Angela Merkel steht zwischen Belgiens Regierungschef Yves Leterme, Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EZB-Chef Jean-Claude Trichet und Finnlands Regierungschef Jyrki Katainen. Brüssel, 23. Oktober.

“Das ist der €-day für Europa”

Der Sondergipfel am heutigen 26. Oktober in Brüssel ist für die europäische Presse entscheidend. Sowohl was die Rettung Griechenlands als auch die Aufrechterhaltung der Einheitswährung selbst betrifft, herrscht jedoch Verunsicherung vor.

Veröffentlicht am 26 Oktober 2011 um 13:38
Angela Merkel steht zwischen Belgiens Regierungschef Yves Leterme, Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EZB-Chef Jean-Claude Trichet und Finnlands Regierungschef Jyrki Katainen. Brüssel, 23. Oktober.

Für De Morgen ist der heutige 26. Oktober “€-day für Europa”. Die belgische Tageszeitung fragt sich: “Wird es den europäischen Staatschefs gelingen, den Euro zu retten?”. Yves Desmet, zuständig für die politischen Leitartikel der Zeitung, ist davon nicht überzeugt und rechnet mit:

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einem neuen, entscheidenden Tag, an dem die Länder der Eurozone – laut EU-Präsident Herman van Rompuy – wieder einmal schweres Geschütz auffahren werden, um die Märkte in den Gleichschritt zu bringen. Derzeit sieht es so aus, als würde man erneut auf bewährte Rezepte zurückgreifen: noch ein bisschen Erleichterung der griechischen Schulden, ein klein wenig mehr Kapital für die Banken und ein paar weitere Milliarden für den Rettungsfonds. Bisher ließ das die Märkte unberührt. Das schwere Geschütz erinnert daher stark an eine Wasserpistole. – De Morgen

Für La Vanguardia wird in komplexen Diskussionen “bei einem unsicheren Gipfel über die Zukunft des Euro entschieden”:

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Das Abkommen über den Euro ist wie eine Matrioschka, die mehrere andere Puppen enthält: passen nicht alle genau ineinander, kann man die nächste nicht schließen. Die Vereinbarung über die Erhöhung des Finanzstabilitätsfonds ist eng mit der Verringerung der Schulden Griechenlands um 50 Prozent, der Rekapitalisierung der Banken und der Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten, Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur zu ergreifen, verbunden. Ohne Wachstum wird der Krise nämlich weder durch Sparmaßnahmen noch durch den als “Firewall” dienenden Fonds ein Ende gesetzt werden können. – La Vanguardia

Der Leitartikler der katalanischen Tageszeitung, Manel Pérez, ist jedoch davon überzeugt, dass die 17 Mitglieder der Eurozone wählen müssen zwischen “ungerechten und ungeeigneten Maßnahmen”:

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Um Deutschland zu beruhigen, wählt man zwar das Finanzengineering mit seinen Versicherungs- und Verschuldungsmechanismen. Diese ermöglichen es, mit Mitteln zu prahlen, die nicht wirklich auf den Tisch gelegt zu werden brauchen. Sie können jedoch nicht die Schulden der Länder verteidigen, die in Schwierigkeiten stecken, sondern lassen die Schulden, die nicht zurückgezahlt werden können, weiter anwachsen. [...] Daher beunruhigt die Besessenheit der Deutschen, die ein Eingreifen der EZB in die Bekämpfung der Krise verhindert – nämlich die Inflationsangst – die Partnerländer der Euro-Zone. “Inflation ist ungerecht und Deflation hemmend”, sagte Keynes, fügte aber hinzu: “Von den beiden ist vielleicht Deflation die schlimmere, denn es ist in einer verarmten Welt schlimmer, Arbeitslosigkeit hervorzurufen, als den Rentier zu enttäuschen. – La Vanguardia

In Athen stellt To Ethnos fest, dass der Gipfel mit einem “Euro-Schwindel aufgrund des Vetos von Merkel” beginnt. Die griechische Tageszeitung schreibt:

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In Brüssel herrscht eine explosive Stimmung. Alles hängt von der Position Deutschlands ab. Angela Merkel errichtet eine Mauer zwischen ihrem Land und dem Rest Europas. Zum größten Leidwesen der Banken dürfte ein Schuldenschnitt um 50 Prozent beschlossen werden. Der IWF wollte bis 60 Prozent gehen, und die Banken geben zu bedenken, dass für sie alles über 40 Prozent zu viel ist. In Wirklichkeit wollte die Bundeskanzlerin die Banken zur Kasse bitten. Das alles in einem Umfeld, das von Spannungen, der Gleichgültigkeit Italiens und Griechenland am Rande des Abgrunds gekennzeichnet ist, wenn der Bankrott des Landes nicht angemessen aufgefangen wird. – La Vanguardia

Das deutsche Handelsblatt spricht schon im Voraus vom “Tag der gebrochenen Versprechen”. Die Wirtschaftszeitung bedauert, dass die europäischen Staatschefs im Begriff sind, ihre Versprechen an Wähler, Anleger und Banken zu verleugnen:

Der Gipfel hat noch nicht begonnen, aber das Abschlusskommuniqué ist schon vorbereitet. Denn wichtiger noch als die Rettung der europäischen Gemeinschaftswährung ist den Staats- und Regierungschefs die Rettung ihres eigenen Ansehens. Also haben die 17 Führer der Euro-Staaten schon vorab ihre noch zu leistenden Heldentaten gerühmt: “Die heutige Verabredung repräsentiert einen weiteren großen Fortschritt. Der Euro ruht weiterhin auf einem soliden Fundament”, heißt es im Entwurf des Kommuniqués. In Wahrheit ist die Basis des Euros durch mindestens ein halbes Dutzend gebrochener Versprechen längst ausgehöhlt. […] Der Schuldenschnitt kommt, der Rettungsfonds mit Superhebel auch ... – La Vanguardia

Letztendlich, so Le Figaro, wird aus dem Gipfel ein neues Europa unter deutscher Führung hervorgehen.

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Zwischen Merkels Deutschland und Berlusconis Italien brauchen wir wohl nicht zu zögern. Diejenigen, die kritisieren, dass Paris sich angeblich Berlin unterordnet, haben nicht verstanden, wie tief wir in der Krise stecken. […] Die deutsche Vorherrschaft ist eines der Elemente der sich abzeichnenden neuen Architektur. Diese soll uns zu ehrgeizigen Projekten motivieren, um Europa neu aufzubauen, Hand in Hand mit Deutschland. – La Vanguardia

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