"Wirtschaft", "Politische Spiele um die Regierungsbildung"

Die Machtkomödie

In Griechenland und ganz Europa warten alle darauf, dass die Vorsitzenden der drei größten Parteien sich auf eine Regierung einigen. So würde man Neuwahlen vermeiden, die die Krise nur noch schlimmer machen könnten. Allerdings scheinen die Parteispitzen momentan vor allem damit beschäftigt zu sein, sich ihre eigene politische Zukunft zu sichern.

Veröffentlicht am 14 Mai 2012 um 15:15
"Wirtschaft", "Politische Spiele um die Regierungsbildung"

Wer das Treffen der Parteichefs der sozialistischen Pasok, der rechtsliberalen Neo Dimokratia und der linksradikalen Syriza am 13. Mai mit gewissem Abstand verfolgte und um die wahren Beweggründe jeder einzelnen Partei weiß, musste sich sicher kaputtlachen.

Das Ganze war ungefähr so unterhaltend wie ein Theaterstück voller derbem Humor. Dabei war dieses Treffen eigentlich von entscheidender Bedeutung: Die drei Parteichefs sollten mit Staatspräsident Karolos Papoulias eine Regierungskoalition aushandeln. Anderenfalls müssen im Juni neue Parlamentswahlen abgehalten werden.

Das Ziel einiger Politiker liegt auf der Hand: Es geht um die ganz persönlichen Interessen. So könnten Neuwahlen dazu beitragen, die Wahlergebnisse der eigenen Partei vergessen zu machen.

Schauen wir uns einmal an, welches Ziel ein jeder von ihnen verfolgt: Der Chef der Neo Dimokratia, Antonis Samaras, will Neuwahlen verhindern. Egal was kommt. Von dieser Idee ist er wie besessen. Auch wenn er sich damit wohl auf dem Holzweg befindet. Schließlich gelang es der ND bei den Wahlen am 6. Mai [mit gerade mal 18,85 Prozent der Wählerstimmen] nicht, die von Samaras gewünschte Mehrheit zu erreichen. Ganz im Gegenteil: Die ND musste die schlimmste Wahlschlappe ihrer Geschichte einstecken.

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Bei Neuwahlen, ist es viel wahrscheinlicher, dass Syriza es an die Spitze schafft

Bei diesem Ergebnis hätte Samaras eigentlich seinen Führungsposten aufgeben müssen. Wenn da nicht die Möglichkeit der Koalitionsregierung und eventueller Neuwahlen im kommenden Monat gewesen wären. Schließlich steht die ND trotz des lächerlichen Wahlergebnisses dennoch an der Spitze: Mit doppelt so vielen Abgeordneten als ihr eigentlich zustehen (108 Abgeordnete von 300, dank dem gesetzlich verankerten Bonus von 50 Abgeordneten, die der führenden Partei zustehen).

Sollte es aber Neuwahlen geben, ist viel wahrscheinlicher, dass Syriza es an die Spitze schafft und den Bonus absahnt. Dann würde die ND zwischen 50 und 60 Sitzen verlieren. Dann täte Antonis Samaras gut daran, seiner Partei heimlich still und leise den Rücken zu kehren. Am besten über Nacht, um zu verhindern, dass ihn die Spitzenbewerber um sein Amt in Stücke reißen.

Der Vorsitzende der sozialistischen Pasok, Evangelos Venizelos, befindet sich in der gleichen Situation: Die Pasok ist wirklichkeitsfremd, gespalten und steht kurz vor ihrem Abgang von der politischen Bühne. Davon zeugen auch die 13,18 Prozent [d.h. 41 Abgeordneten], die sie am 6. Mai erreichte. Ihr Vorsitzender versucht nun, so viele Leute wie möglich um sich zu scharen. Schafft er es nicht, sich an der nächsten Regierung zu beteiligen, droht Venizelos das gleiche Schicksal wie Samaras. Er wird folglich alles daran setzen, die Regierungsbildung voranzutreiben, um zu verhindern, im Abseits zu landen.

Ein historischer Sieg für die Linken?

Auf der anderen Seite steht Alexis Tsipras, Chef der Syriza [die am 6. Mai 16,78 Prozent der Stimmen, d.h. 52 Sitze erreichte]. Für seine Partei könnten sich Neuwahlen ganz sicher lohnen. Schließlich schwimmt die Partei auf einer Erfolgswelle, die sie ihrem Anti-Memorandums-Kurs zu verdanken hat [d. h. dem Dokument, das die griechische Regierung mit der EU-IWF-EZB-Troika unterschrieb, um finanzielle Hilfen zu bekommen, im Gegenzug aber Sparmaßnahmen und Reformen versprechen musste]. Bei Neuwahlen könnte die Partei zwischen 120 und 130 Sitze ergattern, was einem historischen Sieg der Linken gleichkäme. Aus diesem Grund hat sich [Tsipras] dazu entschieden, die klassischen Parteien nicht zu unterstützen.

Genau betrachtet wird klar, dass es Tsipras gar nichts bringt, sich an einer Regierung mit der Neo Dimokratia und der Pasok zu beteiligen. Zusammen kommen beide auf 149 Sitze [d. h. der Mehrheit im Parlament, die 151 Sitze beträgt]. Dadurch würde [Tsipras] in den Augen der Griechen nur an Glaubwürdigkeit verlieren.

Die einzige Hoffnung ruht demnach auf Fotis Kouvelis’ Demokratischen Linken. Allerdings ist es ihm nicht gelungen, Tsipras zu überzeugen. Wenn sich Kouvelis letzten Endes aber auf eine Zusammenarbeit mit der Pasok und der ND einlassen würde, kämen sie zusammen auf 168 Sitze. Allerdings hätten sie nur die Unterstützung von 38 Prozent der Griechen...

Kommentar

Deutschland löst Europa auf

„Die Deutschen halten Griechenland und Europa für Jugoslawien“, schimpft To Vima. Auf ihrer Website stellt die Wochenzeitung fest, dass die Wahlen in Nordrhein-Westfalen „eine schreckliche Ohrfeige für Merkel“ waren. In diesem Bundesland haben sie sich in ein „nationales Referendum gegen die Sparpolitik verwandelt“. Doch am selben Tag habe „der Spiegel über das Schicksal Griechenlands ironisiert“ und zu seinem Austritt aus dem Euro aufgerufen. „Berlin löst Europa auf und fängt bei Griechenland an“, wirft To Vima vor. „Sie machen mit unserem Land das gleiche wie Anfang der 90er Jahre mit Jugoslawien, aber diesmal mit finanziellen Bomben.“

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