Slavoj Žižek

Europas größte Gefahr: ‘Trägheit, Gleichgültigkeit und allgemeiner Relativismus’

Veröffentlicht am 17 April 2015 um 04:37

In einem Interview mit dem deutschen Magazin Der Spiegel macht der Slowenische Philosoph Slavoj Žižek Europas Trägheit für viele Probleme des Kontinents verantwortlich.

Er sein kein „Wirrkopf“, sagt er: „Ich bin Kommunist in Ermangelung eines Besseren, aus Verzweiflung über die Lage Europas.“ Für ihn ist die europäische Krise nicht nur eine Frage, ob man den Kapitalismus unterstütz, oder nicht; sondern eine Frage, bei der es um die Grundsätze der westlichen Demokratie geht. Dennoch „gibt keinen Weg zurück zum Kommunismus.“

Für Žižek sind die vier großen Herausforderungen eines globalisierten, kapitalistischen Systems der Klimawandel, die klaren Konsequenzen der biogenetischen Forschung, die nicht vorhandene Selbstregulierung der Finanzmärkte und die immer größere Zahl ausgeschlossener Menschen. „Einzig eine erneuerte Linke vermag die zentralen Werte der liberalen Demokratie zu retten“, sagt er im Interview. Sollte die Linke ihre Chance verpassen, bestünde die Gefahr eines neuen Faschismus, „oder zumindest eines neuen Autoritarismus.“

Für Žižek ist die Antwort auf religiösen Fundamentalismus, Rechts-Populismus und Nationalismus jedoch nicht mehr Toleranz oder Verständnis, sondern eine neuartige, „übergeordnete Leitkultur“, die Grenzen festlegt. In Europa wäre diese „Leitkultur“ der „Universalismus der Aufklärung“, meint Žižek. [[Žižek argumentiert, es gäbe einen Punkt, ab welchem kulturelle Koexistenz nicht mehr möglich ist.]]

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„Die größte Gefahr für Europa ist seine Trägheit, seine Zuflucht in eine Kultur der Gleichgültigkeit und des allgemeinen Relativismus,“ meint er, und sieht ein europäisches Schulgefühl auf dem multikulturelle Toleranz aufbaut. „Zu einem explosiven Problem kommt es dann“, sagt Žižek, „wenn zwei ethnische oder religiöse Gruppen in enger Nachbarschaft zusammenleben, aber über unvereinbare Lebensweisen verfügen, also Kritik an ihrer Religion oder ihrer Lebensweise als Angriff auf ihre Identität als solche empfinden.“

Dennoch verteidigt Žižek Europa und bezeichtet sich selbst als „eurozentrischer Linker.“

Ich bin dagegen überzeugt, dass wir Europa mehr denn je brauchen. Stellen Sie sich eine Welt ohne Europa vor: Übrig blieben zwei Pole, die USA mit ihrem brutalen Neoliberalismus und der sogenannte asiatische Kapitalismus mit seinen autoritären politischen Strukturen. Dazwischen noch Putins Russland mit seinen Expansionsbestrebungen. Verloren wäre der wertvollste Teil des europäischen Erbes, in dem Demokratie eine Freiheit des kollektiven Handelns umfasst, ohne die Gleichheit und Gerechtigkeit nicht möglich sind.

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