EU kaut an Internet-Cookies

Europas Cookie-Richtlinie krümelt... was zeigt, wie schwer es ist, die Überwachung des Surfverhaltens der Internetnutzer im Zaum zu halten.

Veröffentlicht am 25 November 2010 um 16:36

Die Europäische Union sieht sich als wegweisend im Datenschutz und verabschiedete letztes Jahr eine Richtlinie, laut welcher Web-Unternehmen das Einverständnis der Internetnutzer einholen müssen, wenn sie auf ihren Computern datenerhebende Anwendungen einrichten, wie zum Beispiel Cookies. Diese Richtlinie muss von den Mitgliedsstaaten noch in die Landesgesetze integriert werden.

Doch heute sind sich Internetunternehmen, Werbefirmen, Gesetzgeber, Datenschützer und EU-Mitgliedsstaaten nicht mehr darüber einig, was eigentlich gemeint ist. Reicht es, wenn der Nutzer die Cookies beim Einstellen seines Webbrowsers zulässt? Ist das von der Online-Wirtschaft unterstützte Programm akzeptabel, bei welchem die Nutzer sehen, dass Daten erhoben werden, und sich dagegen entscheiden können (Opt-out-Verfahren)? Ist das Setzen von Cookies auf einem Rechner nur erlaubt, wenn der Nutzer es jedes Mal durch einen ausdrücklichen Mausklick bewilligt?

Jedem Land seine Cookies

„Wir sind da in einer Art Grauzone“, meint Bridget Treacy, Leiterin der Datenschutzabteilung der britischen Anwaltskanzlei Hunton & Williams LLP. Die europäischen Behörden in Brüssel versprechen für den Beginn des kommenden Jahres neue Leitlinien. Die 27 EU-Mitgliedsstaaten sollen die neue Regelung bis Mai in ihrem jeweiligen Landesrecht umsetzen. Doch jedes Land könnte das Gesetz unterschiedlich auslegen, wodurch ein Albtraum an widersprüchlichen Normen entstünde. Das Ende vom Lied wäre, dass sich nicht viel an der heutigen Funktionsweise der Cookies ändern würde.

EU-Beamte sehen sich selbst als führend in Verbraucherschutzbelangen wie im Bereich der Chemikalien oder der genmanipulierten Nahrungsmittel. Doch es erweist sich als schwieriger, durchsetzbare Schutzmaßnahmen für das grenzfreie, von der Technologie angetriebene Internet einzurichten.

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Datenspeicherung verneinen oder bejahen?

Die ganze Geschichte begann vor mehr als zwei Jahren, als die europäischen Gesetzgeber vorschlugen, eine Richtlinie über Telekommunikation zu überarbeiten, in der es auch um Cookies ging: kleine Textdateien, die von Webseiten auf einem Computer eingerichtet werden. Cookies können Logins, Passwörter und Präferenzen abspeichern, was für den Nutzer praktisch ist. Doch Cookies können auch dazu verwendet werden, das Surfverhalten im Netz zu verfolgen. Im Online-Marketing wird dieser Browserverlauf für das Zusenden gezielter Werbungen verwendet.

Die alte Richtlinie verlangte von den Webseitenbetreibern, den Verbrauchern die Wahl des „Opt-out“ zu geben bzw. Cookies abzulehnen, gewöhnlich indem durch die dementsprechende Einstellung des Webbrowsers. Doch ein vom deutschen EU-Parlamentarier Alexander Alvaro geleiteter Ausschuss schlug die Umkehrung des Prinzips vor (Opt-in-Verfahren): Mit der neuen Richtlinie müssen die Nutzer vor dem Setzen des Cookies ausdrücklich einwilligen.

Werbebranche ist alarmiert

Dies führte zu einem Richtlinienentwurf, laut welchem ein Cookie nicht ohne „vorherige Zustimmung“ des Benutzers gesetzt werden kann. Diese Klausel alarmierte jedoch die europäische Online-Werbebranche, die letztes Jahr 14,7 Milliarden Euro an Werbeausgaben generierte, so die Angaben des Branchenverbands Interactive Advertising Bureau. Eine gesetzlich bestimmte vorherige Zustimmung „war für uns nicht tragbar“, erklärt Kimon Zorbas, Vizepräsident des IAB Europe. Zorbas und seine Kollegen betrieben Lobbying bei den Politikern.

Das Gezänk zog sich hin bis Stunden vor der Verabschiedung der Richtlinie durch das Europäische Parlament im Mai letzten Jahres. Eine Stelle, die die Bewilligung der Cookies in den Browsereinstellungen mit einer „vorherigen Zustimmung“ gleichsetzte, wurde in abgeschwächter Form in einen Anhang versetzt. Werbeagenturen legten die neue Formulierung dahingehend aus, dass es nicht nötig sei, jedem Cookie einzeln zuzustimmen, und Browsereinstellungen somit ausreichten.

Lobbyisten stehen auf nationaler Ebene am Start

Datenschützer waren jedoch anderer Meinung. Für den griechischen EU-Abgeordneten Stavros Lambrinidis soll die Richtlinie garantieren dass „kein Cookie, kein Spion, kein gar nichts in Ihren Computer eindringt und dort arbeitet, ohne dass Sie es wissen und erlauben“. EU-Kommissarin Neelie Kroes ist für die Umsetzung der Richtlinie zuständig und scheint einen Mittelweg zu vertreten. Sie schlug vor, die Branche könne vielleicht Leitlinien zur Selbstregulierung einrichten, die man dann in ganz Europa umsetzen könne.

Am 16. Dezember sollen die Werbefirmen den EU-Verbrauchern und Datenschützern diesen Vorschlag erklären. Frau Kroes werde sich Anfang nächsten Jahres dazu aussprechen, wurde angekündigt. Die Debatte über die Richtlinien wird in den 27 EU-Mitgliedsstaaten weitergeführt. Die Behörden erwarten eine einfache Abschrift der EU-Richtlinie. Online-Werbefirmen, Webportale und Browserhersteller bleiben am Ball.

In Zusammenarbeit mit Max Colchester in Paris.

Aus dem Englischen von Patricia Lux-Martel

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