Aus Frankreich

Der Favorit ist abgestürzt

Veröffentlicht am 16 Mai 2011 um 12:00

„DSK OUT“: so wie die gesamte französische Presse berichtet auch Libération über die Affäre Dominique Strauss-Kahn auf der Titelseite. Gegen „DSK“ war am Sonntag wegen versuchter Vergewaltigung in einem New Yorker Hotel Anklage erhoben worden. Der Direktor des IWF und laut Umfragen aussichtsreichster Kandidat der Sozialisten für die Präsidentschaftswahlen 2012 ist damit wohl aus dem Rennen. „Die Sozialisten verlieren den einzigen Kandidaten, der in den Umfragen in allen möglichen Konstellationen vorn lag und sogar Nicolas Sarkozy hätte schlagen können“, bedauert Libération. „Frankreich erlebt damit den ersten Sex-Skandal nach angelsächsischer Art und eine öffentliche Debatte, die es bisher aufgrund der 'kulturellen Ausnahme' oder demokratischer Schwäche nicht gab und auf Gerüchte und Tratsch in einem kleinen Kreis von Eingeweihten beschränkt blieb.“

„Dominique Strauss-Kahn wird nicht der nächste Präsident der französischen Republik“, versichert Le Figaro: „Das neue Idol der französischen Sozialisten hat sich in Luft aufgelöst. Sollte DSK unschuldig sein, wäre das für ihn zutiefst ungerecht, aber bedauerlicherweise nicht mehr rückgängig zu machen.“

Die restliche französische Presse bringt ebenfalls ihre Verwunderung über die „Explosion im Flug“ von „DSK“, wie es Slate.fr nennt, zum Ausdruck. Neben der Erwägung einer möglichen Verschwörung versuchen mehrere Zeitungen über Analytiker, Psychiater oder gar Romanautoren zu verstehen, was den IWF-Chef, der bereits 2008 in einen Sittenskandal innerhalb des IWF verstrickt war und in Frankreich bald mit einer neuen Klage (bei der es um eine Sex-Affäre aus dem Jahr 2002 gehen soll) konfrontiert sein könnte, dazu bewegt hat, derart seine Karriere zu ruinieren.

Während Slate.fr erläutert, was ein „sex addict“ ist, zitiert Libération den amerikanischen Journalisten John Gizzi, IWF-Spezialist der konservativen Wochenzeitung Human Events, der vor einem Monat erklärte: „Ich finde bei Strauss-Kahn äußerst merkwürdig, dass er als Kandidat für die französischen Präsidentschaftswahlen gehandelt wird, aber er hat nicht den Look dafür. Ganz offensichtlich hat er Übergewicht. Man hat den Eindruck, dass er sich nicht wirklich auf den Kampf vorbereitet hat.“ Libération schreibt weiter: „Die Geschehnisse des letzten Wochenendes unterstreichen diese Beobachtungen: selbst wenn man annimmt, dass DSK eine Falle gestellt wurde, hätte sich ein wahrer 'politischer Kämpfer', der bereit ist, sein letztes Hemd zu geben, um den Elysée-Palast zu erobern, sicher nicht so leicht 'reinlegen' lassen.“

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Daher glauben einige, so wie der Romanschriftsteller Luis de Miranda, an einen „politischen Selbstmord“: „Ein solches Vorgehen in einem solchen Moment seiner Karriere kann nur freiwillig sein. Diesen Absturz hat er gewünscht und gewollt. Der spirituelle Funke, der tief im Inneren von DSK keimt, wollte uns einen zweiten Caligula als Präsident ersparen. Der New Yorker Zwischenfall ist ein Opfer, ein Verzicht auf die greifbare Supermacht, ein Geschenk an das französische Allgemeinwohl.“ (mz)

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