Der Makrelen-Krieg

Schottland und Norwegen fordern die EU auf, hart gegen Island und die Färöer-Inseln durchzugreifen. Anlass: Der eskalierende und himmelschreiende Machtkampf um die Fischbestände, welche an die Kabeljaukriege erinnern.

Veröffentlicht am 24 August 2010 um 14:20

Es ist Sommer und die britischen Liebhaber der Meerestiere genießen Makrelen in Hülle und Fülle: Gegrillt, geräuchert, oder in Apfelwein gebacken – ein saisongemäßer, umweltverträglicher und schuldfreier Genuss. Ein an die Kabeljaukriege in den 1970er Jahren erinnernder Streit hat Großbritannien und die EU jedoch so weit gebracht, dass sie kurz vor einem Makrelen-Krieg mit Island und den Färöer-Inseln (einer Inselgruppe, die sich zwischen Großbritannien und Island befindet und eine autonome Provinz Dänemarks ist) stehen. Diese haben die vereinbarten Quotenregelungen nämlich missachtet und sich eigenmächtig den Löwenanteil der nördlichen Atlantikbestände zugeteilt.

In der Zwischenzeit behauptet die Industrie, dass dieser Konflikt nicht nur die Zukunft der britischen Fischfangindustrie in Gefahr bringt, sondern dass er die Makrele als zukunftsfähiges und umweltverträgliches Nahrungsmittel gefährdet. In der vergangenen Woche versperrten 50 schottische Fischer im Peterhead-Hafen dem färöischen Schiff Jupiter den Weg und hinderten es daran, 1.100 Tonnen Fisch in die Aufbereitungsanlage abzuladen. Zudem fordert ein schottischer EU-Abgeordneter Sanktionen gegen Island und die Färöer.

Morderne Wikinger-Räuber

Struan Stevenson – Senior Vizepräsident des Fischerei-Komitees des Europäischen Parlamentes nennt sie "moderne Wikinger-Räuber". Er ist überzeugt, dass nur drohende Sanktionen die zwei Nationen zur Vernunft bringen könnten. "Wir sollten damit drohen, alle Häfen der EU für färöische und isländische Schiffe zu sperren, sämtliche Importe aus diesen Ländern zu blockieren und ihnen so zu zeigen, wie ernst wir es meinen", erklärt er.

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Zudem sollte diese Angelegenheit in den isländischen Beitritts-Gesprächen ein Schlüsselthema werden, fordert er. "Wir haben es hier mit einem Land zu tun, das sich an einen Tisch setzt, um Mitglied der EU zu werden. Jedoch sollte man einmal die Frage stellen, was es uns eigentlich gegeben hat? Eine vulkanische Aschewolke und finanzielle Probleme, weil es abgelehnt hat, seine Schulden an Großbritannien zurückzuzahlen. Und nun verhalten sie sich hinsichtlich der Fischbestände so außerordentlich aggressiv. Was sie tun ist in der Tat illegal: Ungemeldetes und unkontrolliertes Fischen."

Ein Teil des Problems scheint sich mit dem Klimawandel erklären zu lassen. Die Makrelen suchen sich kühlere und somit nördlichere Gewässer. Eine solche Fülle hat das regelrecht in Geldproblemen schwimmende Island dazu verleitet, die vereinbarten Quoten von 2.000 Tonnen drastisch zu erhöhen – auf 130.000 Tonnen. Die Färöer, die mit der EU und Norwegen Küstenwasser-Vereinbarungen unterschrieben hatten, verhielten sich ebenso und erhöhten ihre 25.000-Tonnen-Quote eigenmächtig auf 85.000 Tonnen.

Wenn dies weiterhin so gehandhabt wird, führen die gemeinsamen Makrelenquoten im Jahr 2010 zu einer Überfischung, die 35 % über den wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung liegt, warnt WWF (World Wide Fund For Nature). Für die Bestände könnte dies das "Todesurteil" sein.

Der den schottischen Fischer-Verein "Pelagic Fishermen's Association" leitende Ian Gatt glaubt, dass dadurch die – 164 Millionen Euro erwirtschaftende – Industrie in Gefahr gebracht wird. Wenn man sich nicht einigen kann, dann drohen die schottischen Quoten halbiert zu werden. Norwegen hat sofort reagiert und seine Häfen für Schleppnetzfischerboote aus beiden Ländern geschlossen. Die EU, die zwar ihrer Sorge Ausdruck verliehen hat, konnte sich – zur großen Enttäuschung der Fischfangindustrie – jedoch noch nicht entscheiden, wie sie darauf reagieren soll.

Anfänger im Makrelen-Fischen

Was das Fischen von Makrelen anbelangt ist Island ein Anfänger. Mit den Färöern hat es eine teure Flotte aufgebaut, um blauen Wittling zu fischen. Jedoch brachen die Bestände ein. "Und so sitzen sie nun da, mit ihren neuen, modernen Schiffen", sagt der 63-jährige pensionierte Fischer Ernie Simpson, der mit seinem Sohn Allan die in Fraserburgh registrierte Christina S besitzt. "Bessere und größere Schiffe als wir haben einige von ihnen. Aber keinen einzigen blauen Wittling zu fischen. So wenden sie sich nun der Makrele zu."

Island ist der Überzeugung, dass dies gerechtfertigt ist. Der Bund isländischer Fischereiboot-Besitzer (LIU) erklärt, dass er "das gute Recht hat, im Rahmen der isländischen Gesetzgebung Makrelen zu fischen". Indessen hat sich die schottische Regierung mit den Norwegern zusammengeschlossen und die EU dazu aufgerufen, mehr Druck auf die beiden Länder auszuüben. Stevenson glaubt jedoch, dass es schwierig sein wird, die Kompromisslosigkeit der isländischen Fischer zu zügeln. Noch immer scheinen sie von den Kabeljaukriegen der 1950er und 1970er zu zehren. Damals zerschnitten isländische Fischdampfer die Netze ihrer britischen Rivalen, bis die Kriegsmarine gezwungen war, einzugreifen.

"Sie verherrlichen die Kabeljaukriege, die sie glauben, gewonnen zu haben. Das geht sogar so weit, dass das isländische Kanonenboot, welches das Feuer gegen ein Schiff der britischen Marine eröffnet hat, nun als ein gefeiertes Restaurant im reykjavikischen Hafen liegt", erklärt er. "Jedoch sind sie damit auf dem Holzweg. Denn in diesem Konflikt haben sie nicht nur Großbritannien gegen sich, sondern die ganze EU, sowie ihren nächsten Nachbarn Norwegen." (j-h)

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