee des Europarats zur Verhütung von Folter hat die körperliche Misshandlung von Inhaftierten in den Gefängnissen des Kosovo dokumentiert. Es hat auch festgestellt, dass die Fälle nicht wirksam untersucht werden. Daher „besteht die Gefahr, dass das Personal, das möglicherweise Misshandlungen von Inhaftierten in der Justizvollzugsanstalt Gjilan begeht, nicht für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen wird“, sagt Therese Rytter, die auch Vizepräsidentin des CPT ist.
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🤝 Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Osservatorio Balcani Caucaso im Rahmen vom PULSE Gemeinschaftsprojekt verfasst - einer europäischen Initiative zur Förderung der transnationalen journalistischen Zusammenarbeit.
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