Früher, in der angeblich guten alten Zeit, betrog in der Biobranche allenfalls ein einzelner Bauer oder Händler. Hier hat er ein bisschen Pestizide aufs Feld gespritzt; da hat er ein paar konventionelle Billigeier unter die teuren biologischen gemischt. Hat kaum einer gemerkt, fiel mengenmäßig auch nicht ins Gewicht.
Doch über dieses Stadium sind Biobetrüger in Italien längst hinaus. Dort deklarieren neuerdings auch gewerbsmäßig operierende Banden mit Hilfe eines ganzen Netzwerks von Firmen in verschiedenen Ländern riesige Mengen herkömmlicher Ware in Ökoprodukte um. Im April schon wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft im italienischen Adriastädtchen Pesaro nicht etwa gegen einen Verdächtigen, sondern gleich gegen 23 mutmaßliche Mitglieder eines Fälscherrings ermittelt. Zwar stammen alle aus Italien, arbeiteten aber unter anderem in der Republik Moldau, auf Malta oder in Westeuropa. Zu den Verdächtigen gehört sogar der moldauische Ableger einer Ökokontrollstelle aus Italien, die ja eigentlich Betrügern auf die Schliche kommen sollte.
Alle waren den Ermittlern zufolge daran beteiligt, konventionelle Futtermittel aus Moldau und der Ukraine mit falschen Biozertifikaten zu versehen. Um die Wege der Ware zu verschleiern, nutzten sie ein Geflecht aus mindestens zehn Firmen in verschiedenen Ländern. 1.500 Tonnen Mais und 30 Tonnen Soja hat die Staatsanwaltschaft schon beschlagnahmt in dem groß angelegten Verfahren, das sie Green War nennt.
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Bei früheren Fällen wurde konventionelle Ware in die EU geschafft und dort umdeklariert. „Jetzt dagegen entsteht das Produkt schon als Bioware etwa in Moldau, wird gleich vor Ort zertifiziert, dann exportiert und weitervermarktet“, sagt Staatsanwältin Silvia Cecchi aus Pesaro der taz. Diese Masche soll es den Behörden noch schwerer machen, den Betrug zu entdecken.
„Organisierte Kriminalität“
Große Mengen, internationale Warenflüsse, ein komplexes Firmengeflecht, korrupte Aufsichtsorgane und notorische Profis – darauf trifft der Begriff „organisierte Kriminalität“ zu, wie ihn die Gemeinsame Arbeitsgruppe der deutschen Justiz- und Polizeibehörden 1990 definiert hat. Auch Paolo Carnemolla, Präsident der Dachorganisation Federbio von Bioerzeugern, Verarbeitern und Händlern in Italien, spricht unumwunden von „organisierter Kriminalität“, die da am Werke sei.
Möglich, so Carnemolla, sei deren Wirken, weil auch die Aufsichtsbehörden immer wieder versagten. So habe das Betrugsinspektorat im italienischen Landwirtschaftsministerium bis vor wenigen Monaten einen Leiter gehabt, gegen den jetzt in einer anderen Geschichte wegen Korruption ermittelt werde. Schon das lasse tiefe Zweifel aufkommen, ob da ein entschlossener Fahnder der Kontrollbehörde vorstand.
Waren auch Staatsbeamte verwickelt?
Immerhin ist bisher nicht der Verdacht aufgekommen, dass das Ministerium in Rom selbst in die Sache verwickelt sei. In Moldau und auf Malta ist das anders. Federbio-Chef Carnemolla findet es sehr auffällig, dass der Import in die EU – und damit die Verzollung und Kontrolle der Ware – über Malta getätigt wurde, wo das Biobusiness kaum präsent ist. Mit den Behörden in Moldau und auf Malta gebe es keinerlei Zusammenarbeit bei den Ermittlungen, „wir wissen nicht, welchem Gesprächspartner wir vertrauen können, wir fürchten die Verwicklung auch dortiger Staatsbeamter“.