Der russische Humor schien dem Tode nah, begraben unter den Ruinen der zusammengebrochenen UdSSR. Vergessen waren die sowjetischen Witze über Breschnews Sportwagen, über Gorbatschow und sein Anti-Alkohol-Gesetz oder über die von der Kommunistischen Partei versprochenen „leuchtende Zukunft“, die in immer weitere Ferne rückte. Die Warteschlangen, die Engpässe, die Inkompetenz der politischen Führung, die generelle Schizophrenie: alles wurde spielerisch ins Lächerliche gezogen.
Zugegeben, die Putin-Ära war alles andere als lustig.
Eine Art wie eine andere, um der Zensur oder der hohlen Phrasendrescherei der KP zu entgegnen. So gab es einen bekannten Witz über das Politbüro (dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei): Die Genossen drängen darauf, Kosmonauten „auf die Sonne“ zu schicken, um den Erfolg der Mondexpedition der Amerikaner zu toppen. Die Wissenschaftler sind besorgt: „Auf der Sonne ist es viel zu heiß“. Die Apparatschiks beruhigen sie: „Keine Sorge, Genossen, die Partei hat an alles gedacht: ihr fliegt nachts!“ Diese Art von köstlichen Geschichten verschwanden wie von Zauberhand mit der Abschaffung der Zensur vor zehn Jahren, so als hätte dies gereicht, den Witzen die Zähne zu ziehen. Die neue russische Generation schien kein Gefallen mehr an der politischen Satire zu finden.
Zugegeben, die Putin-Ära war alles andere als lustig. Kaum war der Präsident im März 2000 im Kreml angelangt, da ließ er „Koukly“ verbieten, die bissigste Satiresendung des Fernsehsenders NTW, moderiert vom Komiker Wiktor Schenderowitsch. Putin missfiel, dass er dort wenig vorteilhaft als Elfe mit riesigen Ohren dargestellt wurde. Kaum war die Sendung abgesetzt, ließ der Kreml den Sender von der staatstreuen Gazprom übernehmen. Ansonsten sollten die Russen nicht mehr lachen, es sei denn über den Kasernenhof-Humor des ehemaligen KGB-Chefs. „Es wird Zeit Schluss zu machen, denn ich denke, ihr habt, genau wie auch, auch keine Windeln an“, scherzte der Staatschef im Jahr 2007 am Ende seiner jährlichen „One Man Show“, dem TV-Interview mit Presse und „Vertretern aus dem Volk“ der Russischen Föderation.
Medwedew ist das beliebteste Ziel für den Spott der Blogger
Seit kurzem erst kennt der Spott ein Comeback. Der vom Kreml organisierte Wahlbetrug, die Provokationen des „Vaters“ haben die Rückkehr der politischen Satire gefördert. Die wöchentliche Radiosendung „Bürger-Dichter“, eine vernichtende Kritik der Machthaber, brachte frischen Wind und löste Begeisterungsstürme aus. Putin wurde dort „die große Laus“ getauft und trägt die Züge von Kaa, der hypnotisierenden Schlange aus dem Dschungelbuch. Und er spielt mit seinem Alter Ego Medwedew Badminton auf einem Traktor. Das Spektakel wurde abgesetzt, doch die Blogosphäre führt es weiter.
Die jungen „Net Hamsters“ haben ihren Spaß daran, die Kommunikation des Kremls zu parodieren. Putins ewiger Verbündeter Medwedew, heute Ministerpräsident, ist das beliebteste Ziel für den Spott der Blogger. Er trägt bei ihnen wegen seiner Leidenschaft für elektronische Gadgets den Spitznamen „Aiphon Aipadowitsch“. Während seiner Amtszeit als Präsident (2008-2012) hackte sie sein Twiiter-Account. Ein anonymer Blogger hatte ein Account mit demselben Foto eingerichtet, KremlRusslandPräsident, wo die Tweets des Präsidenten ins Lächerliche gezogen wurden. Als Medwedew schrieb : „Treffen, um die Direktiven des Präsidenten umzusetzen“ antwortete sein teuflischer Doppelgänger prompt: „Nur der iPad des Präsidenten führt noch dessen Befehle aus“.
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