Katrin Krabbe, ganz rechts, mit ihren Kolleginnen der DDR-Mannschaft, die den Rekord der 4x100 m-Staffel bei den Europameisterschaften im britischen Gateshead am 5. August 1989 gebrochen hat (Bundesarchiv)

Das Doping-Erbe

Mit der deutschen Wiedervereinigung erbte die BRD nicht nur die Athleten der ehemaligen DDR und deren fabelhafte Leistungen, sondern auch die teuflische Maschinerie, die mit Hilfe von Anabolika Rekorde am Band ausspuckte. Zwanzig Jahre später hat eine echte Aufarbeitung noch nicht stattgefunden.

Veröffentlicht am 20 August 2009 um 16:23
Katrin Krabbe, ganz rechts, mit ihren Kolleginnen der DDR-Mannschaft, die den Rekord der 4x100 m-Staffel bei den Europameisterschaften im britischen Gateshead am 5. August 1989 gebrochen hat (Bundesarchiv)

Katrin Krabbe als Sinnbild für die Wiedervereinigung des deutschen Sports: Übernahme der erfolgreichen Ost-Sprinterin durch die BRD, Enthusiasmus für die Weltrekorde des gesamtdeutschen Mädchens, die erste positive Dopingprobe, der Fall. Entlang dieses Prinzips rekonstruieren sieben Redakteure im Spiegel die Geschichte der Sportvereinigung Deutschlands: "Der Osten war stolz, Weltklasse in die Vereinigung einzubringen. [...] 519 Medaillen holte das Land bei elf Olympischen Spielen. Sport war Staatsziel". Und Kanzler Helmut Kohl "sprach sich für die 'Aufrechterhaltung des hohen Niveaus' des DDR-Sports aus".

In Berlin läuft in der Zwischenzeit "ein historischer Wettlauf um die Wahrheit". Anabolikapillen werden vernichtet, brisante Aufzeichnungen über den Staatsplan 14.25 tauchen auf, den staatlichen Dopingplan. Doch den Empfehlungen des Deutschen Sportbundes, jeden Trainer mit Doping-Vergangenheit zu entlassen mangelt an Kontrollen – fehlendes Interesse. Belastete Trainer sitzen weiterhin überall.

1991 erscheint "Doping-Dokumente", der "Urknall im Prozess der Sportvereinigung". Heidi Krieger, ehemalige Kugelstoßerin, entdeckt, in welchem Maß sie Opfer des Dopingplans war. "Hormon-Heidi" wurde mit Testosteron gemästet, heute heißt sie mit Vornamen Andreas. 1998 beginnen die Prozesse. Gerichte verurteilen Ärzte, Wissenschaftler und Funktionäre zu Haft- und Geldstrafen. "Aber irgendwann erlahmte auch der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaften." Seit 2008 gibt es ein neues Gremium, die "Steiner-Kommission". Und die? "Entlastete Siebenkampftrainer Klaus Baarck", der die "kontrollierte" Abgabe der DDR-Medikamente für nicht gefährlich erklärt. "Zur WM in Berlin gelangte er nun, indem er vor der Steiner-Kommission Reue zeigte und ein Entschuldigungsschreiben unterzeichnete. So kann es für ihn immer weitergehen".

Berlin

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Hitler hat sich ausgespukt

"Der Schatten Hitlers hat sich verzogen" und bedroht das Olympiastadion, welches er selbst 1936 hatte bauen lassen, nicht mehr,berichtet die belgische Tageszeitung Le Soir jetzt, wo Berlin Gastgeber der Leichtathletik-Weltmeisterschaft ist. Die Deutschen interessieren sich hingegen vielmehr für den Helden der Olympischen Spiele von 1936. Ob der vierfache Olympiasieger von 1936, Jesse Owens, Hitler tatsächlich die Hand geschüttelt hat, rätseltder Tagesspiegel und stellt damit eine anekdotische Frage, die das Interesse der Deutschen für die Vergangenheit des Berliner Olympiastadions erkennen lässt. Anlässlich der letzten Fußballweltmeisterschaft hatte man das Stadion kostspielig renovieren lassen. Um jeden Preis wollten die Deutschen vermeiden, dass man sich an die Olympischen Spiele von 1936 erinnert. Dabei handelt es sich allerdings weder um den Wunsch, zu vergessen, noch darum, etwas zu verdrängen. Das brauchen die Deutschen nicht. Das Organisationskomitee hatte sogar vorgeschlagen, eine Art Ereignis in Verbindung mit den Spielen von 1936 zu schaffen. Jedoch wurde bisher noch kein Projekt konkretisiert. Für die Süddeutsche Zeitung ist das ein Zeichen dafür, dass die Amerikaner "mehr historisches Bewusstsein als ihre deutschen Gastgeber" besitzen. "Mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende haben sich die Deutschen von ihrer historischen Last befreit".

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