„Als kleines Land sind wir von Natur aus Brückenbauer.“ Mit diesen Worten brachte Xavier Bettel jüngst das Selbstverständnis Luxemburgs in der Europapolitik auf den Punkt. Zwar musste der Liberale im Herbst nach einem Jahrzehnt den Posten des Regierungschefs aufgeben. Als Außenminister pflegt er allerdings weiter das Image Luxemburgs als leidenschaftlicher Verfechter der europäischen Solidarität – und bringt sich damit auch recht offensiv als Anwärter für das Amt des EU-Ratspräsidenten ins Spiel.
Was Bettel und andere Luxemburger Spitzenpolitiker aber nur selten aussprechen: Ihr Land spielt in der EU traditionell eine ambivalente Rolle. In vielen Bereichen engagiert sich das kleine Großherzogtum im Herzen Europas in der Tat für den Fortschritt der EU. Die europäische Integration ist Teil der Luxemburger Staatsräson und taugt auch im politischen Diskurs kaum zur Kontroverse. Das heißt jedoch nicht, dass Luxemburg auf EU-Ebene keine eigene Agenda verfolgen würde.
Denn mit der Steuerpolitik entzieht sich ein wichtiges Politikfeld der parteiübergreifenden Europafreundlichkeit – und auch weitgehend der öffentlichen Debatte. Hinter den Kulissen verteidigen Luxemburgs Regierungen ebenso diskret wie konsequent – und dank des Vetos in EU-Steuerfragen oft genug erfolgreich – ihre nationalen Interessen. Oder wie es der ehemalige Außenminister Jean Asselborn einmal im Interview mit Reporter.lu ausdrückte: „Wir sind keine heiligen Messdiener. Wir haben auch unsere Hintergedanken.“
Kein Wunder also, dass in den Augen mancher Partner das schlechte Image der „Steueroase“ immer noch nachwirkt. Dabei hat sich das kleine Land mit dem übergroßen Finanzplatz doch wesentlich gewandelt – wenn auch nicht unbedingt aus Überzeugung. Vielmehr musste Luxemburg auf internationalen Druck hin (nicht zuletzt von seinen mächtigen Nachbarn Deutschland und Frankreich) gewisse Praktiken zur „aggressiven Steuervermeidung“, wie sie die EU-Kommission bis heute nennt, anpassen.